"Die Kelly Family war vielen einfach suspekt"

Mitte der 90er-Jahre war an der Kelly Family kein Vorbeikommen. (Bild: BMG)
Mitte der 90er-Jahre war an der Kelly Family kein Vorbeikommen. (Bild: BMG)

 

Mitte der 90er-Jahre war kein Vorbeikommen an der Musikerfamilie mit dem Hippie-Lifestyle und den süßlichen Harmonien. Nun blickt ein ebenso kenntnisreiches wie originelles Buch auf den Werdegang der Kelly Family zurück. Es könnte Fans und einstige "Hater" der Band versöhnen.

"Die Kelly Family ist wahrscheinlich die in Deutschland erfolgreichste Musikfamilie. Die womöglich am innigsten verehrte - ganz sicher aber die am heftigsten verhöhnte und angefeindete." - Beste Voraussetzungen sind das für eine anregende Künstlerbiografie, was eine Neuerscheinung aus dem Klartext-Verlag auf denkbar originelle Weise einlöst. "The Kelly Family - Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten" (erhältlich für 16,95 Euro) ist vermutlich das erste Buch zur musizierenden Großfamilie, das sowohl Fans als auch Skeptiker dieses einzigartigen Pop-Phänomens abzuholen vermag.

Der Journalist Jürgen Winzer liefert auf 120 informationsprallen Seiten "Zahlen und Fakten", gewitzte Kurzporträts der Mitglieder, Zeittafeln, Statistisches und natürlich "populäre Irrtümer", die der Buch-Untertitel verspricht. Sind die Kellys eine irische Band? Nichts da. Die irische Staatsangehörigkeit, so erfährt man hier, bekamen die (großteils in Spanien geborenen) Kinder amerikanischer Auswanderer erst lange nach der Geburt.

Bemerkenswert überdies sind die Exklusiv-Einblicke in den deutschen Zeitschriftenjournalismus der 90er-Jahre. Einem erhellenden Kapitel über die allzu innige Verquickung der Band mit der "Bravo" ist zu entnehmen, dass die Band 1994 sogar an einer Redaktionsweihnachtsfeier teilnahm, heute aber teils mit Missachtung auf die Nähe zur Jugendzeitschrift zurückblickt (Joey Kelly: "Den Bravo-Otto braucht keine Sau"). Das Geben und Nehmen wuchs sich aus zur berüchtigten "Kellymania", in der den Musikern "die Kontrolle entglitt", wie es fraglos treffend im Buch heißt.

 

"Frei umherziehen wie die Vögel im Wind? Das war Spießern unbegreiflich."

Anders als die "Bravo" wurde deren Konkurrenzheft "Popcorn" von den Kellys auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs mit Missachtung gestraft. Man erfährt dies aus erster Hand. "Als stellvertretender Chefredakteur von Popcorn war ich für Papa Dan 'Persona non grata", schreibt der Autor Jürgen Winzer und führt dies aus in einem Kapitel, das von eigener Fehleinschätzung erzählt und von kreativen Ideen, den Berichterstattungsboykott seitens der Band zu umlaufen.

Von Revanchismus ist nun nichts mehr zu spüren in einem Buch, das sich schon im Geleitwort als Angebot "zur Aussöhnung" deklariert. "Nichts für ungut, Kellys, ihr seid echt okay", heißt es da. Später liest man Medienkritisches an die "Hater" von einst gerichtet, die sich von "taz" ("Singende Altkleidersammlung") bis "Süddeutsche Zeitung" auch im Feuilleton der Qualitätspresse fanden.

Den Grund für die Ablehnung glaubt Autor Winzer, erklärter Fan von Motörhead und AC/DC, erkannt zu haben: "Die Kelly Family war vielen einfach suspekt. Frei umherziehen wie die Vögel im Wind? Keine Schule, kaum Steuern, keine richtige Aufenthaltserlaubnis? Das war Spießern unbegreiflich."

VIDEO: Die Kelly Family: Wer ist noch dabei - und was macht der Rest?