Kommende Bundestagswahl - Wer heute die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, wird 2025 noch nicht wählen

Ein Wähler steckt bei einer Wahl seinen Wahlzettel in eine Urne.<span class="copyright">Bernd Weißbrod/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa/Symbolbild</span>
Ein Wähler steckt bei einer Wahl seinen Wahlzettel in eine Urne.Bernd Weißbrod/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa/Symbolbild

Deutsche Städte rechnen damit, dass Ausländer, die derzeit einen Antrag auf Einbürgerung stellen, nicht an der kommenden Bundestagswahl teilnehmen können. Das geht aus einer Anfrage des FOCUS an die neun Städte mit dem größten Migrationsanteil hervor.

Demnach dauert der Einbürgerungsprozess oft deutlich länger als ein Jahr. So müssten Antragssteller in der hessischen Stadt Offenbach, in der mehr als 45 Prozent der Bevölkerung keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, mit 14 bis 24 Monaten rechnen, bis sie einen deutschen Pass erhalten.

In Ludwigshafen (Ausländeranteil 31,5 Prozent) müssen Antragssteller gut anderthalb Jahre warten, in München (Ausländeranteil 33,4 Prozent) bis zu 18 Monate.

Neues Staatsangehörigkeitsrecht seit Juni in Kraft

Hintergrund: Seit dem 27. Juni 2024 ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft. Ausländer können nun schon nach fünf, in einigen Fällen sogar nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Bislang waren mindestens acht Jahre Aufenthalt in Deutschland erforderlich. Die Reform hat zu einem Anstieg der Antragszahlen geführt. Bis Ende des Jahres rechnen viele Bundesländer mit einer Verdoppelung der Anträge.

Die Angaben der einzelnen Städte:

Ludwigshafen: Erwartet bis Ende des Jahres 1.000 Anträge. Die Behörde beklagt zwei unbesetzte Stellen. Die Behörde arbeitet mit einer Online-Terminvergabe und einer e-Akte. Außerdem wird überlegt, einen Online-Einbürgerungsantrag zu ermöglichen. Die Dauer der Einbürgerungsverfahren hat deutlich zugenommen. Ein Antragssteller muss mit durchschnittlich 1,5 Jahren Wartezeit rechnen.

Köln: Laut der Behörde sind alle Termine für 2024 ausgebucht. Während das Ausländeramt 2023 noch 3800 Ausländer eingebürgert hat, rechnet man künftig mit 10.000 Einbürgerungswilligen pro Jahr. Bis Ende des Jahres will das Ausländeramt im Bereich der Einbürgerungen die Stellen verdreifachen. Geplant ist die Digitalisierung der Antragstellung. Zudem sollen die Antragstellenden künftig ihren Termin mit einem personalisierten Code selbst buchen können.

Christina Boeck, Leiterin des Ausländeramtes: „Wir vermuten, dass viele Menschen, die in Köln leben, die gerne die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen würden, aber die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes nicht aufgeben möchten. Diese Hürde gibt es jetzt zum Glück nicht mehr. Daher begrüßen wir die Gesetzesänderung sehr. Wir haben den Bund gemeinsam mit anderen Kommunen mehrfach darauf hingewiesen, dass wir ausreichend Vorlauf brauchen, um eine vielfache Zahl von Menschen jährlich einbürgern zu können. Das Gesetz wurde im März verabschiedet, für uns wäre ein Jahr Vorlauf angemessen gewesen – jetzt waren es nur drei Monate. Das Ausländeramt versteht sich als Willkommensbehörde und möchte guten Service bieten. Aber die Mitarbeitenden arbeiten schon seit längerem an den Kapazitätsgrenzen. Mit der Umsetzung von jetzt auf gleich fühlen wir Kommunen uns schon allein gelassen und müssen nun leider die einbürgerungswilligen Kölnerinnen und Kölner um Geduld bitten.“

Offenbach: Die Behörde erwartet eine Verdoppelung bis Verdreifachung der jährlich rund 1.200 Antragszahlen. Mit der Qualifizierung weiterer Mitarbeitender, der Einführung eines online-Verfahrens zur Einreichung von Antragsunterlagen und der Optimierung des Terminvergabesystem, hat sich die Behörde auf das neue Staatsangehörigkeitsrecht vorbereitet. Die Behörde benötigt 2,3 neue Vollzeitstellen. Die Behörde beklagt, keine finanzielle und personelle Unterstützung für diese neue Herausforderung zu erhalten. Bislang lag zwischen Antrag und Abschluss des Verfahrens ein Zeitraum von ca. 14 – 24 Monaten.

Düsseldorf: Seit Herbst 2023 meldet die Behörde ein erhöhtes Interesse für die deutsche Staatsbürgerschaft. Von Januar bis Mai 2024 wurden 2.563 Anträge gestellt. Die Behörde rechnet daher damit, dass die 2.758 Einbürgerungen von 2023 deutlich übertroffen werden. Derzeit arbeite das Amt für Migration und Integration an einer eAkte sowie digitalen Antragsstrecken. Durch den Wegfall der oft lange dauernden Entlassung aus der bisherigen Staatsbürgerschaft erhofft sich die Landeshauptstadt Düsseldorf eine deutliche Beschleunigung vieler Einbürgerungsverfahren.

München: Während in München im Jahr 2023 durchschnittlich 861 Anträge monatlich gestellt wurden, waren es in den ersten vier Tagen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes 850 Anträge. In den ersten vier Tagen wurden damit so viele Anträge gestellt, wie sonst in einem ganzen Monat. Es wurden 20 Stellen für die Einbürgerungsbehörde geschaffen, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Diese Stellen sind zum Teil besetzt, zum Teil laufen die Besetzungsverfahren bzw. sind in der Vorbereitung. Langfristig soll das Personal aufgestockt werden. Die Behörde rechnet mit ca. 40.000 Einbürgerungsanträgen jährlich, ausgehend von bisher ca. 10.000 Anträgen im Jahr. In München kommen ca. 264.000 Menschen für das neue Gesetz in Frage. Die Verfahren dauern derzeit ca. 12-18 Monate. Aufgrund des signifikanten Anstiegs der Antragszahlen seit Inkrafttreten des Gesetzes, werden sich die Bearbeitungszahlen zumindest in der Anfangszeit voraussichtlich verlängern.

Mannheim: Seit Inkrafttreten des Gesetzes meldet die Behörde eine Vervierfachung der Anträge. Mannheim erwartet damit 2.500 bis 2.800 Anträge bis Ende des Jahres. Die damit einhergehende neue Herausforderung sei nur mit zusätzlichen Stellen zu bewältigen, meldet die Behörde.