Kommentar: Boris Pistorius – wie sich der neue Verteidigungsminister macht

Verteidigungsminister Boris Pistorius (Mitte) bei einem Kasernenbesuch in Munster (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)
Verteidigungsminister Boris Pistorius (Mitte) bei einem Kasernenbesuch in Munster (Bild: REUTERS/Fabian Bimmer)

Seit einem Monat ist er im Amt: Derzeit ist der neue Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt der Bundeswehr allgemeiner Liebling. Sogar Aufbruchstimmung verbreitet Boris Pistorius. Doch dies allein wird dem Sozialdemokraten nicht helfen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Boris Pistorius profitiert gerade davon, was er nicht sagt oder macht. Er erzählt nicht vor wackelnden Kameras, wie viele interessante Leute er im Schatten des russischen Angriffskrieges bereits kennengelernt hat. Und er trägt keine Schuhe mit hohen Absätzen. Ersteres verleiht dem SPD-Politiker eine gute Figur, und letzteres ist lediglich Ausdruck allgemeiner männlicher Selbstverliebtheit, die im Amt des Bundesverteidigungsministers endlich wieder einen Herren sehen wollte – nach dem Motto: Kampf und Krieg seien Männersache.

Lesen Sie auch: Kritik an Lambrechts Rede im einsetzenden Silvesterfeuerwerk

Das ist natürlich Quatsch. Aber am Ende zählte kaum, welche Kritiken an seiner Vorgängerin Christine Lambrecht gerechtfertigt waren und welche nicht. Es war zu viel geworden. Der Eindruck hatte sich verfestigt, dass Lambrecht nicht 24 Stunden am Tag Bundeswehr dachte. Und dass die nötigen Reformen, auf die man seit vielen Jahren bereits vor ihrer Amtszeit wartete, von Lambrecht nicht so angegangen wurden, wie sie es erfordern.

Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seiner Vorgängerin Christine Lambrecht. (Bild: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images)
Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seiner Vorgängerin Christine Lambrecht. (Bild: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images)

Deshalb ist Pistorius der Neue mit dem mentalen Besen. Er vermittelt den Eindruck, Nöte der Soldaten erkannt zu haben. Und er nährt sich von den Vorschusslorbeeren, die er durch Stallwärme einheimst. „Ich bin froh, wieder bei der Truppe zu sein“, sagte er bei seinem Antrittsbesuch vor Soldaten in einer Kaserne. Sowas kommt gut an, ist aber natürlich weit hergeholt; zwischen 1980 und 1981 hatte er seinen Grundwehrdienst abgeleistet. Das ist lange her. Pistorius hat sich indes seitdem ein Image des Aufräumers erarbeitet – sei es als Bürgermeister in Osnabrück oder als Innenminister Niedersachsens. Verwaltung kann er. Nun wartet die für ihn bisher größte Aufgabe: Die Mammutbürokratie Bundeswehr in den Griff zu bekommen und für die Herausforderungen der Zukunft neu aufzustellen.

Leicht sind die zu schleppenden Steine nicht

Denn mittlerweile hat man von links bis rechts begriffen, dass unsere Demokratie tatsächlich eine Wehrhaftigkeit benötigt und dass dies auch die Fähigkeit zur Solidarität mit einem Staat wie der Ukraine einschließt, welche in ihrer Freiheit bedroht ist.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (links) und Kanzler Olaf Scholz. (Bild: Sean Gallup/Getty Images)
Verteidigungsminister Boris Pistorius (links) und Kanzler Olaf Scholz. (Bild: Sean Gallup/Getty Images)

Pistorius muss nun managen, was sein Vorgesetzter vor kurzem eine Zeitenwende nannte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit Traditionen in seiner Partei gebrochen. Aber nun ist es an Pistorius, für die Lieferung funktionierender Panzer, Waffen und Munition an die umkämpfte Ukraine zu sorgen. Gleichzeitig hat er die Wehrhaftigkeit der ausgelaugten und herunter gewirtschafteten Bundeswehr wieder herzustellen.

Lesen Sie auch: Pistorius will Waffenlücken bei Bundeswehr rasch schließen

Dafür braucht es genau jene Hauruckstimmung, die Pistorius gerade erfolgreich verbreitet. Doch bald ist es nicht mehr eine Frage der Atmosphäre. Dann wird geschaut, was Pistorius tatsächlich macht.

Werden Taten den Worten folgen?

Ein Monat Amtszeit ist zu früh für eine Bewertung. Bisher hat Pistorius keine Fehler gemacht. Vielleicht ein wenig zu sehr auf Streicheleinheiten bedacht ist er – dabei ist die Bundeswehr nun kein Haufen liebesentwöhnter Mädchen und Jungs. Aber die Richtung, die Pistorius vorgibt, stimmt. Er fordert schon jetzt konkret mehr Geld für seinen Etat. Er gibt sich zielstrebig innerhalb des Verteidigungsbündnisses, wirkt wie eine Person, der man die ausgesprochenen Worte abnimmt und ihnen Glauben schenkt.

Aber die wahren Aufgaben stehen noch vor ihm. Und sie werden ihm die Fähigkeit zu einer Selbstkritik abverlangen, die Lambrecht nicht zeigte. Unlängst musste er sie unter Beweis stellen: Auch Pistorius gehörte zu den Freunden eines kremlfreundlichen Kurses, wie ihn die SPD jahrelang fuhr. Doch im Angesicht des Angriffs auf die Ukraine gestand er seine Irrtümer ein. Darauf lässt sich aufbauen.