Kommentar: Claudia Pechstein ist als Sportlerin sportlicher

Die Spitzensportlerin hält bei der CDU eine Rede in Uniform. Das wäre schon in Ordnung. Nur was Claudia Pechstein zu erzählen hat, ist dürftig und überdreht zugleich. Auf der Eisbahn jedenfalls ist sie fairer.

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist auch Bundespolizistin und zeigt Uniform - wie bei einem Gerichtstermin im Jahr 2015 (Bild: REUTERS/Michael Dalder)
Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist auch Bundespolizistin und zeigt Uniform - wie bei einem Gerichtstermin im Jahr 2015 (Bild: REUTERS/Michael Dalder)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Nur wenige Minuten Redezeit reichten aus, um maximale republikanische Aufmerksamkeit zu erzielen, und darum geht es ja in den Zeiten, die Claudia Pechstein selbst kritisiert. Ein Stück weit wird es an der Polizeiuniform gelegen haben, in der die mehrfache Olympiasiegerin im Eisschnelllauf bei einer CDU-Veranstaltung auftrat. Das verlieh ihren Worten einen gewissen Wumms.

Dabei ist die Uniform nun wirklich nicht das Problem

Pechstein ist Polizistin, offensichtlich eine stolze, und warum sollte sie dies nicht zeigen? Würde sie auf einem Feuerwehrfest so auftreten, würde sich niemand darüber beschweren. Okay, es kommt auch auf die gesprochenen Worte an, und Uniformträger sollen laut Vorschrift eine politische Neutralität an den Tag legen, die man bei Pechstein weniger sah. Aber einen Missbrauch kann ich nicht sehen, frage mich eher, wann die Berufssportlerin damit das letzte Mal auf Streife gewesen ist.

Was ist Beamten eigentlich erlaubt und was nicht?

Auch ist ihre Begründung fürs Tragen ihrer Uniform ein wenig hergeholt, als sie im Nachhinein sagte: "Ich bin kein CDU-Mitglied. Ich war bei der CDU zu Gast – und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin." Komischerweise klang ihr Wortbeitrag wie eine Bewerbungsrede bei eben jener Partei, für die sie übrigens 2021 bereits für den Bundestag kandidiert hatte. Und wie oft ihre Stellung als Bundespolizistin tatsächlich ihren Alltag prägt, frage ich jetzt nicht ein weiteres Mal.

Soll sie ruhig Uniform tragen. Es ist immer gut, wenn Menschen in öffentlichen Funktionen ihre Uniform bewusst tragen. Es erhöht die Sichtbarkeit ihres Dienstes, der ja für die Gesellschaft sein soll.

Nur waren Pechsteins Worte mit lauter Foulplays angefüllt.

Eine Kaskade an Seitenhieben

Anfangs sprach sie noch von Vereinen, vom Breitensport und vom Ehrenamt – alles wichtige Themen, die zu wenig auf den Tisch kommen. Da sprach sie tatsächlich als Sportlerin, wurde aber auch da flugs ein wenig unfreundlich, als sie sich einen Seitenhieb gegen ihre Mitsportlerinnen nicht verkniff, indem sie in Schulhofpausenmanier gossipte, eine Shoppingtour übe für manche Sportlerin den gleichen Anreiz aus wie der Wettbewerb. Ach Gott, wir fanden "Pechis" Leistungen auch ohne dieses Pathos toll. Und als sie sich darüber beklagte, dass sie als Olympiasiegerin noch nicht ausgesorgt habe, könnte man das, befände man sich in Lästerlaune, auch als Shoppingtour bezeichnen.

All dies ist menschlich. Dann aber wurde es fies.

Denn Pechstein schuf sich Gegner für ihren Wortschnelllauf, die keine sind. Sie baute einen Popanz auf. Zuerst sinnierte sie darüber, ob es noch erlaubt sei, "Zigeunerschnitzel" und "deutscher Liederabend" zu sagen - was es ist. Dass letzteres überhaupt zu irgendeiner Debatte stehe, wusste ich nicht einmal. Und das Ding mit dem Z-Schnitzel, meine Güte: Es fällt doch keinem ein Zacken aus der Krone, wenn man Rücksicht nimmt auf Leute, die diesen Begriff nicht mehr hören wollen, auch Pechstein nicht. Denn das Wort "Zigeuner", da kann jetzt gelabert werden, wie man will, trägt einen negativen Kern, der sich zwar nichts aufs Schnitzel überträgt, aber diskriminierend bleibt. Roma und Sinti werben für eine weniger böse Sprache ihnen gegenüber. Das wird doch wohl drin sein.

Treten als Strukturelement

Dann wurde Pechstein grundsätzlich. Sie warb für konsequentere Abschiebung von abgelehnten Bewerbern auf politisches Asyl. Kann man machen. Ist ja eine intensive Debatte. Doch Pechsteins Argument war denkwürdig: "So erleichtern wir nicht nur die Arbeit meiner Kollegen, sondern sorgen so auch grundsätzlich für mehr Sicherheit im Alltag der Menschen."

Allein die "öffentlich-rechtlichen Verkehrsmittel" nutzen zu können, ohne ängstliche Blicke nach links und rechts werfen zu müssen, gehörten zu den Alltagsproblemen, die viele besonders ältere Menschen und auch Frauen belasteten, sagte sie. Aha. Wenn wir also mehr Menschen abschieben, haben die Leute in Bus und Bahn weniger Angst? Was will uns die Sportlerin damit sagen? Und was ist dann mit all den anderen Menschen, die womöglich nach Pechsteins Maßstäben angsteinflößend aussehen, aber dummerweise eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung oder gar einen deutschen Pass haben?

Pechstein teilt ein. Für sie gibt es ein "wir" und ein "die da". Sie spaltet. Wer dunkle Haare oder eine dunkle Haut hat, mag die älteren Menschen und Frauen, von denen Pechstein redet, ähnlich ängstigen, wenn diese von Vorbehalten und Vorurteilen geprägt sind. Und Pechstein haut in diese Kerbe. Was sie da losließ, war alles andere als nett. Wer weiß, wen sie ängstigt, wenn sie mit ihrer Uniform, dem strengen Blick ihrer blauen Augen und dem noch strenger nach hinten gezogenen Blondhaar in eine Bahn steigt?

"Die Kinder hierzulande wollen Mama und Papa"

Bei ihren Verallgemeinerungen kam sie dann auch noch auf die Familie an und für sich zu sprechen. Sie sagte: "Die Kinder hierzulande wollen nicht nur einen guten Job, eine heile Familie, eine traditionelle Familie, sie wollen Mama und Papa." Pechstein am Puls der Zeit, sie weiß, wie "die Kinder hierzulande" ticken. Und natürlich wollen sie Mama und Papa. Sie wollen auch Papa und Mama. Oder Mama und Mama. Auch Papa und Papa stehen hoch im Kurs. Aber Pechstein kontert Heteroeltern gegen andere Eltern aus. Sieht sie das eine als wertvoller an als das andere? Will sie suggerieren, dass Familien mit Mama und Papa ähnlich unter Druck geraten wie die Titulierung eines Fleischstücks mit Paprikasauce als Zigeunerschnitzel?

In ihrer Rede sagte Pechstein, sie und ihre Geschwister seien von ihren Eltern mit viel Liebe zu anständigen Menschen erzogen worden. Was sie indes in diesen sechseinhalb Minuten auf dem CDU-Konvent sagte, war in nicht wenigen Teilen unanständig.

Wie Pechstein ihre Rede selber verteidigt, lesen Sie hier