Kommentar: Nun muss China Putin beim Wort nehmen

Wladimir Putin. (Bild: Sputnik/Mikhail Metzel/Kremlin via REUTERS)
Wladimir Putin. (Bild: Sputnik/Mikhail Metzel/Kremlin via REUTERS)

Peking hat einen Friedensplan vorgelegt: Damit will die Supermacht im Krieg Russlands gegen die Ukraine vermitteln. Die meisten der zwölf Punkte sind sinnvoll. Nur muss China auch wirklich wollen, dass sich der Kreml daran hält.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Von Moral kauft man sich nichts, dafür pfeifen die Schüsse zu laut. Aber am Jahrestag des russischen Überfalls auf den Nachbarstaat Ukraine ist klar, wie welche Farben wirken: Vor der russischen Botschaft in London haben Aktivisten die Straße riesengroß in den blau-gelben Landesfarben der Ukraine angemalt und die Welt sagt: Wie schön. Würde man vor einer ukrainischen Landesvertretung die russischen Staatsfarben malen, schaute die Öffentlichkeit betreten weg.

Das heißt nicht, dass Russland an sich oder seine Farben irgendwie schlecht wären. Nur unternimmt seine politische Führung gerade denkbar Mieses, und die Bevölkerung erlaubt es ihr. Irgendwann wird Wladimir Putin Geschichte sein, dann strahlen auch wieder die hübschen russischen Wappen.

Bis dahin muss erstmal ein Ende des Leids sein. Auch am Jahrestag, das hat die UN-Vollversammlung am vergangenen Donnerstag unterstrichen, sind die Rollen klar verteilt: Russland ist der durch nichts gerechtfertigte Aggressor, und die Ukraine verteidigt sich lediglich. Kein aber. Und der Lügenverbrecher Putin versucht verzweifelt, seinen Landsleuten einzubläuen, der Westen wolle Russland ans Leder; eine billige Verteidigung der eigenen Missetaten durch pure Fiction.

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Ein Lichtblick könnte tatsächlich der Friedensplan sein, den China heute vorgelegt hat. Peking schlägt einen vorläufigen Stopp der Feindseligkeiten vor und illustriert deeskalierende Maßnahmen. Mit einer Ausnahme ist alles an dem Plan gut. Dass China ein Ende der Sanktionen fordert, ist zu sehr dem eigenen Egoismus geschuldet – denn China gefällt es nicht, wenn internationale Bündnisse auftreten, die eben schwerer bilateral beeinflusst werden. Die Wirtschaftssanktionen bleiben elementar, um die russische Regierung zur Besinnung zu kriegen. Über alles andere lässt sich reden.

Wörtlich genommen hat der Plan es in sich

„Konflikt und Krieg dienen niemandem“, schreibt der Plan. Wohl wahr. „Alle Parteien müssen rational bleiben, Zurückhaltung üben und vermeiden, die Flammen anzufachen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder sogar außer Kontrolle gerät.“ Genauer wäre gewesen, dass jemand wie Putin rational werden solle – denn vernünftig und logisch erscheint sein Wirken nur im eigenen kriminell-protofaschistischen Weltbild. Ganz konkret: China will, dass Russland sich zurückhält, die Flammen nicht weiter anfacht. Mit anderen Worten heißt dies, dass Russland nicht weiter angreifen soll. Peking hat also Putin nun beim Wort zu nehmen.

Natürlich wäre es gut, wenn man sich jetzt hinsetzt und verhandelt. Reden geht immer. Und geschossen wird gerade doch eh. Da kann Reden nicht schaden, nur all zu viel Hoffnung sollte dabei nicht mitschwingen.

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Zu diesem Plan passt übrigens nicht, dass China gerade mit Russland über die Lieferung von Kampfdrohnen verhandelt. Diese sind nämlich genau jene Flammen, die Peking in seinem Plan nicht angefacht sehen will. Drohnen werden von den russischen Truppen zum Angriff eingesetzt, sie fliegen tief in ukrainisches Territorium. Wer die Bilder auf Youtube gesehen hat, wie Menschen in Kiew auf der Straße plötzlich in Panik fliehen, weil aus dem Nichts eine Drohne auftaucht, die ihre tödliche Fracht überall entlädt, der fragt sich, was sich die chinesische Führung in den Tee schenkt, wenn sie doch Frieden will. Entweder möchte sie Deeskalation oder sie will keine. Die chinesischen Machthaber müssen sich genauso entscheiden, wie Putin es tun muss. An die Ukrainer ist weitaus weniger zu adressieren: Sie verteidigen sich. Eskalieren nicht. Tragen keine Gewalt in ein anderes Land.

Eine Frage des Ernstes

China ist eine Diktatur. In der Außenpolitik wendet die politische Führung zuweilen das Recht des Stärkeren an. So gesehen ist dieser Friedensplan ein Schwenk in eine andere Richtung, in eine humanere. Will sich die Supermacht als seriöser Player etablieren, sollte sie ihren Forderungen im Plan Folgen hinterher schicken. Dann muss Putin zum Zahnarzt.

Ihm ist in seinem Mund zu ziehen, dass er sich selbst ganz stark findet und den Westen weich. Putin setzt darauf, dass der Westen in seiner Solidarität mit der Ukraine ermüdet. Dass der Kreml am längeren Hebel sitzt, weil er bedenkenlos die eigenen Soldaten verheizt; mittlerweile begeht Putin auch Kriegsverbrechen an den eigenen Bürgern.

Über all dies ist zu reden. Peking und Moskau sind in der Bringschuld. Jetzt muss Butter bei die Fische.