Kommentar: Was will Elon Musk jetzt noch alles?

Der Megaunternehmer formt Twitter nach seinem Bilde. Steckt dahinter sein generell etwas irres Businessprinzip oder ein politischer Masterplan? Jedenfalls will Elon Musk immer mehr. Da wäre es folgerichtig, wenn er sich Ziele in der Politik setzt.

Elon Musk und das Logo von Twitter - eine Illustration (Bild: REUTERS/Dado Ruvic/Illustration)
Elon Musk und das Logo von Twitter - eine Illustration (Bild: REUTERS/Dado Ruvic/Illustration)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der Meister des allgemeinen Geraunes heißt Elon Musk. Wozu er sich auch äußert – die Aufmerksamkeit einer weltumspannenden Öffentlichkeit ist ihm gewiss. Musk könnte über seinen Stuhlgang schreiben, und viele läsen es. Weil es Musks Entladungen sind.

Klar, dass der Herr einen nicht kalt lassen kann. Mitgründer des Vorläufers von PayPal, Leiter des Raumfahrtprogramms Space-X und Besitzer, Leiter und so weiter von Tesla, mal reichster Mann der Welt, mal nicht – und seit neuestem Eigentümer von Twitter. Dazu ein loses Mundwerk für 1000 und einen Kolumnisten. Natürlich hat das Gewicht.

Medien: Twitter löst Beratungsgremien auf

Beim Kurznachrichtendienst hat Musk ein Massaker angerichtet. Die Zahl der Mitarbeiter rasiert, eine weitere Massenflucht verursacht, die Benimmregeln frisiert und Populisten aller Länder herzlich eingeladen – Twitter wird unter Musk roh wie ein Steak Tatar. Und er mittendrin.

Sein neuester „Coup“: Musk tweetete nur fünf Wörter. „My pronouns are Prosecute/Fauci“ (übersetzt: „Meine Pronomen sind: Stellt ihn vor Gericht/Fauci“). Das Ding mit den Pronomen soll wohl ein halbgarer Witz über Geschlechtsidentitäten sein, aber Ziel seiner Attacke ist der US-Immunologe und Regierungsberater Anthony Fauci. Der steht seit der Coronapandemie im Zentrum von Trollangriffen und Verschwörungs-„Theorien“. Was Musk reitet, weiß nur er. Vielleicht weiß er, dass sowas bei einem bestimmten Publikum gut ankommt, vielleicht denkt er, auch mal nachtreten zu können. Bisher wurden die massiven Kritiken an Fauci als Lügen entlarvt, und die Forderung nach „Prosecute“ kennen wir von Donald Trump, der alle Missliebigen zuerst und sich zuletzt hinter Gittern sehen will.

Massenverstärktes Flüstern

Musk selbst schob später nach, Fauci habe den Kongress belogen sowie einen Forschungsbereich gefördert, „der Millionen Menschen getötet“ habe. Was er damit meint? Keine Ahnung. Es ist das übliche Geraune. Also kommt Musk entweder heute mit Beweisen rüber, oder er bedient nur seine Blasen am Fuß.

Was macht all das mit Twitter? Musk beteuert, dass es Regeln weitergeben werde, dass er Bots enttarnen will, mehr Authentizität schaffen will. Und sicherlich will er nicht jeden Lautsprecher bei Twitter hineinlassen. Ich habe einen Verdacht: Musk will, dass Twitter sein Twitter wird. Es soll sein Medium werden, sein Verlautbarungsorgan, an dessen Tropf die Weltöffentlichkeit hängt und nach seinen Worten lechzt. Das ist ziemlich verhoben. Aber mangelndes Selbstbewusstsein kann man Musk nicht vorwerfen.

Trump hat vorgemacht, wie man Worte bei Twitter in politischen Einfluss ummünzt. Nun will Musk dieses Prinzip vielleicht perfektionieren.

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Sicherlich, es kann auch ganz anders sein, sein Gebaren mit und auf Twitter seinen Impulsen geschuldet sein, ohne groß nachzudenken; denn schlicht süchtig nach Aufmerksamkeit an sich wird er sein. Vielleicht will er nur spielen. Und/oder damit Geld verdienen, wobei er dabei aktuell eher seine Dollarscheine verbrennt.

Und was kommt jetzt?

Andererseits hat sich Musk oft hohe Ziele gesteckt. Und viele hat er erreicht, indem er seine Vorstellungen rigoros und entgegen dem Rat von vermeintlich Besserwissenden durchgesetzt hat. Was spricht dagegen, dass er nun, nachdem er die Welt der Wirtschaft für sich erobert hat und nach den Sternen im Wortsinn greift, sich die Welt der Politik formell vornimmt? Irgendein fancy Amt, UN-Generalsekretär, oberster Welt-Berater, Premierminister in Kanada – es gäbe ein großes Betätigungsfeld.

Jedenfalls verpackt Musk seine Geschäftspolitik bei Twitter bereits in politisches Geschenkpapier. Seine Entscheidung etwa, den Account von Donald Trump wieder zuzulassen, gründete er auf eine „Abstimmung“, er nennt es wohl Demokratie; genauso wie er mal spaßeshalber darüber abstimmen ließ, ob er Tesla-Aktien verkaufen soll oder nicht (was eine Menge Leute, ich eingeschlossen, nicht wirklich interessiert & angeht) – obwohl er diese Veräußerung längst eingetütet hatte. Musk missbraucht den Wert der Demokratie. Das ist schon ziemlich politisch. Es wäre keine Überraschung, wenn er diesen Weg konsequent weitergeht.

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