Kommentar: Wie bei der Heizung ein Aufruhr heraufbeschworen wird

Die Bundesregierung plant einen Schnitt beim Einbau von neuen Heizungen: Großzügig gefördert und sinnvoll wie notwendig. Doch die Union in der Opposition schürt Ängste. Das ist machttaktisch gesehen clever – aber schlecht fürs Land.

Na, was hamwa denn hier? Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht im Keller des Kanzleramtes, sondern beim Begutachten einer Wärmepumpe in München (Bild: REUTERS/Lukas Barth/Pool)
Na, was hamwa denn hier? Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht im Keller des Kanzleramtes, sondern beim Begutachten einer Wärmepumpe in München. (Bild: REUTERS/Lukas Barth/Pool)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Angeblich hat die CDU das Ohr am Nerv im Land. Die CSU sowieso, das ist genetisch geregelt. Und die Bundesregierung plant Gesetze, bei denen sie keine Ahnung hat, was in der Welt so vor sich geht. Das sagen CDU und CSU. Aber die mögen leicht befangen sein.

Was ist also gerade los in Deutschland? Angeblich steht die Republik kurz vor einer Rebellion. Jedenfalls warnte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), das ist der Putin-Willy mit dem Billig-Gas-Tick, "die Ampel kündigt das Gleichgewicht von Ökonomie, Ökologie und Sozialem gerade auf", wie er es der "Bild am Sonntag" steckte. "Die Pläne dieser Regierung führen zu Deindustrialisierung und zu Aufruhr in der Bevölkerung."

Was er damit meint, sind die Pläne der Bundesregierung zur Neuordnung des Einbaus neuer Heizungen. Nun hat Kretschmer in Sachsen mit Wählern zu tun, die gern mal krawallig werden, etwa wenn es um die Verteidigung des Abendlandes geht. Zugegeben, Veränderungen gab es in Ostdeutschland allgemein genügend, da sträubt man sich mitunter auch gegen Neuerungen wie beim Einbau einer Heizung. Was Kretschmer aber übergeht: Zum einen ist das Gleichgewicht bei der Ökologie schon seit Langem nicht mehr vorhanden, und beim Kampf gegen den Klimawandel im Speziellen hat sich eine extreme Schieflage gebildet: Klimaschutz nach Unionssicht ist nur einer, der schön klingt, aber außer Spesen nichts gewesen. Und zum anderen hat das Heizungsthema nun wirklich kein Potenzial für Barrikadenkämpfe, wenn man sich das mal genauer anschaut.

Was ist denn nun mal wieder los?

Denn was plant die Bundesregierung? Sie will nicht länger anderen Ländern wie Polen, Frankreich und sämtlichen skandinavischen Staaten hinterherhinken und Heizungen weg von Öl und Gas bringen. Wärmepumpen sind der heiße Hit derzeit, und das zurecht. Konkret will der Bund, dass ab nächstem Jahr eine Heizung, die neu eingebaut werden muss, zu mindestens 65 Prozent auf einer nachhaltigen Basis läuft. Das Problem: Diese neuen Heizungen sind derzeit teuer, jedenfalls einige tausend Euro teurer als etwa eine herkömmliche Gasheizung. Dazwischen liegen zwar keine Welten, aber immerhin. Die Lösung: Bis zu 50 Prozent der Gesamtkosten will der Bund begleichen. Letztendlich ist dies ein guter Deal für alle Eigentümer, die im Grunde auf Staatskosten ihren Grund und Boden aufwerten.

Und ganz wichtig: Die geplante Regelung betrifft nicht alle Heizungen, sondern nur jene, die kaputt gehen und nicht mehr repariert werden können. Und auch dann kann man noch entscheiden, erstmal auf Mietbasis 13 Jahre lang eine eigene Lösung zu verschieben – oder über einen fremden Investor sich das neue Gerät einbauen zu lassen; eine Menge Ausnahmen gibt es auch.

Und dafür einen Aufruhr starten? Selbst mit der in Deutschland weit verbreiteten Vollkaskomentalität ließe sich der kaum rechtfertigen. Der Verdacht kommt auf: Der Union geht es um ein Aufregerthema, das sie selbst erstmal zum Aufreger erklären muss. Dies versucht sie mit dem Einsatz von Nebelkerzen.

Back to the Roots

Da ist zum Beispiel Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich wieder ins Rampenlicht zurückrobben will und auf der Suche nach entsprechenden Themen ist. Nun macht der CDU-Politiker also auf Heizung. Bei der Fernsehsendung "Anne Will" klang das am vergangenen Sonntag so: Die "Wärmewende" deklarierte er zur "Chaoswende", Bau-Ministerin Geywitz etikettierte er als "Baustopp-Ministerin". Also behauptete Spahn, es herrsche Chaos, weil niemand, der ein Haus bauen möchte, wisse, was denn nun gilt. Ein Blick in den Bauantrag zeigt zwar selbst Laien auf den ersten Blick, was nun gilt. Aber Spahn warnt nicht vor Verunsicherung, er wünscht sie sich womöglich. Daher redete er mehrmals in der Sendung von "den Bürgern" einerseits, als verstünde nur er sie, und andererseits von der Regierung, die "in einer anderen Welt" agiere. Tststs. Diese Nummer ist billig, aber damit könnte er durchkommen. Denn wir lieben es, uns verunsichert zu fühlen, während wir wissen, dass wir es nicht sind. Wohliges Kribbeln.

Da kann einem schon müde werden. Da hat die CDU gemeinsam mit der CSU über viele Jahre hinweg eine Entwicklung verschlafen und klare Schnitte gescheut, und wenn nun ein Anderer beginnt, für sie die Kohlen aus dem Feuer zu holen, beschweren sie sich noch. Sie beschwören eine Stimmung herauf, nach der Klimaschutz ein Luxus wäre, der bittschön beim Nice-To-Have bleibt. Damit bleibt Deutschland heizungsmäßig ein Hinterwäldler. Wichtig wäre aber, Klimaschutz als Aufgabe von allen Bürgern anzusehen – und von allen Parteien. Dass sich die Unionsparteien gerade anschicken, sich dieser Verantwortung mal wieder zu entziehen, mag folgerichtig sein. Gut für das Land aber ist es nicht.

Im Video: Wirtschaftsforscher sehen Habecks Heizungspläne skeptisch