Markus Lanz ist aus der Ukraine zurück: "Es schlug links und rechts ein und wir dazwischen"

Markus Lanz ist von einer Recherchereise durch die Ukraine zurückgekehrt. Der ZDF-Talker erlebte Detonationen und gewann Eindrücke "wie in einem Endzeitfilm". Podcast-Partner Richard David Precht versuchte er begreiflich zu machen, warum die Menschen dort nicht vom Waffenstillstand träumen.

Markus Lanz ist von einer gefahrvollen und erkenntnisreichen Recherchereise aus der Ukraine zurückgekehrt. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Markus Lanz ist von einer gefahrvollen und erkenntnisreichen Recherchereise aus der Ukraine zurückgekehrt. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Zuschauerinnen und Zuschauer des ZDF-Talks "Markus Lanz" konnten sich in dieser Woche schon mit eigenen Augen überzeugen: Markus Lanz ist wohlbehalten aus der Ukraine zurückgekehrt. In den Tagen zuvor hatte der Moderator für eine TV-Reportage eine Reise durch das vom Krieg erschütterte Land unternommen. Über seine Eindrücke hatte er vor einer Woche bereits von einem Kiewer Hotel aus mit Podcast-Partner Richard David Precht gesprochen.

In der neuen "Lanz und Precht"-Ausgabe verriet der 54-Jährige nun im Rückblick, wie gefahrvoll die Reise für ihn und sein Kamerateam war. So habe man die umkämpfte Hafenstadt Cherson zu einer Zeit aufsuchen wollen, in der sie "massiv unter Feuer lag". Er habe Detonationen aus unmittelbarer Nähe erlebt.

Halte man sich zu lange in größerer Gruppe am selben Ort auf, sei die Gefahr groß, von einer Drohne erspäht und unter Feuer genommen zu werden, erklärte Lanz. Zum Glück sei das Filmteam vor Ort entsprechend vorgewarnt worden. Lanz erinnert sich: "Als wir rausfuhren aus der Stadt, schlug es plötzlich links ein, es stieg eine Rauchsäule auf, plötzlich schlug's auch rechts ein, schwarzer Rauch stieg auf." Da sei ihm bewusst geworden: "Ach so, links Einschlag, rechts Einschlag und wir genau dazwischen..."

Markus Lanz: "Es gibt keinen sicheren Ort in der Ukraine"

In diesem Moment sei ihm auch klargeworden, was ihm am Beginn seiner Reise einer junger Mann in der Westukraine vermitteln wollte: "Es gibt keinen sicheren Ort in der Ukraine. Fühl dich nirgendwo wirklich sicher!" Genau dieses Gefühl wolle Russland mit seinem Bomben- und Raketenterror auf die Zivilbevölkerung erreichen.

Den Philosophen Richard David Precht unterrichtete Lanz im weiteren Gesprächsverlauf, dass er dessen Bitte aus der vorausgegangenen Podcastfolge nachgekommen sei. "Du hast mir gesagt: Frag einen Bauern in der Südostukraine, was er über diesen Krieg denkt!" Precht, der in der deutschen Debatte wiederholt Waffenlieferungen und eine "militärische Lösung" für den Krieg infrage gestellt hatte, bestätigte: "Ich dachte einfach, dass man mit den Menschen redet, auf deren Gelände der Krieg ausgetragen wird."

Was Lanz zu berichten hatte, bestätigte allerdings die durchaus naheliegende Annahme nicht, dass sich die unmittelbar Betroffenen nach einem schnellstmöglichen Waffenstillstand sehnen. In einem Dorf zwischen Cherson und Mykolajiw habe Lanz einen Bauern namens Vitali getroffen, inmitten einer von Weitem fast idyllisch scheinenden Landschaft, in der aber bei näherem Betrachten restlos alles zerstört sei "wie in einem Endzeitfilm".

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Infografik: Frieden mit Putin? Für Ukraine kaum denkbar | Statista
Infografik: Frieden mit Putin? Für Ukraine kaum denkbar | Statista

"Die wissen, wie brutal die Russen foltern, in jedem Keller"

"Ich soll dich von einem Freund namens Richard fragen, wie du diesen Krieg siehst", habe er jenen Vitali angesprochen, berichtete Lanz. Dessen Antwort: "Wie soll ich diesen Krieg sehen? Da kommen Menschen, die zerschießen mir einfach mein Haus." Sein Wohnhaus, seine landwirtschaftlichen Maschinen seien zerstört, seine Kühe alle tot. Ein Fluchtversuch mit Frau und Kindern scheiterte am Beschuss der Besatzer. Die Felder könne er nicht mehr bestellen, denn dort lägen überall Minen.

Lanz: "Sein Leben als wohlhabender Bauer hat er eingetauscht gegen das eines mittellosen Almosenempfängers." Und doch versuche er, seinen Betrieb wieder aufzubauen, ohne zu wissen, ob er nicht wieder mit einem einzigen Panzerschuss zerstört werde.

Als Precht verblüfft bis verständnislos auf die Schilderung reagierte, insistierte Lanz: "Das ist genau der Punkt." Er habe den Bauern gefragt: "Seid ihr nicht müde davon, müsste man den Russen nicht ein Angebot machen? Nehmt die Krim und ein paar Teile vom Donbass!" Doch die Antwort sei gewesen: "Nein. Wenn wir das machen, kommen die wieder.'"

Er habe "viele, viele Leute" während seiner Reise angesprochen, und genau diese Haltung sei bei allen "immer glasklar" gewesen, bekräftigte Lanz. "Die haben alle die Berichte im Hinterkopf und wissen es zum Teil aus eigenem Erleben. Die wissen, wie brutal die Russen foltern, in jedem Keller. Die wissen, zu welcher Gewalt die bereit sind, und die wollen so nicht leben."

Richard David Precht (links) und Markus Lanz produzieren fürs ZDF den Podcast
Richard David Precht (links) und Markus Lanz produzieren fürs ZDF den Podcast "Lanz & Precht". In Ausgabe 109 geht es um eine "Nachbetrachtung zur Ukraine", die Lanz jüngst bereiste. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Richard David Precht formuliert "große Denkaufgabe" für den Frieden

Laut Precht bestehe "die große Denkaufgabe" jetzt darin, einen "provisorischen Frieden" zu organisieren, der nicht "ein Provisorium" bleibe. Man müsse alle Anstrengung darauf verwenden zu überlegen, wie so etwas aussehen könne, "wenn die Vorstellung, dass die Ukraine ihre ganzen Gebiete zurückbekommt, unrealistisch ist".

Lanz beantwortete den Einwand nur indirekt mit Eindrücken aus den besetzten Gebieten: "Da wird alles getilgt, was in irgendeiner Form ukrainisch ist, da wird die halbe Bevölkerung systematisch ausgetauscht, da werden Kinder nach Russland verschleppt." Interessanterweise habe er dort sogar Russen getroffen, die nicht von Russen "befreit" werden wollten. "Die sagen: Mit diesem Russland wollen wir nichts zu tun haben."

Das Fazit von Markus Lanz nach seinen Erlebnissen im Kriegsgebiet: "Für mich ist das Unbegreiflichste, wie sehr Menschen in der Lage sind, sich geradezumachen, zu kämpfen, für ihre Überzeugungen weiterzumachen, und so unendlich fest daran zu glauben, dass es irgendwann besser wird. Das ist das, was die am Leben hält."

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