"Osama mochte Fußball": Doku wirft neuen Blick auf bin Laden

Im August 1988 gründete Osama Bin Laden, Sohn eines saudiarabischen Milliardärs, im Alter von 30 Jahren Al-Kaida, "die Basis"“ für seinen "heiligen Krieg" gegen Amerika und die westliche Welt.
 (Bild: ARTE / Everett Collection Inc. / Alamy Stock Photo)
Im August 1988 gründete Osama Bin Laden, Sohn eines saudiarabischen Milliardärs, im Alter von 30 Jahren Al-Kaida, "die Basis"“ für seinen "heiligen Krieg" gegen Amerika und die westliche Welt. (Bild: ARTE / Everett Collection Inc. / Alamy Stock Photo)

Eine zweiteilige ARTE-Doku fragte am Dienstagabend: Wie wurde Osama bin Laden zum Mörder? Jugendfreunde nennen ihn einen schüchternen Menschen, afghanische Kämpfer sehen in ihm einen eher unbedarften Krieger mit Hang zur Legendenbildung. Jeder kennt das Gesicht, eine Ikone des Terrors.

Einer sagt: "Osama mochte Fußball - aber er war kein guter Spieler." Ein anderer erinnert sich an einen "umkomplizierten Jungen, der schnell Freunde fand": Frühe Begleiter, Journalisten, die ihm nahe kamen, afghanische Krieger und entfernte Weggefährten von Al Qaida geben in der zweiteiligen Dokumentation "Bin Laden - Das Gesicht des Terrors" von Jenny Ash (ARTE F, 2021) mithin erstaunliche Auskünfte über einen Menschen, der einem auch noch zehn Jahre nach seiner Tötung durch US-Soldaten einigermaßen fremd bleiben muss.

"Ich bin nicht direkt verantwortlich, aber ich lobe das Handeln", soll Osama bin Laden kurz nach dem Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 verlautbart haben. Eine frühere CIA-Agentin macht nun im Film, der am Dienstagabend gesendet wurde und auch in der ARTE Mediathek zu sehen ist, noch einmal darauf aufmerksam, wie sehr schon bei der verschlüsselten Vorankündigung auf CNN bin Ladens Augen leuchteten, als er vor "Explosionen in Amerika" warnte - mit einem sanften beiläufigen Lächeln, wie sich versteht.

Die sehenswerte, bisweilen packende Doku von ARTE France und Channel 4 beginnt mit den zunächst beinahe verstörend privaten und wohlwollenden Perspektiven einiger Weggefährten von einst. Dann richtet sich der Blick aber vor allem auf die militärisch-terroristische Entwicklung des Terroristenführers. Legendenbildung wurde von Bin Laden von Anfang an betrieben. "Osama weinte, wenn er Aufnahmen von israelischen Soldaten sah, die in Palästina Frauen und Kinder schlugen", erklärt der eingangs erwähnte Fußballer über seinen dann schon etwas älteren Freund bin Laden.

Viel geht auf die immense Wohlhabenheit seiner dem arabischen Königshaus nahestehenden Milliardärsfamilie zurück. In Afghanistan, wohin es ihn mit seinem Freund und Lehrer Abdallah Azzam zog, um in den heiligen Krieg gegen die Sowjets zu ziehen, ließ er Straßen und Höhlen für die Untergrundkämpfer mithilfe der heimischen Ressourcen bauen. Als Geldgeber und Ausrüster machte er sich für die Mudschaheddin beliebt.


Abu Hafs al-Mauretani ist ein hochrangiger Al-Kaida-Führer, der sich im Film an Bin Laden erinnert.  (Bild: ARTE / Voltage TV / Jo Abel)
Abu Hafs al-Mauretani ist ein hochrangiger Al-Kaida-Führer, der sich im Film an Bin Laden erinnert. (Bild: ARTE / Voltage TV / Jo Abel)

"Er tat es für sich selbst"

Für seinen Kommandeur Sayed Wahidyar war er anfänglich eine Belastung, weil er vom Kämpfen "nur wenig Ahnung" hatte. Das hinderte ihn jedoch nicht, sich bei einer der letzten Schlachten des Kriegs gegen die Sowjets, bei denen er mit anderen Arabern eingeschlossen und errettet wurde, selbst zum Helden hochzustilisieren. Die Legende griff um sich, die Propaganda auch. Heilige Krieger folgten ihm nun in Scharen.

Als Afghanistan gerettet war, brauchte bin Laden ein neues Betätigungsfeld für seinen Dschihad. Als er sich - zurück in Saudi-Arabien - gegen die saudische Königsfamilie stellte, die nach dem Einmarsch Saddams in Kuwait Amerika um Beistand bittet, floh er in den Sudan. Bin Laden wurde Großfarmer und züchtete mithilfe zahlreicher Landarbeiter Sonnenblumen und Melonen. Daneben kümmerte er sich allerdings auch um Ausbildungslager für Al-Qaida-Gruppen. Die Mutter, die zeitlebens festhielt an ihm, bat um Rückkehr nach Saudi-Arabien. USA und Saudi-Arabien forderten seine Ausweisung. Es kam zum Rauswurf, sein Geld wird beschlagnahmt.

Eine entscheidende Wende dürfte das gewesen sein, heißt es im Film. "Es hat ihn in den Schlund des Vulkans geführt", sagt ein Freund von ehedem und erkennt: "Er tat es nicht mehr für Allah, er tat es für sich selbst."

Der Rest (Teil zwei) ist Historie. Es folgte die Rückkehr nach Afghanistan, die Kriegserklärung an die USA und den Rest der westlichen Welt, die aufhören solle, "1,25 Milliarden Muslime zu provozieren". - "Warum mit einer Axt, wenn du einen Bulldozer nehmen kannst?" soll bin Laden zum Terroristen Khalid Sheikh Mohammed gesagt haben, als der mit der Idee vom Anschlag auf das World Trade Center zu ihm kam.

"Heute ist die Welt nicht sicherer geworden", behauptet indessen der pakistanische Journalist Hamid Mir, der Osama bin Laden mehrfach an geheimen Orten interviewte. "Irgendwann wird ein junger Journalist einen neuen Bin Laden interviewen."

Aimen Dean hat Osama bin Laden in den 90er-Jahren kennengelernt: Er war von 1996 bis 2006 Al-Kaida-Bombenexperte und von 1998 bis 2006 M16-Spion. (Bild: ARTE / Voltage TV / Jo Abel)
Aimen Dean hat Osama bin Laden in den 90er-Jahren kennengelernt: Er war von 1996 bis 2006 Al-Kaida-Bombenexperte und von 1998 bis 2006 M16-Spion. (Bild: ARTE / Voltage TV / Jo Abel)