Der Preis für Rohöl sinkt trotz aller Risiken seit Wochen – das sind die Gründe, und so profitieren Wirtschaft und Verbraucher

Auf den Weltmärkten sind die Preise für Rohöl gesunken - trotz aller Risiken durch die Kriege in Israel und der Ukraine.  - Copyright: Getty Images
Auf den Weltmärkten sind die Preise für Rohöl gesunken - trotz aller Risiken durch die Kriege in Israel und der Ukraine. - Copyright: Getty Images

Die jüngsten Krisen und Kriege haben Deutschlands Abhängigkeit von den Welt-Energiemärkten brutal deutlich gemacht. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine schoss der Preis für Rohöl in die Höhe. In Deutschland stiegen viele Preise. Das Wirtschaftswachstum brach ein. Dann überfiel die Hamas Anfang Oktober Israel. Experten malten in düsteren Szenarien aus, wie stark der Ölpreis steigen würde, sollte sich der Krieg in Nahost ausweiten. Doch bisher ist das Gegenteil der Fall: Der Ölpreis sinkt. Was sind die Gründe? Was bedeutet das für Deutschland? Und welche Risiken bleiben?

Am Dienstag kostete ein Fass Rohöl der für Deutschland maßgeblichen Sorte Brent unter 82 Dollar. Öl ist damit so günstig wie seit Monaten nicht mehr. Der Preis auf dem Weltmarkt ist acht Prozent niedriger als vor einem Monat. Auch im Jahresvergleich ist Öl gut sechs Prozent billiger.

Dabei waren viele Ökonomen noch Ende September besorgt. Der Ölpreis stieg bedrohlich. Russland und Saudi-Arabien hatten ihre Fördermengen reduziert. Der Preis bewegte sich wieder bedrohlich Richtung 100 Dollar je Fass (159 Liter). Dann kam auch noch der Krieg in Israel dazu.

Im Fall einer Ausweitung des Krieges könne der Ölpreis auf 150 US-Dollar je Fass steigen, warnte der Chefökonom des Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young), Greg Daco. Öl wäre dann sogar noch viel teurer als auf dem Höhepunkt der Preissteigerung nach Russlands Angriff auf die Ukraine mit damals 130 Dollar je Fass.

Die Weltbank warnte noch Anfang November in einem Sonderbericht: Sollte sich der Krieg zwischen Israel und Hamas zu einem großen regionalen Konflikt ausweiten, könne der Ölpreis bis auf 157 Dollar pro Barrel steigen.

Doch es kam anders. Ausgerechnet seit Anfang Oktober sinkt der Ölpreis.

Die folgende Grafik zeigt die Bewegung des Ölpreises seit der Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020. Zunächst brach der Preis mit dem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität ein. Dann stieg er kontinuierlich wieder an. Der Ukraine-Krieg markiert den Höhepunkt. Dann folgt die Normalisierung. Rechts sind die jüngsten Entwicklungen zu sehen. Erst der Anstieg über den Sommer, dann der Rückgang seit Oktober.

Das hat zum einen politische Gründe. Russland lockerte seine Ausfuhrbeschränkungen für Diesel – und umgeht offenbar eigene Produktionsbeschränkungen. Die arabischen Ölstaaten hielten sich aus dem Krieg zwischen Israel und der Hamas bisher heraus, setzten zumindest nicht ihr Öl als Waffe ein. Bisher blieb der Konflikt also begrenzt.

Rohöl Preis: Weltweite Konjunkturflaute bremst

Die wichtigeren Gründe aber sind wirtschaftlich. Weltweit bleibt die Konjunktur schwach, und damit die Nachfrage nach Öl. In den USA mehren sich Anzeichen, dass die bisher so robuste Wirtschaft als Folge der Zinserhöhungen doch in einen Abschwung geraten könnte. Die Ölreserven der USA haben den höchsten Stand seit August erreicht. Auch in China findet die Wirtschaft bisher nicht zur alten Dynamik zurück. Das drückt die Aussichten für die Ölnachfrage und damit den Preis.

Deutschlands Exporteure leiden zwar ebenfalls unter der globalen Konjunkturflaute. Vom niedrigen Ölpreis profitieren aber sowohl Verbraucher als auch die deutsche Wirtschaft insgesamt. Dies gilt umso mehr, als auch der Euro zuletzt zum US-Dollar an Wert gewonnen hat. Das macht die Öl-Importe in heimischer Währung noch erschwinglicher. Denn Öl wird meist in US-Dollar abgerechnet.

In der Folge meldete der Automobilclub ADAC in der vierten Woche in Folge gesunkene Preise für Benzin an den Tankstellen, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung". In der vorigen Woche sank der Preis für Diesel durchschnittlich um fünf Cent auf 1,75 Euro pro Liter. Super E10 wurde 2,5 Cent günstiger und koste im Schnitt 1,77 Euro pro Liter.

 - Copyright: Statistisches Bundesamt
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Auch volkswirtschaftlich ist die Entlastung spürbar. Deutschland ist beim Öl vollständig auf Importe angewiesen. Es ist für Preisschwankungen sehr anfällig. Laut Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, gilt folgende Faustformel: „Zehn Dollar mehr für ein Fass Öl erhöht das Preisniveau bei uns in Deutschland um etwa 0,3 Prozent“. Die mindere die Kaufkraft und schwäche die Konjunktur „vielleicht mit einem weiteren Wachstumsverlust von 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten“. Andersherum dämpft ein niedrigerer Ölpreis die Inflation und stärkt damit die Kaufkraft für andere Produkte. Dies ist aktuell wichtig, weil Ökonomen ihre Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur stark auf ein Comeback des privaten Konsums gründen.

Jede Störung, jede neue Verunsicherung könnte dies verhindern. Die Risiken bleiben schließlich. Das gilt sowohl für eine Ausweitung des Krieges in Israel und Gaza auf die ölreiche Nahost-Region als auch für das nach wie vor unberechenbare Russland.