So viele Lehrlinge wie noch nie - Elektrikerin kassiert 200.000 Dollar für Werbeposts – Handwerk wird cool für Gen Z

Schweißen statt studieren: In den USA wollen wieder mehr junge Leute Handwerker werden.<span class="copyright">Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild</span>
Schweißen statt studieren: In den USA wollen wieder mehr junge Leute Handwerker werden.Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Immer mehr Amerikaner der Generation Z pfeifen auf ein Studium. Stattdessen begeistern sie sich für Handwerks- und Arbeiterberufe. Dank Social-Media-Postings und Videos von Influencern bei ihrer Arbeit auf dem Bau, als Elektriker oder Klempner, gelten Handwerkerjobs in den USA zunehmend als cool.

Dieser Trend könnte nach Deutschland überschwappen, wo Handwerksbetriebe aktuell ebenfalls versuchen, junge Menschen über soziale Medien zu begeistern. Das „Deutsche Handwerksblatt“ berichtet bereits über Workshops zum Einsatz von Social-Media. In Amerika sind vor allem Clips von jungen Frauen bei körperlicher Arbeit wie Fliesenlegen oder Schweißen populär. Die Bezahlung ist gut. Und mit Influencer-Postings in sozialen Netzwerken verdienen sich einige Gen-Z-Handwerker noch Tausende Dollar extra dazu.

So verfolgen beispielsweise zwei Millionen Fans auf TikTok und Instagram die Arbeit der 27-jährigen Elektrikerin Lexis Czumak-Abreu aus New York. Schon ihr Vater und Großvater waren Elektriker. Durch bezahlte Werbe-Postings bringen ihr ihre Videoclips jährlich 200.000 Dollar zusätzlich ein, verriet sie dem „Wall Street Journal“ (WSJ) – betont aber, dass sie trotzdem oft sieben Tage die Woche arbeite: „Mein Arbeitgeber soll wissen, dass ich eine zuverlässige Kraft bin.“ Und weniger Arbeitsstunden würden schließlich auch weniger Social-Media-Content liefern, räumt sie ein.

Fast eine halbe Million Klicks für die Abmontage eines Boilers

Ihre Clips sprechen vor allem Gen-Z-Vertreter (geboren zwischen 1997 und 2012) an. Seit Beginn ihrer Postings vor zwei Jahren wurde Czumak-Abreu schon von Tausenden jungen Amerikanern kontaktiert, die sich nun ebenfalls für das Elektrohandwerk interessieren, erzählt sie.

Die Erfahrungen des 23-jährigen Klempners Evan Berns klingen ähnlich. 2021 erhielt sein erstes TikTok-Video über Nacht 470.000 Klicks. In dem Clip zeigt er, wie er einen Wasserboiler abmontiert. Heute versucht der Kalifornier, Videos von seiner Arbeit attraktiver zu gestalten: „Ich schneide alles Langweilige raus und schalte die Geschwindigkeit höher, damit es aufregend und schnell aussieht. Dazu kommt noch coole Musik“, so Berns im „WSJ“.

Auf Instagram zeigt sich die 31-jährige Chloe Hudson bei ihrer Arbeit als Schweißerin stets geschminkt und gestylt. In der Wirtschaftszeitung beklagt sie Stereotype, Schweißarbeit sei schmutzig. Bei ihrer Aufgabe, winzige Metallstränge in Luftschiffe zu schweißen, gehe es extrem sauber zu, sagt Hudson und betont: Feminität sei auch in männlich dominierten Sparten völlig in Ordnung.

Für ein Studium braucht es mehrere Zehntausend Dollar - pro Jahr

Junge Amerikaner sind nicht nur von dem positiven Imagewandel vieler Handwerks- und Arbeiterberufe oder ihrer wachsenden Popularität in sozialen Medien beeindruckt, sondern vor allem von der Bezahlung. Das Finanzportal „Yahoo Finance“ veröffentlichte jüngst eine Liste von 15 Arbeiterberufen mit Jahresgehältern über 75.000 US-Dollar. Darunter: leitende Feuerwehrkräfte, Gleisbauer, Elektrotechniker, U- und S-Bahnfahrer. Im Vergleich: Amerikanische Grundschullehrer verdienen im Schnitt 61.000 Dollar pro Jahr – unmittelbar nach dem Studium meist 49.000 Dollar.

Auch die extrem steigenden Studienkosten in den USA spielen eine entscheidende Rolle. Laut dem Bildungsportal „US News and Media Report“ betragen die Studiengebühren an einer staatlichen Universität rund 10.000 Dollar pro Jahr – für Studenten aus einem anderen US-Staat sind es 23.000 und an privaten Colleges rund 42.000 Dollar im Jahr. Die University of Chicago etwa verlangt jährlich 64.000 Dollar rein an Studiengebühren. Inklusive Lehrbücher, Unterbringung auf dem Campus und Verpflegung werden hier 89.000 Dollar im Jahr berechnet. An unzähligen privaten Einrichtungen liegen die Gesamtkosten pro Jahr zwischen 50.000 und 80.000 Dollar.

Nur gut ein Drittel der Gen Z glaubt noch an den Wert eines Studiums

Zwar nehmen viele amerikanische Studenten nach wie vor hohe Schulden für ihr Studium auf. Doch immer mehr Gen-Z-Vertreter stellen den Wert von Hochschulausbildungen nun infrage. Aktuellen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge äußerten sich nur noch 36 Prozent aller Amerikaner zuversichtlich über einen Studienabschluss. Die Skepsis gegenüber College-Diplomen und ihren hohen Kosten wächst vor allem unter den 18- bis 34-Jährigen, die sich jetzt zunehmend für Arbeiter- und Handwerksberufe interessieren. In Amerikas sogenannten „Vocational Schools“ oder „Trade Schools“, wo Schüler ein Handwerk erlernen, steigen die Einschreibezahlen stetig an und erreichten im vergangenen Jahr ihren bisher höchsten Stand.

Ein weiteres Plus von Handwerksberufen im Gegensatz zu vielen Bürojobs und Akademikerstellen: Das Risiko, von KI übernommen zu werden, scheint deutlich geringer. Laut einer Studie des HR-Unternehmens „TeamLease Services“ droht zumindest derzeit nur einem Prozent von Handwerksjobs die Gefahr, durch Künstliche Intelligenz ersetzt zu werden. Im Gegenteil, heißt es: KI habe das Potential, die Produktivität ausgebildeter Handwerker derart zu verbessern, dass ihre Gehälter noch weiter ansteigen.