Das verstehe ich am allerwenigsten

Das verstehe ich am allerwenigsten

Liebe Fußball-Freunde,

was war das doch für ein turbulenter Deadline Day am Ende des Transferfensters - vor allem beim FC Bayern angesichts der misslungenen Verpflichtungen.

Was das nun heißt? Ich habe diese Debatte um eine Holding Six nie verstanden. Du hast bei Bayern doch drei gestandene Nationalspieler im Zentrum.

Nehmen wir nur Joshua Kimmich - ein herausragender Spieler, der auch die Holding Six spielen kann und den sowohl die Bayern als auch die Nationalmannschaft auf jeden Fall als Führungsspieler brauchen.

Was ich nicht wirklich verstanden habe: Von Anfang an wollte Trainer Thomas Tuchel diese Holding Six, aber dann wurde von den Bossen gesagt: „Brauchen wir nicht!“ Um ganz spät (siehe die Personalie Palhinha vom FC Fulham, Anm. d. Red.) dann doch wieder umzuschwenken.

Laimer? „Der ist kein rechter Verteidiger“

Was ich in der ganzen Geschichte um die Transfers am allerwenigsten verstehe: Warum gibt man Josip Stanisic ab? Auch wenn sich das mit Benjamin Pavards Abwanderungswunsch überschnitten hat.

Ich habe Stanisic als Rechtsverteidiger übrigens auch keineswegs als Nummer drei hinter Pavard und Noussair Mazraoui gesehen, sondern stärker. Und dann ist ja auch die Frage, wie viel Stanisic bei Bayer Leverkusen nun überhaupt spielen wird.

Und Konrad Laimer? Der ist kein rechter Verteidiger, er fühlt sich da auch nicht wohl, wenngleich er gut war beim 2:1 gegen Borussia Mönchengladbach.

Laimer möchte im Mittelfeld spielen, und da sehe ich ihn auch. Jetzt hast du dadurch Not, nämlich für hinten rechts nur noch Mazraoui, der nicht performt - und somit bleibt allein die Möglichkeit, Laimer rauszuschieben auf eine Position, auf der ich ihn auf Strecke nicht sehe.

Bayern-Kader? „Du hast elf englische Wochen“

Oder eben Kimmich, der das aber nicht machen will. Laimer ist somit nun der Leidtragende.

Tuchel hat doch aber recht, wenn er sagt, der Kader sei zu dünn. Du hast diverse englische Wochen bis zum letzten Saison-Spieltag, dazu kommen zwei Abstellperioden für die Nationalmannschaft.

Das ist eine extrem hohe Belastung und birgt auch immer die Gefahr, dass Spieler verletzt wiederkommen oder dann nicht fit sind.

Tuchel muss jetzt kreativ sein und sich was ausdenken. Er hat zwar bewiesen, dass er das kann. Die Frage ist nur, wie die Spieler das annehmen, wenn sie auf eine andere Position geschoben werden - und das möglicherweise über viele Wochen. Dann kann das problematisch werden.

Richtig schwierig ist die Situation bei Borussia Dortmund nach dem erneut verspielten Sieg auch beim 2:2 gegen Heidenheim.

Es ist schade und traurig beim BVB, weil sich so etwas so oft wiederholt. Ich rede jetzt nicht nur von der ersten drei zähen Bundesliga-Spielen, sondern auch von der vergangenen Saison gegen Schalke, Stuttgart und Werder Bremen.

Terzic muss Woche für Woche dasselbe sagen

Der Kampf um die nächste Meisterschaft hat doch aber schon längst wieder angefangen - und hinterher regen sich wieder alle auf und sagen: Hätten wir da mal zwei Punkte mehr geholt!

Ich bezweifle, dass die Spieler das reinkriegen. Trainer Edin Terzic stellt sich Woche für Woche hin und muss dasselbe sagen. Aber die Frage ist: Sind die Spieler von der Qualität her in der Lage, das abzustellen? Daran fange ich langsam an zu zweifeln. Dabei haben sich die Dortmunder meiner Meinung doch gut verstärkt.

Auch wenn sie mit Jude Bellingham natürlich absolute Weltklasse abgegeben haben: Man kann das aber nicht immer an einer Person festmachen. In der vorletzten Saison haben sie schließlich Erling Haaland verloren und das dann im Kollektiv aufgefangen.

Zu guter Letzt noch meine Meinung zur Kader-Nominierung für die anstehenden Länderspieler der Nationalmannschaft: Natürlich ist Leon Goretzka nicht glücklich über die Entscheidung, nicht dabei zu sein. Ich kann das auch nicht nachvollziehen. Wenn das Leistungsprinzip greifen soll, das wir ja immer ausrufen, dann hätte Goretzka nominiert werden müssen! Da war ich echt sprachlos.

„Bundestrainer ist verantwortlich für die Stimmung“

Goretzka ist Stammspieler beim FC Bayern, damit gehörst du in die Nationalmannschaft. Wir sollten dabei auch nicht auf die letzte Saison schauen, sondern auf die jetzige, und da hat Goretzka gute Spiele gemacht.

Das verstehen die Fans in Deutschland so langsam doch ohnehin nicht mehr, dass permanent ausprobiert wird auf dem Weg zur EM im eigenen Land. Ich glaube, dass sich Hansi Flick damit keinen Gefallen tut. So entfachst du doch keine Euphorie - und das ist auch nicht gut fürs Mannschaftsgefüge.

Kurzum: Der Bundestrainer ist verantwortlich für die Stimmung. Es muss den Fans wieder Spaß machen, aber dieses Gefühl spüre ich eben nicht bei uns.

Bis bald

Euer Stefan Effenberg

Stefan Effenberg hat 2001 mit dem FC Bayern die Champions League gewonnen. Mit den Bayern und Borussia Mönchengladbach wurde er zudem mehrmals Deutscher Meister und Pokalsieger. Seit Sommer 2018 gehört der 55-Jährige als SPORT1-Experte zum festen Experten-Team des STAHLWERK Doppelpass.