Tod einer Ikone: Legendäre Rivalität spaltete ein Land

Tod einer Ikone: Legendäre Rivalität spaltete ein Land
Tod einer Ikone: Legendäre Rivalität spaltete ein Land

Sein Leben hatte Bedeutung weit über den Sport hinaus - der Nachruf aus seiner Heimat machte es sofort deutlich.

„Mit tiefer Trauer geben wir den Verlust von Federico Martin Bahamontes bekannt, dem Adler von Toledo, der den Namen unserer Stadt berühmt gemacht hat“, schrieb am 8. August am Carlos Velázquez; der Bürgermeister von Bahamontes‘ Heimatstadt und löste mit dieser Nachricht viel Wehmut bei der älteren Generation aus.

Bahamontes hatte 1959 - viele Jahrzehnte vor Miguel Indurain und Albert Contador - als erster Spanier die Tour de France gewonnen, sechsmal entschied er die Bergwertung der Großen Schleife für sich, war der älteste noch lebende Gesamtsieger der Tour.

Der „Adler von Toledo“ war auch über seine kastilische Geburtsregion in der Nähe von Madrid hinaus ein großes spanisches Sport-Idol, wenngleich nicht immer ein unumstrittenes. Eine bittere Rivalität mit einem Landsmann ist in besonderer Erinnerung.

Bahamontes stammte aus armen Verhältnissen

Der am 9. Juli 1928 geborene Bahamontes stammte aus ärmlichen Verhältnissen, seine Jugend war überschattet vom spanischen Bürgerkrieg, der seine Familie zwischenzeitlich zur Flucht aus Toledo trieb.

Nach einer abgebrochenen Schreinerlehre zog es ihn in den Radsport, wo er ein Zeitgenosse und Rivale der Legenden Louison Bobet, Raymond Poulidor und Jacques Anquetil war - bei Bahamontes‘ letzten drei Berg-Erfolgen der unangefochtene Dominator der Tour. (Jacques Anquetil: Eine Tour-Ikone, die heute verstört)

Bahamontes war der erste Radprofi, der bei allen drei großen Rundfahrten die Bergwertung gewann. Eine Jury der französischen Zeitung L‘Equipe wählte ihn 2013 zum besten Kletterer der Tour-Geschichte.

Während Bahamontes Kletterkünste sein großer Trumpf waren, fanden ihn Kritiker abseits der Anstiege als zu vorsichtig und teils zu strategisch ungeschickt und leichtfertig, um seine große Stärke in mehr Gesamtsiege umzumünzen.

Erbitterte Rivalität mit Landsmann Jesus Lorono

In Bahamontes Heimatland ist vor allem auch seine giftige Rivalität mit dem 1998 verstorbenen Landsmann Jesus Lorono aus dem Baskenland in Erinnerung: Der jahrelange, von persönlichen Attacken auch abseits der Strecke begleitete Wettstreit der beiden Vorzeigefahrer spaltete die Sportnation in ähnlicher Weise wie die Fehde zwischen Anquetil und Poulidor im benachbarten Frankreich - oder zuvor die zwischen Fausto Coppi und Gino Bartali in Nachkriegsitalien.

Einen ersten giftigen Höhepunkt erreichte das Duell bei der Vuelta 1956, die Lorono knapp gegen den Italiener Angelo Conterno verlor - und dabei den Eindruck hatte, dass Bahamontes Conterno absichtlich half, um Loronos Heimsieg zu verhindern. Ein berühmtes Foto, bei sich ein ausgelaugter Conterno an Bahamontes‘ Trikot klammert und der ihn mitzuziehen scheint, wurde zum Symbolbild der Affäre - das Lorono stinksauer machte.

Zur völligen Eskalation kam es bei der Heimrundfahrt Vuelta 1957, als der als eigensinnig berüchtigte Bahamontes und Lorono - eigentlich Teil des selben Teams - schließlich nur noch gegeneinander fuhren, mit dem besseren Ende für Lorono. Hinter den Kulissen sollen sich Bahamontes und Lorono gegenseitig Prügel angedroht haben.

Bahamontes‘ Tour-Sieg 1959 wurde auch dadurch begünstigt, dass sein damaliger Teamchef Dalmacio Langarica Lorono nicht nominierte, um harmonischere Bedingungen für seinen Anführer zu schaffen. Langarica bekam zahlreiche Drohbriefe von Loronos Fans, die Fenster des Fahrradladens, den er unterhielt, wurde mehrfach mit Steinwürfen kaputtgeschlagen.

Besondere Brisanz durch die Franco-Diktatur

Zur Zeit des faschistischen Franco-Regimes war die persönliche Feindschaft auch politisch aufgeladen: Der Nähe des Machtzentrums Madrid stammenden Bahamontes war loyal zu Franco, während der Baske eine Symbolfigur der separatistischen Regierungsgegner in seiner Heimat war.

Zu einem weiteren Eklat in diesem Zusammenhang kam es im Nachgang der Vuelta 1957, als Bahamontes behauptete, von der Regierung unter Druck gesetzt worden zu sein, Lorono den Sieg zu überlassen, um dessen baskische Anhänger ruhigzustellen.

Der Vorwurf mutete abenteuerlich an - und weil es nicht das einzige Mal war, dass Bahamontes Rückschläge und Niederlagen mit Verschwörungstheorien erklärte, haftete ihm ein Ruf als schlechter Verlierer an. Erst nach der aktiven Karriere half Altersmilde auf beiden Seiten, den sportlichen Ehrgeiz beider ins Verhältnis zu rücken - und das Vermächtnis der Legenden ins rechte Licht.

Bei einer Tour de France aß Bahamontes ein Eis

Viele Jahrzehnte lang war Bahamontes Rekord-Kletterer der Tour, seine Bestmarke wurde eingestellt von Lucien van Impe und schließlich gebrochen von Richard Virenque, dessen Erbe durch den Doping-Skandal um sein Team Festina belastet ist.

Zu Bahamontes‘ Zeiten gab es noch keine Dopingkontrollen - bzw. erst kurz vor dessen Rücktritt. Leistungssteigernde Praktiken waren aber auch damals schon ein systemisches Problem, über das Bahamontes in späteren Interviews offen sprach, zumindest über das Doping anderer.

Die berühmteste Anekdote um Bahamontes ist, dass er 1954 während einer Tour-Etappe auf einem Pass ein Eis aß. Der Spanier bestätigte die Geschichte später in einem Interview mit der Zeitung El Pais, stellte dabei aber klar: Er habe die Pause allerdings nicht wegen seines großen Vorsprungs, sondern wegen eines Speichenbruchs eingelegt. Während der Reparatur habe er dann einen Eisverkäufer gesehen - und die Chance genutzt.

Der zuletzt in Valladolid lebende Bahamontes wurde auf dem städtischen Friedhof in Toledo beigesetzt.