EVG: Urabstimmung über unbefristete Streiks bei der Bahn

Bei der Bahn drohen möglicherweise noch im Sommer unbefristete Streiks mit zahlreichen Zugausfällen.

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Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der EVG sind gescheitert. (Bild: dpa)

Der Bundesvorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat in Berlin beschlossen, die Mitglieder in einer Urabstimmung darüber entscheiden zu lassen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Den Fahrgästen der Deutschen Bahn und auch der Konkurrenzunternehmen könnten damit unruhige Wochen bevorstehen.

Am Mittwochabend hatte die Tarifkommission der EVG die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn für gescheitert erklärt. Sie begründete den Abbruch damit, dass die von der Bahn angebotene Gehaltserhöhung - nach dpa-Informationen 420 Euro im Monat - zu niedrig sei und zu spät komme. Die dabei vorgesehene Vertragslaufzeit von 27 Monaten sei "deutlich zu lang", hieß es.

EVG-Chef: Deutsche Bahn muss ordentlich nachlegen

"Wir werden jetzt in die Vorbereitung der Urabstimmung gehen, mit allen damit verbundenen Folgen. Unbefristete Streiks werden dadurch möglich", sagte EVG-Chef Martin Burkert. "Wir sind nach wie vor verhandlungsbereit." Um zu einem Abschluss zu kommen, müsse die Deutsche Bahn jetzt noch mal "ordentlich nachlegen". "Wir fordern nichts Unmögliches. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die dafür sorgen, dass Bus und Bahn trotz aller nicht von ihnen zu verantwortenden Widrigkeiten täglich fahren und erwarten dafür zu Recht eine angemessene Bezahlung", sagte Burkert.

Angesichts der immer noch hohen Inflation erwarteten die Beschäftigten "umgehend" eine kräftige Lohnerhöhung. "Die DB AG wollte aber in einem ersten Schritt nicht mehr als 200 Euro mehr zahlen und das auch erst im Dezember." Das sei zu wenig und zu spät. "Dass wir unsere Forderung nicht in voller Höhe durchsetzen werden, ist völlig klar, aber in die Nähe wollen wir schon kommen", sagte Burkert.

Deutsche Bahn sieht Urabstimmung als unnötige Eskalation

Die Deutsche Bahn hat die Pläne der EVG als "absolut unnötig" kritisiert. "Die EVG will jetzt Millionen Menschen die Sommerferien vermiesen. Das braucht und will niemand", teilte der Konzern am Donnerstag mit. Es sei ein Unding, "die Reisenden ständig mit Streikdrohungen zu verunsichern".

Ein Abschluss der Tarifverhandlungen sei am Mittwochabend ganz nah gewesen. "Es liegen 140 Seiten unterschriftsreifer Tarifvertrag auf dem Tisch. Alles bisher in den Verhandlungen Erreichte ist nun weg", hieß es in der Konzern-Mitteilung. "Ein Ergebnis wird durch die Urabstimmung um Monate verzögert." Die DB sei weiter "lösungsbereit".

Die EVG-Forderung

Die Organisation der Urabstimmung wird einige Wochen dauern. Es ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass die EVG auch in dieser Zeit schon mit befristeten Warnstreiks Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben wird. "Bis dahin sind auch Warnstreiks weiterhin nicht ausgeschlossen", so Burkert.

Für unbefristete Streiks braucht die EVG 75 Prozent Ja-Stimmen. Angeschrieben werden in den kommenden Tagen demnach 110.000 Mitglieder, die alle Beschäftigte der Deutschen Bahn sind. Damit die Abstimmung gültig ist, müssen mindestens 75 Prozent der Angeschriebenen ihre Stimme abgeben. "Ich gehe von einer großen Beteiligung aus", sagte Burkert.

Wenn drei Viertel für unbefristete Streiks stimmen, werde der Bundesvorstand der Gewerkschaft die konkreten Streikmaßnahmen beschließen.

Auf die Frage, ob sich die Gewerkschaft parallel zur Urabstimmung auf ein Schlichtungsverfahren einlassen würde, sagte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch: "Vorstellen kann man sich grundsätzlich viel. Aber heute haben wir was anders beschlossen, und da werden wir jetzt erstmal unseren Weg weitergehen."

Der Tarifkonflikt dauert seit Ende Februar an. Die EVG ging mit dem Ziel einer Festbetragserhöhung von mindestens 650 Euro im Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen in die Gespräche. Die Laufzeit sollte nach ihren Vorstellungen ein Jahr betragen.

Die Bahn hat nach eigenen Angaben zuletzt einen hohen Festbetrag, eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro und weitreichende strukturelle Verbesserungen bei 27 Monaten Laufzeit des Tarifvertrags in Aussicht gestellt.

Urlaubspläne der Fahrgäste in Gefahr

Durch den Vorstandsbeschluss könnten die Sommerferien in mehreren Bundesländern nun durch lange Streiks gestört werden. In Nordrhein-Westfalen haben die Ferien schon begonnen, am 6. Juli folgen Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt.

Zu Beginn der laufenden Woche hatte die EVG mit Tarifeinigungen bei einigen Privatbahnen überrascht, bei denen Lohnerhöhungen von 420 Euro in mehreren Stufen, eine Laufzeit von meist 21 Monaten und 1000 bis 1400 Euro Inflationsausgleichsprämie vereinbart wurden. Die auch bei diesen Eisenbahn-Unternehmen zunächst geforderten 650 Euro mehr pro Monat bei zwölf Monaten Laufzeit hatten aber offensichtlich hohe Erwartungen ausgelöst: Unter den Mitgliedern der EVG wurden die Abschlüsse kontrovers diskutiert.

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