Mehr als 36.000 Tote in Türkei - nun elf Provinzen Krisengebiet

Am zehnten Tag nach der Erdbebenkatastrophe werden weiter Leichen aus den Trümmern geborgen.

Türkei
In den Erdbeben-Gebieten geht die Suche nach Überlebenden weiter. (Bild: REUTERS/Maxim Shemetov)

Der türkische Katastrophendienst Afad teilte am Donnerstagmorgen mit, dass bisher 36.187 Menschen in Zusammenhang mit dem Erdbeben getötet worden seien, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Bisher habe es mehr als 3800 Nachbeben gegeben, schrieb die Regierung am Mittwochabend.

Während eines ziemlich heftigen Nachbebens sind Menschen im syrischen Latakia panisch aus ihren Häusern auf die Straßen der Küstenstadt geströmt. Ein Gebäude sei am Donnerstag nach den neuerlichen Erdstößen eingestürzt, berichtete ein dpa-Reporter von vor Ort. Nach Angaben des Nationalen Erdbebenzentrums hatte das Nachbeben eine Stärke von 4,7. Das Epizentrum lag den Angaben nach nördlich der Stadt am Mittelmeer. Es habe zudem ein weiteres leichtes Nachbeben gegeben.

Die türkische Regierung hat zudem die Zahl der von der Erdbebenkatastrophe betroffenen Provinzen von zehn auf elf erhöht, wie der Sprecher der AKP-Partei Ömer Celik am Mittwoch mitteilte. Auch die osttürkische Provinz Elazig gelte auf Anweisung des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nun offiziell als Katastrophengebiet. Ob damit auch der Ausnahmezustand für diese Provinz verhängt wird, war zunächst nicht klar.

Zehn Tage nach den Beben ist ein Junge gerettet worden

Immer wieder gibt es aber auch Nachrichten, dass doch noch Überlebende gefunden werden konnten: Der 13 Jahre alte Mustafa sei nach 228 Stunden in der Stadt Antakya befreit worden, teilten die Istanbuler Einsatzkräfte am Mittwochabend mit. Auf einem Video ist zu sehen, wie Feuerwehrkräfte und Bergarbeiter versuchen, den Jugendlichen anzusprechen, der dann auf einer Trage aus den Trümmern gebracht wird. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

UN brauchen eine Milliarde Dollar für türkische Erdbebenhilfe

Nach der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei bitten die Vereinten Nationen ihre Mitgliedstaaten um eine Milliarde Dollar (940 Millionen Euro) Unterstützung. Dieses Geld solle «5,2 Millionen Menschen helfen und es Hilfsorganisationen ermöglichen, die lebenswichtige Unterstützung für staatlich geführte Hilfsmaßnahmen in einer Reihe von Bereichen, darunter Ernährungssicherheit, Schutz, Bildung, Wasser und Unterkünfte, schnell auszuweiten», sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Dienstag in New York.

Zuvor hatten die UN um knapp 400 Millionen Dollar Unterstützung für Syrien gebeten.

Deutschland will Arzneimittelhilfe für Erdbebengebiete organisieren

Nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien will Deutschland Hilfen mit dringend benötigten Arzneimitteln organisieren. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant dafür an diesem Montag einen «Spendengipfel» mit der Pharmaindustrie und anderen Herstellern, wie der SPD-Politiker am Donnerstag sagte. Für das Treffen zusammen mit der diplomatischen Vertretung der Türkei in Berlin seien Listen verschickt worden, was gerade besonders dringlich gebraucht werde. Lauterbach dankte den Unternehmen, die sich an der Unterstützung beteiligen. Er rechne mit einer großen Teilnahme.

«In der Türkei und auch in Syrien fehlt es an dem Nötigsten, zum Teil an Medikamenten für die Krebsbehandlung, an Antibiotika, an wichtigen Medikamenten auch für Kinder», sagte der Minister. Zunehmend komme es dazu, dass Menschen sterben, weil die Versorgung nicht mehr möglich sei. Thema des Treffens soll auch die Logistik für Hilfslieferungen in die Region sein, um das Material schnell in die Türkei zu bringen. Neben Arzneimitteln geht es laut Ministerium um weitere medizinische Hilfsgüter wie Verbände oder mobile Röntgengeräte.

Allein in der Türkei sind nach Regierungsangaben 1,6 Millionen Menschen in Notunterkünften untergebracht und 600 000 Menschen aus der Krisenregion herausgebracht worden. Lauterbach sprach von einer bestürzenden Situation, die alle mit großer Trauer und dem Gedanken an die vielen, jetzt dort lebenden Menschen erfülle.

Nachbeben löst Panik in der syrischen Küstenstadt Latakia aus

Während eines ziemlich heftigen Nachbebens sind Menschen im syrischen Latakia panisch aus ihren Häusern auf die Straßen der Küstenstadt geströmt. Ein Gebäude sei am Donnerstag nach den neuerlichen Erdstößen eingestürzt, berichtete ein dpa-Reporter von vor Ort. Nach Angaben des Nationalen Erdbebenzentrums hatte das Nachbeben eine Stärke von 4,7. Das Epizentrum lag den Angaben nach nördlich der Stadt am Mittelmeer. Es habe zudem ein weiteres leichtes Nachbeben gegeben.

Latakia wurde bereits von den schweren Erdbeben vor zehn Tagen stark getroffen. 140 000 Menschen haben nach offiziellen Angaben in der Provinz ihr Zuhause verloren. Sie zählt zum Kernland der Regierung von Präsident Baschar al-Assad, die etwa zwei Drittel des Bürgerkriegslandes kontrolliert.

Seit den verheerenden Erdstößen mit Zehntausenden Toten wurden bis Donnerstagmorgen mehr als 4300 Nachbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion registriert, wie der türkische Katastrophenschutz meldete. Die Behörde hatte bereits am Tag zuvor vor weiteren «intensiven Nachbeben» gewarnt.

Viele Menschen suchen noch nach ihren Angehörigen

Viele Leute vermissen immer noch Menschen in den Trümmern. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versprach am Montag, die Bergungsarbeiten nicht einzustellen, ehe alle darunter Verschütteten geborgen seien.

In den sozialen Medien teilen viele derweil Suchanzeigen in der Hoffnung, ihre Angehörigen in Krankenhäusern wiederzufinden. Mehr als 100.000 Menschen sind bei den Beben verletzt worden, rund 13.200 werden weiter in Krankenhäusern behandelt, sind aber teilweise nicht identifizierbar, wie ein Krankenhausmitarbeiter in Adana der dpa sagte. Vielerorts wurde auch die Infrastruktur zur Krankenversorgung stark beschädigt.

US-Außenminister Blinken reist in die Türkei

US-Außenminister Antony Blinken hat derweil angekündigt im Zuge seiner Europa-Reise auch in die Türkei fahren. Am 19. Februar wolle er dort den NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik besuchen, um die Hilfsanstrengungen nach dem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien in Augenschein zu nehmen, teilte das US-Außenministerium am Mittwoch mit. Danach wird Blinken nach Ankara weiterreisen, um sich mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu zu treffen.

Die USA haben für die Erdbebenhilfe in der Türkei und Syrien 85 Millionen Dollar (knapp 80 Millionen Euro) zugesagt. Auch seien knapp 200 Rettungskräfte und 12 Suchhunde aus den Vereinigten Staaten im Erdbebengebiet, hieß es aus dem Außenministerium. Die Hilfe werde über die Luftwaffenbasis Incirlik abgewickelt.

Auch die Nato hat dem Mitgliedsland Türkei weitere Unterstützung zugesagt. Die Nato errichte temporäre Unterkünfte für Tausende von Vertriebenen. Man wolle zudem vorhandene Lufttransportkapazitäten nutzen, um "Zehntausende Zelte" in den kommenden Tagen und Wochen in das Land schicken, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Ankara am Donnerstag. Stoltenberg sprach der Türkei sein Beileid aus und erklärte: "Das ist die tödlichste Naturkatastrophe auf Bündnisgebiet seit der Gründung der Nato."

Im Video: Erdbeben in der Türkei - Rettungskräfte bergen Mann lebend nach 200 Stunden