Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Baerbock: Krieg in Ukraine macht EU-Beitritt Westbalkans notwendig

  • Entsetzen nach Angriff auf Dorf in Ostukraine

  • Ukraine und Russland tauschen getötete Soldaten aus

  • Russland weicht Diesel-Exportverbot auf

  • Ukraine meldet russischen Beschuss – Kind in Charkiw getötet

  • Scholz dringt auf EU-Reformen vor Aufnahme neuer Mitglieder

Die aktuelle Newslage im Livestream:

+++ Baerbock: Krieg in Ukraine macht EU-Beitritt Westbalkans notwendig +++

Außenministerin Annalena Baerbock fordert angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine einen beschleunigten EU-Beitritt der Westbalkan-Länder. «Der Angriff Russlands auf die Ukraine macht die EU-Erweiterung um den Westbalkan zu einer geopolitischen Notwendigkeit», sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in der albanischen Hauptstadt Tirana bei einem Treffen mit ihren Kollegen aus Serbien, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien.

«In Kiew spürt man, wie die Menschen in der Ukraine mit jeder Faser für Europa brennen. Diese Begeisterung teilen insbesondere die jungen Menschen des westlichen Balkans», sagte Baerbock. Es gehe darum, die «Logik des Alles-oder-Nichts» im EU-Erweiterungsprozess zu verlassen. Diese Länder sollten wirtschaftlich in den Westen integriert werden, noch bevor sie EU-Mitglieder werden.

Das Treffen in Tirana ist Teil des 2014 von Deutschland angeregten sogenannten Berlin-Prozesses, mit dem die sechs Westbalkan-Staaten, die nicht der EU angehören, gefördert und beraten werden sollen.

Allerdings haben die neuerlichen Spannungen zwischen Serbien und Kosovo dieses Treffen überschattet. Serbiens Außenminister Ivica Dacic weigerte sich, zusammen mit seinen Kollegen für das traditionelle «Familienfoto» zu posieren. Ein Überfall serbischer Paramilitärs auf kosovarische Polizisten mit vier Toten hatte den schwelenden Konflikt am 24. September verschärft. Serbien verstärkte daraufhin die Militärpräsenz an der Grenze zum Kosovo. Zahlreiche Analysten sehen hierbei auch einen russischen Einfluss auf Serbien.

+++ Entsetzen nach Angriff auf Dorf in Ostukraine +++

Der verheerende russische Raketenangriff auf das Dorf Hrosa im ostukrainischen Gebiet Charkiw mit mehr als 50 Toten hat international Entsetzen ausgelöst. Russlands Armee sei «das absolut Böse», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache. Auch Vertreter von EU und den Vereinten Nationen verurteilten den brutalen Angriff auf die Zivilisten scharf.

«Das war ein absichtlicher Raketenangriff auf ein Dorf im Charkiwer Gebiet, der auf ein Lebensmittelgeschäft und ein Café abzielte», sagte Selenskyj. «Das russische Militärpersonal kann nicht im Unklaren darüber gewesen sein, wo es zuschlug. Das war keine blinde Attacke.»

Ukrainische Rettungskräfte löschen ein Feuer nach einem Luftangriff, der ein mehrstöckiges Gebäude im Zentrum von Charkiw beschädigt hat (Bild: Alex Babenko/AP/dpa)
Ukrainische Rettungskräfte löschen ein Feuer nach einem Luftangriff, der ein mehrstöckiges Gebäude im Zentrum von Charkiw beschädigt hat (Bild: Alex Babenko/AP/dpa)

Nach ukrainischen Behördenangaben waren durch den russischen Raketenbeschuss in Hrosa unweit der Stadt Kupjansk 51 Menschen getötet worden, darunter ein sechs Jahre altes Kind. Drei Personen galten als vermisst. Zum Zeitpunkt des Angriffs hatten die Dorfbewohner sich demnach in dem Café zu einer Trauerfeier für einen gestorbenen Mitbürger versammelt. Die Bergungsarbeiten wurden am Abend abgeschlossen, hieß es, weitere Opfer seien unter den Trümmern nicht gefunden worden.

Laut Selenskyj lebten in Hrosa zuletzt etwas mehr als 300 Menschen. Der schlimmste russische Angriff, den es seit Kriegsbeginn im Gebiet Charkiw gab, löschte damit ein Sechstel des Dorfes aus.

+++ Ukraine und Russland tauschen getötete Soldaten aus +++

Die Ukraine und Russland haben am Freitag erneut getötete Soldaten ausgetauscht. Die sterblichen Überreste von 64 Soldaten seien in die Ukraine zurückgekehrt, teilte der zuständige Koordinierungsstab der ukrainischen Regierung in Kiew mit. Auch die Ukraine habe gemäß Völkerrecht getötete russische Soldaten an die andere Seite übergeben. Eine Zahl wurde nicht genannt.

Für den Austausch von gefangenen oder getöteten Soldaten existiert einer der wenigen Kontakte zwischen der Ukraine und Russland. Allerdings gab es nach Zählung von Experten im ersten Kriegsjahr 2022 deutlich mehr Austausche als zuletzt. Die Ukraine wehrt seit bald 20 Monaten eine russische Invasion ab.

+++ Russland weicht Diesel-Exportverbot auf +++

Zwei Wochen nach einem Verbot von Diesel-Exporten auf dem Seeweg hat Russland die zur Stabilisierung des heimischen Marktes eingeführte Maßnahme gelockert. Die Exportbeschränkungen werden unter der Bedingung aufgehoben, dass die Hersteller mindestens 50 Prozent ihrer Diesel-Produktion für den Binnenmarkt bereitstellen. Das teilte die Regierung am Freitag mit.

Der Export wurde untersagt, nachdem es in Russland zu Engpässen gekommen war, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Hersteller verkauften wegen höherer Einnahmen lieber ins Ausland. Dadurch stiegen die Preise im Inland. Das Ausfuhrverbot für Benzin bleibt den Angaben zufolge erhalten.

Wieder eingerichtet würden zudem in vollem Umfang Ausgleichszahlungen für ölverarbeitende Betriebe, die Kraftstoff im Land verkaufen, um die Verluste aus einem fehlenden Export abzumildern. Die Zahlungen waren verringert worden, um die staatlichen Ausgaben dafür in Grenzen zu halten. Nach einem Bericht der Zeitung «Kommersant» fallen für die Ausgleichszahlungen monatlich 150 Milliarden Rubel (1,43 Milliarden Euro) an.

+++ Ukraine meldet russischen Beschuss – Kind in Charkiw getötet +++

Russland hat die Ukraine nach Militärangaben aus Kiew erneut massiv mit Drohnenangriffen und Artilleriefeuer unter Beschuss genommen. In der ostukrainischen Stadt Charkiw starb bei russischem Beschuss eines Wohnhauses ein zehn Jahre altes Kind, wie die Behörden am Freitag mitteilten. Die Leiche des Jungen sei aus den Trümmern gezogen worden. Mehrere Menschen wurden demnach verletzt. Auf einem Video waren auch schwere Zerstörungen auf der Straße in dem Wohnviertel zu sehen. Dort schlug nach ersten Erkenntnissen eine Rakete ein.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den neuen «russischen Terror». Mehr als 20 Menschen seien diesmal verletzt worden, schrieb er im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) und veröffentlichte ein Video von den Zerstörungen. Die Rettungsarbeiten dauerten an, sagte er. Bereits am Vortag starben in einem Dorf im Gebiet Charkiw laut Behörden mehr als 50 Menschen bei einem russischen Raketenschlag, dem folgenreichsten seit mehr als einem Jahr.

+++ Orban kündigt bei EU-Gipfel Widerstand gegen neue Ukraine-Hilfen an +++

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat am Rande des informellen EU-Gipfels in Granada Widerstand gegen Pläne für neue EU-Ukraine-Hilfen und die Reform des europäischen Asylsystems angekündigt. Zu Vorschlägen, für die Unterstützung der Ukraine bis Ende 2027 bis zu 70 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, sagte Orban, man werde in keinem Fall einer unüberlegten Budgeterweiterung zustimmen. Ungarn wolle einen Waffenstillstand und Frieden. Zusätzliche Waffenlieferungen würden das Töten verlängern, argumentierte er.

Weitere Gegenwehr kündigte Orban zudem gegen die Pläne für die EU-Asylreform an, die eine Pflicht zur Solidarität mit besonders stark von Migration betroffenen Staaten vorsieht. Aus seiner Sicht gebe es keinerlei Chance mehr auf Kompromisse und Vereinbarungen, nachdem Ungarn und Polen «rechtlich vergewaltigt» worden seien.

Orban spielte darauf an, dass wichtige Entscheidungen für die geplante Reform des europäischen Asylsystems jüngst gegen den Willen von Ungarn und Polen per Mehrheitsentscheidung getroffen wurden. Die beiden Länder sind ungeachtet anderslautender juristischer Analysen der Meinung, dass dies nur im Konsens, also ohne Gegenstimmen, hätte geschehen können.

+++ Scholz dringt auf EU-Reformen vor Aufnahme neuer Mitglieder +++

Vor dem informellen EU-Gipfel in Granada hat Bundeskanzler Olaf Scholz erneut auf eine Reform der EU gedrungen, um sie für die Aufnahme weiterer Länder fit zu machen. «Wir müssen dann auch mit qualifizierten Mehrheiten Entscheidungen treffen können, damit die Souveränität und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gewährleistet ist», sagte er vor dem Treffen. Derzeit können viele Entscheidungen nur bei Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten getroffen werden, unter anderem in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Olaf Scholz (Bild: REUTERS/Juan Medina)
Olaf Scholz (Bild: REUTERS/Juan Medina)

Man müsse sich auch über die Zahl der Mitglieder der EU-Kommission Gedanken machen, sagte Scholz. «Man kann ja nicht einfach immer quasi die Regierung erweitern und neue Ministerien erfinden.» Außerdem gehe es um die Zahl der Sitze im Europäischen Parlament und die Finanzierung der Staatengemeinschaft.

Im Dezember soll entschieden werden, ob mit der Ukraine und Moldau Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden und ob Georgien den Status des Beitrittskandidaten bekommt.

+++ EU-Chefdiplomat Borrell: Russischer Angriff «abscheulich» +++

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den russischen Angriff scharf. «Russlands entsetzlicher Terror gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine lässt nicht nach und hat heute einen weiteren düsteren Meilenstein erreicht», teilte Borrell mit. Es sei ein abscheulicher Angriff auf unschuldige Zivilisten. Vorsätzliche Attacken auf Zivilisten seien Kriegsverbrechen.

+++ UN-Chef: Attacken auf Zivilisten in Ukraine verletzen Völkerrecht +++

Auch UN-Generalsekretär António Guterres machte Moskau schwere Vorwürfe. «Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur sind nach dem humanitären Völkerrecht verboten und müssen sofort eingestellt werden», forderte Guterres über seinen Sprecher Stephane Dujarric. Dieser ließ dabei keinen Zweifel daran, dass die UN-Vertreter vor Ort Russland als verantwortlich für den Angriff sehen.

+++ Bericht: Treffen zwischen Biden und Xi im November erwartet +++

Die US-Regierung rechnet einem Bericht zufolge mit einem baldigen persönlichen Treffen zwischen Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Die beiden sollten beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) im November in San Francisco zusammenkommen, berichtete die «Washington Post» am Donnerstagabend (Ortszeit) unter Berufung auf US-Regierungsquellen. Eine persönliches Gespräch sei «ziemlich sicher» und man beginne den Planungsprozess, zitierte die Zeitung einen Regierungsvertreter. Es wäre das erste Treffen zwischen Biden und Xi seit November vergangenen Jahres. Damals waren beide am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali zusammengekommen.

Xi Jinping und Joe Biden in Bali 2022 (Bild: REUTERS/Kevin Lamarque)
Xi Jinping und Joe Biden in Bali 2022 (Bild: REUTERS/Kevin Lamarque)

Die Beziehungen zwischen den USA und China sind seit einiger Zeit auf einem Tiefpunkt - trotz jüngster Besuche hochrangiger US-Vertreter in China. Für Streit sorgen etwa Chinas Rückendeckung für Russlands Krieg in der Ukraine und Drohungen gegen Taiwan. Dass es im Zuge des Apec-Gipfels zu einem Treffen zwischen Biden und Xi kommen könnte, wird seit einiger Zeit erwartet. Das Weiße Haus hat sich öffentlich jedoch zurückhaltend gezeigt. Zuletzt hatten sich der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, und Chinas Chef-Diplomat Wang Yi in Malta getroffen.

+++ Drohnenangriffe in der Nacht +++

Russische Militärs haben in der Nacht zum Freitag nach Darstellung ukrainischer Medien erneut Ziele in der Ukraine mit sogenannten Kamikaze-Drohnen angegriffen. Die in drei Wellen anfliegenden Drohnen hatten unter anderem Tscherkassy im Landesinneren und die südukrainische Hafenstadt Odessa zum Ziel. In beiden Städten wurde die Luftabwehr aktiv.

Russland wiederum berichtete von ukrainischen Attacken. Unter anderem sei am frühen Freitagmorgen der Marinestützpunkt in Sewastopol auf der besetzten Halbinsel Krim mit ukrainischen Marine-Drohnen angegriffen worden, berichtete die Staatsagentur Tass.

+++ Keine Taurus-Raketen für die Ukraine - aber Patriot-Flugabwehr +++

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will derweil trotz eindringlicher Bitten der Ukraine vorerst keine Taurus-Marschflugkörper in das Kriegsgebiet liefern. Stattdessen sagte er dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj am Rande des Europa-Gipfels im spanischen Granada ein weiteres Patriot-Flugabwehrsystem für die Wintermonate zu. Sein vorläufiges Nein zu Taurus begründete Scholz damit, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könnte.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für die Wintermonate ein weiteres Flugabwehrsystem vom Typ Patriot zugesagt. «Das ist das, was jetzt am allermeisten notwendig ist», sagte der SPD-Politiker am Donnerstag nach einem Treffen mit Selenskyj am Rande des Europa-Gipfels im spanischen Granada. Man müsse damit rechnen, dass Russland im Winter erneut versuchen werde, mit Raketen- und Drohnenangriffen Infrastruktur und Städte in der Ukraine zu bedrohen.

Selenskyj schrieb über den Kurznachrichtendienst X, das Treffen mit Scholz sei fruchtbar gewesen. Er sei dankbar für Deutschlands Unterstützung für die Verteidigung der Freiheit der Ukraine und ihrer Menschen. Es gehe dabei auch um die Verteidigung Europas und die gemeinsamen Werte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (Bild: Alex Zea/Europa Press via Getty Images)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (Bild: Alex Zea/Europa Press via Getty Images)

Kurz vor dem Treffen von Scholz und Selenskyj war bekannt geworden, dass Scholz trotz eindringlicher Bitten der Ukraine vorerst keine Taurus-Marschflugkörper in das Kriegsgebiet liefern will. Er hat sein vorläufiges Nein damit begründet, dass er eine Eskalation des Krieges vermeiden will. Bei den Waffenlieferungen in die Ukraine müsse beachtet werden, «was uns die Verfassung vorgibt und was unsere Handlungsmöglichkeiten sind», sagte Scholz am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Rande des Europa-Gipfels im spanischen Granada. «Dazu zählt ganz besonders die Tatsache, dass wir selbstverständlich gewährleisten müssen, dass es keine Eskalation des Krieges gibt und dass auch Deutschland nicht Teil der Auseinandersetzung wird.»