Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Sonntag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Kiew: Drohnenangriff auf Krim war Vorbereitung für Gegenoffensive

  • Kiew will Russen für Raketenangriffe strafen

  • Großbrand in Treibstoffreservoir auf der Krim nach Drohnenattacke

  • Franziskus in Ungarn: Appell für Frieden

  • Studien: Sanktionen gegen Russland stärken Putins Rückhalt in der Bevölkerung

  • Selenskyj will Planungen für Tribunal vorantreiben

Die aktuelle Newslage im Livestream:

+++ Kiew: Drohnenangriff auf Krim war Vorbereitung für Gegenoffensive +++

Der Drohnenangriff auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim am Samstag hat nach Darstellung des ukrainischen Militärs der Vorbereitung auf die geplante Gegenoffensive gedient. «Die Unterwanderung der feindlichen Logistik ist eines der Vorbereitungselemente für die mächtigen Aktivhandlungen unserer Verteidigungskräfte, über die wir schon seit langem sprechen», sagte die Pressesprecherin des Südkommandos der ukrainischen Armee, Natalija Humenjuk, am Sonntag im Fernsehen. «Und diese Arbeit bereitet die groß angelegte Offensive vor, auf die alle warten.»

Infolge des Drohnenangriffs war in der Krim-Hafenstadt Sewastopol am frühen Samstagmorgen ein großes russisches Treibstofflager in Brand geraten. Tote und Verletzte gab es russischen Angaben zufolge nicht. Auch zivile Objekte seien nicht zu Schaden gekommen. Nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes hingegen wurden zehn Öltanks zerstört. Konkret hat Kiew die Verantwortung für den Angriff nicht übernommen. Es hieß allerdings aus dem ukrainischen Militärgeheimdienst, solche Explosionen würden weitergehen.

+++ Selenskyj dankt Partnern für Unterstützung +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den ausländischen Partnern seines Landes für deren Unterstützung mit Waffen, Geld und anderen Mitteln gedankt. Er habe am Sonntag mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron über ein neues Waffenpaket gesprochen, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. «Es ist sehr wichtig, dass Russland immer stärkere Signale erhält, dass die Welt Russlands Terror nicht verzeihen wird», forderte er.

Die Ukraine und ihre Partner müssten in größtmöglicher Einigkeit und Integrität handeln, «um unsere gemeinsamen Werte zu schützen». Nur so könnten eine Verlängerung des Kriegs durch Russland verhindert und ein normaler und gerechter Frieden erreicht werden, sagte Selenskyj. «Ich danke allen Menschen in der Welt, die dazu beitragen, die Isolierung von Terroristen zu verstärken und jegliche Lieferung von Waffen und deren Komponenten an Terroristen zu unterbinden», sagte er. Mit «Terroristen» meint Selenskyj das russische Militär.

Mit Blick auf in dieser Woche erhaltene Waffen dankte Selenskyj Dänemark für Haubitzen, Slowenien für gepanzerte Fahrzeuge, Spanien für Panzer und Deutschland für die geplante Lieferung weiterer gepanzerter Fahrzeuge und Granaten. Aus den USA erhalte die Ukraine 1,25 Milliarden Dollar zur Unterstützung des Haushalts, zählte Selenskyj weitere neue Hilfen auf. Die Niederlande wiederum seien bereit, ukrainische Soldaten an modernen Waffensystemen auszubilden, Kroatien übernehme die Versorgung und Pflege verwundeter Soldaten, während Italien bereit sei, beim Wiederaufbau der Ukraine zu helfen.

+++ Russisches Militär meldet Zerstörung von Munitionslager der Ukraine +++

Russische Truppen haben bei einem Angriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk nach eigenen Angaben ein Depot mit rund 200 Tonnen Munition zerstört. Zudem sei in der Region Sumy eine große Feldwerkstatt der ukrainischen Streitkräfte zerstört worden, sagte in Moskau der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, zur Agentur Interfax. Die russischen Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Reaktion. Russland führt seit dem Februar des Vorjahres einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

+++ Russland tauscht Vize-Verteidigungsminister aus +++

Mehr als 14 Monate nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine ist in Russland erneut einer der Vize-Verteidigungsminister ausgewechselt worden. Ab sofort ist Generaloberst Alexej Kusmenkow für die materielle und technische Versorgung der Armee zuständig. Er war bislang stellvertretender Direktor der Nationalgarde. Dies teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Er folgt auf Michail Misinzew, der den Posten erst im vergangenen September übernommen hatte. Insgesamt hat Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zwölf Stellvertreter.

Bereits in der vergangenen Woche hatten russische Blogger über die Entlassung Misinzews berichtet und Machtkämpfe innerhalb des russischen Militärs als einen Grund genannt. Offiziell bestätigt war das damals allerdings noch nicht.

Offen zu Tage treten etwa schon seit Monaten Streitereien zwischen der Armee und dem Chef der berüchtigten russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Dieser wirft der Führung in Moskau vor allem Probleme bei der Versorgung seiner Kämpfer mit Munition vor - und drohte kürzlich sogar damit, sie deshalb aus der schwer umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut abzuziehen.

+++ Tretjakow-Galerie in Moskau nach Bombendrohung evakuiert +++

Nach einer anonymen Bombendrohung ist die berühmte Tretjakow-Galerie in Moskau am Sonntag für mehrere Stunden geräumt worden. «Wir haben einen anonymen Hinweis auf einen Sprengsatz erhalten», sagte ein Sprecher der Galerie der Staatsagentur Tass. «Besucher und Mitarbeiter wurden zu ihrer Sicherheit evakuiert.»

Nach einer Durchsuchung der Gebäude auf mögliche Sprengsätze wurde am späten Nachmittag Entwarnung gegeben. «Falscher Alarm, die Aktion ist beendet», zitierte die Agentur Interfax einen Sprecher der Galerie.

+++ Weiter Kämpfe um Bachmut - Russische Grenzregion meldet Tote +++

Im Osten der von Russland angegriffenen Ukraine halten die schweren Kämpfe um Bachmut an. Russische Truppen hätten vier weitere Teile der Stadt eingenommen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, am Sonntag. Unabhängig überprüft werden konnte das zunächst nicht. Erst am Samstag hieß es aus Kiew, die Russen scheiterten bislang bei Versuchen, ukrainische Nachschubwege nach Bachmut abzuschneiden.

Bachmut wird seit Monaten gemeinsam von der russischen Armee und der Söldnertruppe Wagner angegriffen. Inzwischen kontrollieren die Angreifer eigenen Angaben nach rund 85 Prozent des Stadtgebietes. Die ukrainische Führung beharrt auf dem Halten der inzwischen weitgehend zerstörten Stadt und begründet dies mit den hohen Verlusten der angreifenden Truppen, die so zermürbt würden.

In Russland meldete unterdessen die Grenzregion Brjansk vier Tote infolge von ukrainischem Beschuss. In dem betroffenen Dorf Susemka sei der Notstand ausgerufen worden, schrieb Gouverneur Alexander Bogomas auf Telegram.

+++ Kiew will Russen für Raketenangriffe strafen +++

Einen Tag nach einem tödlichen Raketenangriff auf die Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj neben der russischen Führung auch Soldaten für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. «Nicht nur die Befehlshaber, sondern ihr alle, ihr seid alle Terroristen und Mörder und ihr alle müsst bestraft werden», sagte der 45-Jährige am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Jeder, der Raketen steuere und abfeuere, der Flugzeuge und Schiffe für den Terror warte, sei mitschuldig an den Toten des Kriegs, sagte er.

Hintergrund ist der Raketenangriff auf die Stadt Uman, bei dem am Freitag 23 Menschen ums Leben gekommen waren. Darunter waren nach Angaben Selenskyjs auch sechs Minderjährige. Jeder, der solche Raketenangriffe vorbereite, müsse wissen, dass er mitschuldig am Tod von Zivilisten sei, betonte der ukrainische Staatschef.

+++ Wagner-Chef klagt über hohe Verluste und droht mit Abzug aus Bachmut +++

Der Chef der russischen Söldnereinheit Wagner, Jewgeni Prigoschin, räumte durchaus Probleme ein. Wegen der hohen Verluste aufgrund mangelnder Versorgung drohte er mit dem Abzug seiner Truppen aus Bachmut. «Jeden Tag haben wir stapelweise tausend Leichen, die wir in den Sarg packen und nach Hause schicken», sagte Prigoschin in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit dem russischen Militärblogger Semjon Pegow. Die Verluste seien wegen der fehlenden Artilleriemunition fünfmal so hoch wie nötig, klagte er.

Er habe einen Brief an Verteidigungsminister Sergej Schoigu verfasst, um schnellstens Nachschub zu erhalten. «Wird das Munitionsdefizit nicht aufgefüllt, sind wir gezwungen - um nicht nachher wie feige Ratten zu rennen - uns entweder organisiert zurückzuziehen oder zu sterben», sagte der 61-Jährige.

In einer Audiobotschaft in der Nacht zum Sonntag relativierte er diese Angaben. So sei Wagner im Verlaufe des Tages weitere 100 bis 150 Meter in der Stadt vorgerückt. Die Tagesverluste bezifferte er derweil auf knapp 100 Mann.

+++ London: Russische Truppen verschärfen Strafen für Disziplinverstöße +++

Russische Kommandeure im Krieg gegen die Ukraine haben nach Einschätzung britischer Geheimdienste die Strafen für Verstöße gegen die Truppendisziplin erheblich verschärft. Bereits für den Versuch, den Dienstvertrag zu beenden, oder kleinere Vergehen wie Trunkenheit würden Soldaten in improvisierte Zellen gesteckt, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag unter Berufung auf «zahlreiche» Berichte russischer Kämpfer mit. Dabei handele es sich um Löcher im Boden, die mit einem Metallgitter bedeckt sind.

«In den ersten Kriegsmonaten gingen viele russische Kommandeure bei der Durchsetzung der Disziplin relativ locker vor und erlaubten es denjenigen, die den Einsatz verweigerten, in aller Stille nach Hause zurückzukehren», hieß es in London weiter. «Seit Herbst 2022 gab es mehrere zunehmend drakonische Initiativen zur Verbesserung der Disziplin in der Truppe, vor allem seit Generalstabschef Waleri Gerassimow im Januar 2023 das Kommando übernommen hat.»

+++ Linksfraktion: Bundestag muss gegen Melnyk protestieren +++

Die Linksfraktion fordert wegen einer Äußerung des früheren ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk über die Abgeordnete Sahra Wagenknecht offiziellen Protest des Bundestags bei der Regierung in Kiew. Dies geht aus einem Schreiben von Fraktionschef Dietmar Bartsch an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Es nimmt Bezug auf einen Tweet Melnyks, der inzwischen Vizeaußenminister der Ukraine ist. Darin heißt es: «Oskar Lafontaine und seine Frau Sahra Wagenknecht sind beide die schlimmsten Komplizen vom Kriegsverbrecher Putin, die als solche noch zur Rechenschaft gezogen werden. Und zwar sehr bald».

Dies sei «eine eindeutige Drohung», schrieb Bartsch an Bas. «Ein solches Vorgehen eines Regierungsvertreters der Ukraine gegenüber einer gewählten Bundestagsabgeordneten ist nicht hinnehmbar und erfordert aus unserer Sicht deutliche Schritte», hieß es weiter. «Meine Mitvorsitzende Amira Mohamed Ali und ich bitten Sie deshalb, in Ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin gegen diese Drohung zu protestieren und das Auswärtige Amt um Stellungnahme gegenüber der ukrainischen Regierung zu ersuchen.»

+++ Großbrand in Treibstoffreservoir auf der Krim nach Drohnenattacke +++

Auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist in der Hafenstadt Sewastopol ein Treibstofftank in Brand geraten - vermutlich durch einen Drohnenangriff. Das schrieb Gouverneur Michail Raswoschajew am Samstag auf Telegram. Es handle sich um einen Brand der Alarmstufe vier - «der schwersten von allen möglichen», schrieb der Gouverneur. Demnach brennt eine Fläche von 1000 Quadratmetern. Zivile Einrichtungen seien nicht bedroht. Angaben zu Verletzten gab es zunächst nicht.

Derzeit seien 18 Löschzüge im Einsatz. Die Eindämmung des Feuers könne wegen der Größe noch viele Stunden dauern, schrieb Raswoschajew später. «Der Brand wirkt sich nicht auf die Treibstoffversorgung von Sewastopol aus. Diese Reserven wurden nicht für die Lieferungen an die Tankstellen genutzt.» Die Aussage Raswoschajews lässt darauf schließen, dass es sich um ein militärisch genutztes Treibstofflager handelt.

Brennendes Treibstofflager in Sewastopol, Ukraine. (Bild: dpa)
Brennendes Treibstofflager in Sewastopol, Ukraine. (Bild: dpa)

Nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurden zehn Öltanks zerstört. «Ihr Gesamtvolumen beträgt etwa 40.000 Tonnen», sagte Behördensprecher Andrij Jussow. «Das ist Gottes Strafe speziell für die getöteten Bürger in Uman, unter denen fünf Kinder sind», sagte er Bezug nehmend auf einen russischen Raketenangriff in der Nacht zuvor.

Die Ukraine hat mehrfach angekündigt, die 2014 annektierte Krim von russischer Besatzung zu befreien. In verschiedenen Teilen der Halbinsel kommt es im Zuge von Russlands Angriffskrieg gegen das Nachbarland zu Zwischenfällen mit Drohnen, teils mit schweren Schäden, Verletzten und auch Toten. Russland sieht sich gezwungen, den militärischen Aufwand zur Verteidigung der Krim deutlich zu erhöhen.

+++ Franziskus in Ungarn: Appell für Frieden +++

Papst Franziskus hat junge Menschen in Ungarn dazu aufgerufen, der Welt zu helfen, in Frieden zu leben. Bei einem Auftritt in einem Stadion in Budapest am Samstag ermunterte das Oberhaupt der katholischen Kirche sie zudem, sich hohe Ziele zu setzen und sich nicht zu schnell zufriedenzugeben. Auch wenn "wir in Frieden und Komfort leben", sollte nicht vergessen werden, dass "nicht viele Kilometer von hier Krieg und Leid an der Tagesordnung sind", sagte der Pontifex vor mehr als 10.000 jungen Menschen.

Unter großem Jubel wurde Franziskus zuvor im Papamobil durch die 25.000 Quadratmeter große Arena gefahren. Die jungen Leute bereiteten Franziskus einen begeisterten Empfang. Er begrüßte einige junge Menschen im Rollstuhl und nahm Geschenke entgegen.

Papst Franziskus hat im Rahmen seiner Pilgerreise in Ungarn Flüchtlinge aus der Ukraine getroffen.

Der Besuch ist seine erste Reise seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in ein Land, das direkt an das Kriegsgebiet angrenzt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche erinnerte in der Budapester Elisabethkirche beim Ostbahnhof an das Gebot und die Sprache der Nächstenliebe.

+++ Studien: Sanktionen gegen Russland stärken Putins Rückhalt in der Bevölkerung, +++

Wie wirken die Sanktionen des Westens gegen Russland infolge des Angriffskrieges gegen die Ukraine? Ökonomen schauen bisher meist auf die wirtschaftlichen Folgen. Zwischenbilanz: Russland scheint die Kosten des Krieges und der Sanktionen kurzfristig gut zu verkraften, es sei aber bereits spürbar, dass sie Russland mittel- und langfristig schwer schaden. Ökonomen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) haben nun auch politische Folgen untersucht. Ihr Ergebnis: Die Sanktionen gegen Russland erhöhten die Unterstützung in der Bevölkerung für Präsident Wladimir Putin. Dies gelte sowohl innerhalb Russlands selbst, als auch für den Zuspruch pro-russischer Parteien im Westen, genauer in Frankreich.

Autoren des Forschungspapiers „To Russia with Love? The Impact of Sanctions on Regime Support“ sind die Kieler Forscher Julian Hinz und Robert Gold sowie Michele Valsecchi von der New Economic School in Moskau. Ihre Ergebnisse beziehen sich auf die Sanktionen nach Russlands Annexion der Krim im Jahr 2014. Die Forscher stellen dar, dass sich bei den folgenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Russland 2016 und 2018 der Stimmenanteil Putins und seiner Partei als direkte Folge dieser Sanktionen um durchschnittlich 13 Prozent erhöht habe.

Die Sanktionen gegen Russland wegen seiner Aggression gegen die Ukraine haben den Rückhalt von Präsident Wladimir Putin eher gestärkt, sagen Forscher.  (Bild: Getty Images)
Die Sanktionen gegen Russland wegen seiner Aggression gegen die Ukraine haben den Rückhalt von Präsident Wladimir Putin eher gestärkt, sagen Forscher. (Bild: Getty Images)

"Die Sanktionen infolge der Krim-Annexion führten zu erheblichen Handels- und damit Wohlstandsverlusten für die Bevölkerung. In Reaktion darauf hielten mehr Menschen den Regierungskurs für richtig und lehnten die westlichen Positionen ab“, sagt Hinz.

In einem zweiten Forschungspapier, „Blowback: The Effect of Sanctions on Democratic Elections“, argumentieren Hinz und Matthieu Crozet von der Universtität Paris-Saclay zudem, dass die 2014 verhängten Sanktionen auch die Wahlen in demokratischen Ländern außerhalb Russlands zugunsten Putins beeinflusst hätten. Bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2017 hätten sie zu einem Anstieg des Stimmenanteils für pro-russische und rechtsextreme Kandidaten geführt. In Gemeinden, die seinerzeit besonders vom Embargo gegen russische Lebensmittel und Agrargüter betroffen waren, seien über 16.000 Stimmen für die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen direkt auf die Sanktionen zurückzuführen. Dies entspreche den Stimmberechtigten einer Kleinstadt. Der Effekt sei aber zu gering, um den Ausgang der Wahlen auf nationaler Ebene entscheidend zu beeinflussen.

In beiden Papieren nutzen die Forscher nach Angaben des IfW Kiel komplexe statistische Verfahren, um die Sanktionen als Grund für die Stimmgewinne zu isolieren. Sie ermitteln dabei die Abweichung zu einem kontra-faktisches Szenario – was wäre passiert, wenn der Westen keine Sanktionen verhängt hätte.

+++ Selenskyj will Planungen für Tribunal vorantreiben +++

Einen Tag nach einem tödlichen Raketenangriff auf die Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj neben der russischen Führung auch Soldaten für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. «Nicht nur die Befehlshaber, sondern ihr alle, ihr seid alle Terroristen und Mörder und ihr alle müsst bestraft werden», sagte der 45-Jährige am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Jeder, der Raketen steuere und abfeuere, der Flugzeuge und Schiffe für den Terror warte, sei mitschuldig an den Toten des Kriegs, sagte er.

Hintergrund ist der Raketenangriff auf die Stadt Uman, bei dem am Freitag 23 Menschen ums Leben gekommen waren. Darunter waren nach Angaben Selenskyjs auch sechs Minderjährige. Jeder, der solche Raketenangriffe vorbereite, müsse wissen, dass er mitschuldig am Tod von Zivilisten sei, betonte der ukrainische Staatschef.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt zu einer Gedenkfeier für ukrainische Soldaten, die in der Schlacht um das Dorf Moshchun gefallen (Bild: Reuters)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt zu einer Gedenkfeier für ukrainische Soldaten, die in der Schlacht um das Dorf Moshchun gefallen (Bild: Reuters)

Deswegen sei es nötig, dass Russland tatsächlich für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werde. Einmal mehr sprach sich Selenskyj für die Schaffung eines internationalen Tribunals gegen Russland nach dem Vorbild der Nürnberger Prozesse gegen die Nazis aus.

Es sei es nicht ausreichend, Russland im Krieg zu schwächen, fügte Selenskyj hinzu. Zuvor hatte der ukrainische Staatschef in einem Interview von skandinavischen Medien erklärt, dass Russland bereits jetzt «jeden Tag schwächer» werde. Deswegen habe Moskau seine Taktik geändert und denke inzwischen nicht mehr an neue Eroberungen, sondern eher daran, die besetzten Gebiete zu verteidigen.