Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit im Fokus der nächsten strategischen Agenda der EU

Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit im Fokus der nächsten strategischen Agenda der EU

Russlands Krieg in der Ukraine wird die strategische Agenda der Europäischen Union für das nächste Fünfjahresmandat maßgeblich beeinflussen, da er weiterhin tiefgreifende Auswirkungen auf die Energieversorgung, die Wirtschaft und die Sicherheit der Union hat.

Die Strategische Agenda ist der politische Fahrplan der EU, der von den Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfetreffen des Europäischen Rates festgelegt wird und der die Arbeit der nächsten Europäischen Kommission für den Zeitraum 2024-2029 bestimmen wird.

Der "Green Deal", der wegweisende Rechtsvorschriften umfasst, mit denen der Kontinent bis 2050 kohlenstoffneutral werden soll, und der an Schwung gewann, seitdem die EU nach dem unprovozierten Angriff Russlands auf die Ukraine versucht, sich von fossilen Brennstoffen zu lösen, sollte weiterhin im Mittelpunkt stehen. Und das, obwohl einige Teile in den letzten Monaten nach den massiven Protesten der Landwirte und im Vorfeld der Europawahlen verwässert wurden.

Aber der Schwerpunkt wird ein anderer sein.

"Grüne Politik wird in Europa eine neue Wendung erfahren", sagt Simone Tagliapietra, Senior Fellow bei der Denkfabrik Bruegel, gegenüber Euronews. "Diese Politik wird in den Dienst der Wettbewerbsfähigkeit einerseits und der Sicherheit andererseits gestellt werden.

"Das ergibt Sinn, denn in den letzten fünf Jahren haben wir eine Menge an Gesetzgebung für den Europäischen Green Deal verabschiedet, und jetzt müssen wir zur Umsetzung übergehen", fügt er hinzu.

China und die USA

Doch die geopolitischen Umstände, die die Strategische Agenda beeinflussen - die der Analyst als "neue internationale Turbulenzen" bezeichnete - gehen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine hinaus.

Chinas unfaire Handelspolitik und die Notwendigkeit, Partnerschaften zu schließen, um Rohstoffe und neue Märkte, insbesondere in Afrika und Südamerika, zu erschließen, werden die Arbeit der EU ebenfalls bestimmen.

Aber die Notwendigkeit eines "starken und sicheren" sowie eines "wohlhabenden und wettbewerbsfähigen Europas" durch größere industrielle Kapazitäten - sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich - zielt auch darauf ab, die Abhängigkeiten vom wichtigsten Verbündeten des Blocks, den USA, zu verringern.

"Es gibt noch ein weiteres sehr wichtiges Element: die Wahlen in den USA und die Frage, was passiert, wenn (der ehemalige Präsident Donald) Trump ins Weiße Haus zurückkehrt. Was wird mit Europa in Bezug auf seine eigenen Verteidigungskapazitäten passieren, wenn die USA zum Beispiel ihre Unterstützung im Rahmen der NATO zurückhalten?" gibt Tagliapietra zu Bedenken.

Neue finanzielle Mittel

Eine weitere offene Frage, mit der sich die Staats- und Regierungschefs der EU konfrontiert sehen, ist die Frage, wie sie das Geld zur Finanzierung ihrer Ambitionen aufbringen können.

Nach Ansicht des Bruegel-Analysten gibt es drei mögliche Einnahmequellen, die reformiert werden sollten.

"Erstens: Wir müssen den europäischen Haushalt besser nutzen. Es sollte eine Diskussion darüber geführt werden, wie wir dieses Geld ausgeben werden und wie groß er sein wird", sagte er.

"Der zweite Punkt ist die Europäische Investitionsbank, die in den kommenden Jahren sicherlich eine größere Rolle in Bezug auf all diese Elemente spielen wird. Und schließlich die Neuverschuldung. Wird es die Möglichkeit geben, nach dem Ende des Programms NextGenerationEU im Jahr 2026 eine neue Kreditlinie einzurichten?"

Der Entwurf der Agenda enthält auch ein Kapitel "Freies und demokratisches Europa" zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sowie einen Teil über die Erweiterung und die Vorbereitung auf neue Mitglieder, darunter die Ukraine, Moldowa und die westlichen Balkanländer.

"Die Erweiterung setzt voraus, dass die beitrittswilligen Länder in der Lage sind, das EU-Recht anzuwenden, was viele Reformen in diesen Ländern und auch eine neue Governance auf EU-Ebene erfordert", sagte Tagliapietra.

"Daher werden wir auch die Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen, überdenken müssen: Die Einstimmigkeit, die wir derzeit in der Außenpolitik haben, muss in Zukunft möglicherweise revidiert werden, denn es ist nicht vorstellbar, dass irgendein Land ein Vetorecht hat, wenn der Club noch weiter wächst", fügte er hinzu.

Es wird erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs der EU die Agenda auf ihrem nächsten Gipfeltreffen am 27. und 28. Juni in Brüssel fertigstellen und annehmen werden.