Was man zur Türkei-Wahl wissen muss

Am 14. Mai wird in der Türkei nicht nur das Parlament, sondern auch der Präsident gewählt. Alle wichtigen Informationen rund um die Wahl.

In der ganzen Türkei wird die Parlaments- und Präsidentschaftswahl Mitte Mai mit Spannung erwartet.(Bild: Mehmet Masum Suer/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)
In der ganzen Türkei wird die Parlaments- und Präsidentschaftswahl Mitte Mai mit Spannung erwartet.(Bild: Mehmet Masum Suer/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

Es könnte das Ende einer fast 20 Jahre langen Ära werden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan muss Mitte Mai um sein Amt bangen. Um sein langanhaltende Macht in der Türkei zu beenden, haben sich in der Opposition sechs Parteien hinter einem gemeinsamen Kandidaten zusammengeschlossen. Die Umfragen sagen ein knappes Wahlergebnis voraus.

Der Wahltag

Um seine Chancen zu erhöhen, hatte Erdogan das Datum der Wahl sogar vom eigentlich vorgesehenen Termin im Juni vorziehen lassen und zwar auf einen besonders symbolträchtigen Tag. Am 14. Mai 1950, genau 73 Jahre zuvor, war in der Türkei die erste freie Wahl nach der der Einführung des Mehrparteiensystems abgehalten worden. Damals hatte zum ersten Mal eine konservative Partei die Republikaner besiegt, ein Ereignis, dass Erdogan mit dem vorgezogenen Wahltag nun symbolisch wiederholen möchte. Dabei ließ er sich auch von den schweren Erdbeben nicht abhalten, die den Südosten der Türkei und den Norden Syriens Anfang Februar erschüttert hatten und mehr als 50.000 Menschen das Leben kosteten. Die gewünschte Datumsänderung kam durch ein Dekret zustande. Eine mögliche Stichwahl würde am 28. Mai abgehalten werden.

Am 14. Mai könnte es zum Ende der Ära Erdogan in der Türkei kommen. (Bild: Turkish Presidency / Handout/Anadolu Agency via Getty Images)
Am 14. Mai könnte es zum Ende der Ära Erdogan in der Türkei kommen. (Bild: Turkish Presidency / Handout/Anadolu Agency via Getty Images)

Die Wahlberechtigten

Von den etwa 85 Millionen Türken und Türkinnen sind knapp 64 Millionen wahlberechtigt. Auch im Ausland darf mit über die Präsidentschaftswahl abgestimmt werden. Allein in Deutschland dürften rund anderthalb Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln an der Wahl teilnehmen. Bei den vergangenen Wahlen stimmten hierzulande knapp 65 Prozent der Wähler*innen für Erdogan. Damit schnitt er in Deutschland deutlich besser ab, als im Gesamtergebnis, bei dem er auf etwa 53 Prozent der Stimmen kam.

Das Parlament

Bei der Wahl am 14. Mai werden auch die Mitglieder des türkischen Parlaments gewählt. Die "Großen Nationalversammlung" hat insgesamt etwa 600 Sitze. Erdogans islamisch-konservative AKP wird dort von der ultranationalen MHP, der rechtsextremen Splitterpartei BPP, sowie der islamistischen YRP in der "Volksallianz" unterstützt.

Die kemalistische sozialdemokratische CHP ist stärkste Oppositionskraft. An ihrer Seite tritt bei diesen Wahlen als "Sechser-Tisch" ein breites Bündnis an, das von der konservativen Iyi-Partei bis zu Mitte-Links-Parteien reicht. Zünglein an der Waage könnte die kurdische HDP werden, die zwar nicht zum Bündnis gehört, aber aller Wahrscheinlichkeit deren Kandidaten unterstützen würde.

Das Amt des Präsidenten

Spätestens seit der Reform 2018 vereint der türkische Präsident viel Macht in einem Amt. Die Einführung eines Präsidialsystems sorgte nämlich dafür, dass die Befugnisse des Parlaments deutlich eingeschränkt wurden, während der Präsident weit mehr Macht erhält. Bei der türkischen Opposition und auch im Ausland wurde dieser Schritt mit großer Sorge als Entwicklung in Richtung einer Autokratie wahrgenommen.

Der Präsident wird in der Türkei für eine Legislaturperiode von fünf Jahren gewählt. Normalerweise darf ein Präsident nur einmal zur Wiederwahl antreten. Die Regierung nutzte aber das Argument, Erdogan sei als erster Präsident im neuen Präsidialsystem 2018 gewählt worden, weshalb seine erste Amtszeit nicht anzurechnen sei.

Die Herausforderer

Kemal Kilicdaroglu gibt sich gerne volksnah. Hier macht er Selfies mit jugendlichen Fans am Mausoleum von Mustafa Kemal Ataturk dem Gründer der modernen Türkei. (Bild: REUTERS/Cagla Gurdogan)
Kemal Kilicdaroglu gibt sich gerne volksnah. Hier macht er Selfies mit jugendlichen Fans am Mausoleum von Mustafa Kemal Ataturk dem Gründer der modernen Türkei. (Bild: REUTERS/Cagla Gurdogan)

Kemal Kilicdaroglu ist ein erfahrener Politiker, der es als nüchterner Bürokrat geschafft hat, sich einen tadellosen Ruf über Parteigrenzen hinweg zu erarbeiten. Er gilt zwar nicht als besonders charismatisch, konnte aber dafür sorgen, die mitunter heftig zerstrittenen Bündnisparteien beieinander zu halten. Der 74-Jährige sitzt seit 21 Jahren im Parlament und führt die Opposition bereits seit 13 Jahren an. Während der Kandidatensuche setzte er sich gegen die populären Alternativen der Bürgermeister von Ankara und Istanbul durch, die beide ebenfalls der CHP angehören.

Kemal Kilicdaroglu: Wer ist der Politiker, der Erdogan herausfordert?

Einen unerwarteten dritten Bewerber gibt es zusätzlich seit wenigen Wochen. Der Populist Muharrem Ince will ebenfalls zur Wahl antreten. Zwar spielt er in den Umfragen kaum eine Rolle, könnte aber dennoch dafür sorgen, dass keiner der anderen beiden Präsidentschaftskandidaten die notwendigen 50,1 Prozent erhält, um eine Stichwahl zu vermeiden.

Die Umfragewerte

In nahezu allen Umfragen liegt Herausforderer Kilicdaroglu vor dem Amtsinhaber Erdogan. Mitunter beträgt sein Vorsprung deutliche fünf bis zehn Prozentpunkte. Allerdings schafft er es momentan nicht mehr wie noch in den Vorwochen, die 50-Prozent-Hürde zu knacken, was daraufhin deuten würde, dass über die Präsidentschaft in einer Stichwahl entschieden werden müsste.

Statistik: Türkei:
Statistik: Türkei:

Bei den Wahlen für die "Große Nationalversammlung" liegt je nach Medium Erdogans "Volksallianz" oder der "Sechser-Tisch" vorne. Auch bei den einzelnen Parteien liefern sich AKP und CHP ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide liegen laut der neuesten Umfragen dreieinhalb Wochen vor der Wahl bei etwa 31 Prozent. Die linke HDP käme momentan auf knapp zehn Prozent der Stimmen.