Aachener, Galeria, Scotch & Soda - Große Firmen fliehen aus Städten, Aldi und Lidl zoffen sich um die Filialen

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Ein leerstehendes Ladengeschäft ist in der Innenstadt von Villingen-Schwenningen zu sehen.Philipp von Ditfurth/dpa

Viele Innenstädte leiden unter Leerstand. Geschäfte schließen, Unternehmen wandern ins Internet ab. Die beiden Erzrivalen Aldi Süd und Lidl wittern ihre Chance - und gehen ungewöhnliche Partnerschaften ein. Das verändert auch das Einkaufsverhalten der Kunden.

Die deutschen Innenstädte stecken in einer tiefen Krise. Tausende Einzelhandelsgeschäfte haben in den vergangenen Monaten geschlossen, Leerstände sind unübersehbar. Und es kommt noch schlimmer: Weitere Schließungen werden bald weitere große Lücken reißen.

Schuld daran ist der schwächelnde Einzelhandel, der zu einer regelrechten Pleitewelle führt. Beispiele gibt es genug: die dritte Galeria-Pleite, das Aus von Schuhdiscounter Reno, die Insolvenz von Aachener und die vielen Umstrukturierungen bei Scotch & Soda, Sør oder Wöhrl. Die Folge der schlechten Entwicklung? Immer mehr Leerstand in den deutschen Städten.

Die Zahlen sind alarmierend: Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ist die Leerstandsquote in zentralen Erdgeschosslagen der Innenstädte in den vergangenen zwei Krisenjahren um bis zu zehn Prozent gestiegen. Und 2024 hat sich die Lage nicht gebessert. Die Menschen sparen - große Einkäufe in der Stadt, das macht kaum noch jemand.

Entsprechend verdichtet sich der Leerstand immer mehr. Doch es gibt Hoffnung für die Städte.

Discounter drängen ins Stadtzentrum

Denn trotz der angespannten Situation gibt es einen harten Wettbewerb um die besten Standorte. Allen voran sind hier die Discounter Aldi Süd und Lidl zu nennen. Wie der Branchendienst Lebensmittel Zeitung in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, soll Lidl in mehrere Galeria-Filialen einziehen und die Kunden der Warenhauskette mit Lebensmitteln versorgen. Galeria befindet sich in den begehrtesten Innenstadtlagen mit bester Verkehrsanbindung.

Der Deal sei aber noch nicht in trockenen Tüchern, schreibt die Zeitung. Offenbar geht es um 15 von insgesamt 83 Galeria-Filialen, die nach der dritten Insolvenz in Folge weiterbetrieben werden sollen. Galeria ließ eine Anfrage der Zeitung unbeantwortet. Lidl bestätigte nur lapidar, man prüfe „grundsätzlich alle verfügbaren Standorte, egal ob im ländlichen Raum oder in attraktiven Innenstadtlagen“. Kein Einzelfall! Auch Aldi Süd und Aldi Nord sind nach Informationen von FOCUS online offenbar an einigen Filialen interessiert.

Die Rewe-Gruppe interessiert sich dafür, Supermärkte in Filialen von Galeria zu eröffnen. Das Unternehmen befinde sich dazu aktuell in Gesprächen und Verhandlungen mit den Eigentümern der Immobilien, bestätigte ein Sprecher Anfang Mai gegenüber FOCUS online.

Aber nicht nur die Galeria-Filialen stehen im Fokus. Die Discounter blicken vor allem für Standorte in der Nähe von Hauptbahnhöfen, Busbahnhöfen oder zentralen U-Bahn-Stationen. Das bestätigen Immobilienmakler übereinstimmend auf Anfrage von FOCUS online. Dort, wo sich noch vor wenigen Jahren Modeboutiquen, Juweliere und Schuhgeschäfte aneinanderreihten, streiten sich Aldi und Lidl um die besten Plätze.  „Es gibt einen regelrechten Kampf um die besten Lagen“, sagt eine Maklerin, die kürzlich eine ehemalige Gravis-Filiale an einen Discounter vermietet hat.

Lange Zeit waren solche Lagen für Discounter praktisch tabu, weil die Mieten zu hoch waren. Doch mit dem Strukturwandel im Modehandel und der Corona-Krise hat sich das geändert.

Darum kaufen so viele Menschen bei den City-Filialen ein

Auf den ersten Blick wirken sie unscheinbar: die City-Filialen von Aldi, Lidl und Co. Doch wer genauer hinschaut, erkennt schnell das clevere Konzept dahinter. Kleinere Läden, weniger Sortiment, keine Parkplätze und Einkaufswagen - was nach vielen Nachteilen klingt, ist für viele Menschen eher ein Vorteil. Denn hier geht es nicht um den großen Wocheneinkauf, sondern um den schnellen Zugriff auf die wichtigsten Produkte des täglichen Bedarfs.

Und je häufiger Verbraucher dort einkaufen, desto besser.  „Die Kunden sollen öfter in den Filialen einkaufen“, verrät ein Aldi-Insider. Wer nach Feierabend oder auf dem Heimweg noch schnell ein paar Dinge braucht, findet in den City-Filialen genau das, was er sucht: Schnelldreher - Produkte, die jeder und immer braucht. Eröffnet in der Nähe auch ein Drogeriemarkt, baut man sich schrittweise eine Stammkundschaft auf.

Die Ladenflächen sind zwar teurer als bei den klassischen Aldi-, Lidl- oder Penny-Märkten, dafür sind solche Filialen aber auch Kundenmagneten. Pendler und Bummler können auf dem Nachhauseweg ihren Tages- und Wocheneinkauf erledigen. Rewe macht mit seinen kleineren Rewe-City-Märkten seit rund zehn Jahren gute Erfahrungen. Aldi Süd, Aldi Nord und Lidl experimentieren erst seit knapp fünf Jahren damit - mit großem Erfolg.

Sind die City-Filialen günstiger oder teurer als klassische Supermärkte?

Große Preisunterschiede gibt es kaum.

Vielmehr wird das Sortiment zur Umsatzsteigerung genutzt. Verkaufen sich bestimmte Produkte nicht oder nur schlecht, werden sie direkt aus dem Sortiment genommen. „Bei den kleinen Stadtfilialen sieht man ganz gut, welche Produkte sich bei Aldi, Lidl und anderen verkaufen", sagt ein Marktbeobachter.

Für die Supermarkt- und Discounterketten lohnt sich das in jedem Fall. Bei Rewe finden Kunden ausschließlich die teuerste oder die günstigste Marke eines Produkts. Im mittleren Preisbereich finden Kunden dort kaum, denn Ziel ist es auf kleiner Fläche, so viel Ware wie nur möglich anzubieten.

Noch spannender ist die Preisgestaltung bei Edeka und Rewe: Beide Ketten werden von Kaufleuten geführt, die die Preise oft individuell festlegen. Das kann dazu führen, dass bestimmte Bestseller wie Milch, Brot oder Butter teurer verkauft werden als in den klassischen Läden am Rande der Stadt.