Analyse: Was sorgt für den Aufschwung rechter Parteien in Europa?

Bei Wahlen in europäischen Ländern schält sich derzeit ein Trend heraus: Rechte Parteien haben mehr Erfolg als früher, während linke und liberale Parteien stärker unter Druck geraten. An ihnen entlädt sich die Kritik der aktuellen Probleme.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Führungsriege der rechtspopulistischen Partei
Die Führungsriege der rechtspopulistischen Partei "Die Finnen" beim Blick auf die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom Sonntag (Bild: REUTERS/Essi Lehto)

Es ging schon im vergangenen Jahr los. Die Faschistin Giorgia Meloni hatten nur wenige Anfang 2022 auf der Rechnung, aber im Herbst gewann die Vorsitzende einer eigentlichen Splitterpartei die Parlamentswahl in Italien. In Schweden kletterten die nationalistischen und rassistischen Schwedendemokraten in der Wählergunst enorm. Und in Umfragen standen schon im vergangenen Jahr die österreichische FPÖ und der französische Ex-Front National stabil da – trotz Korruptionsaffäre in Wien und Selbstzerfleischungen in Paris. Aber das Gepolter, der Mangel an Lösungen und die faschistischen Biografien schreckten auch nicht Rom und in Stockholm ab.

Watschn für die Sozialdemokratie

Nun musste am vergangenen Sonntag die finnische Ministerpräsidentin von den Sozialdemokraten ihre Niederlage eingestehen; welche Koalition die Regierung bilden wird, ist noch unklar, eine Beteiligung der Sozialdemokraten nicht ausgeschlossen. Aber eine Watschn war es erstmal.

Auch in Bulgarien hat sich der reformerische Premierminister am vergangenen Sonntag nicht auf Anhieb durchgesetzt, obwohl er mit Abstand die meiste Kompetenz und die wenigste Korruptionsanfälligkeit in sich vereint.

In Niederösterreich bildeten die Christdemokraten mit der rechten FPÖ vor kurzem eine Regionalregierung. In Ungarn baut der Rechtspopulist Victor Orbán seinen Staatsklau aus und mobbt gerade deutsche Firmen aus dem Land. Und in Polen mobilisiert die Regierung aus ähnlichem Holze Demos, um gegen Ermittlungen zu möglichen Verfehlungen des früheren Papstes zu agitieren – Johannes Paul II. soll auf einem Auge blind für Missbrauchsfälle gewesen sein; eine reine Spiegelfechterei des Warschauer Kabinetts, das damit von anderen Problemen ablenken will.

Aber: Bisher scheinen diese Taktiken zu verfangen. Was macht den Erfolg der rechten Parteien aus?

Natürlich muss von Land zu Land geschaut werden, die Gründe für Wahlergebnisse sind immer regional geprägt. Aber es lässt sich schon herauslesen, dass die aktuellen Regierungen in Europa, die mehrheitlich liberal bis sozialdemokratisch geprägt sind, viel mit Krisenmanagement zu tun hatten – und die Probleme fallen ihnen nun zum Teil vor die Füße.

Woher kommt der Erfolg der Rechten?

Da ist der Ukrainekrieg und die damit einhergehende Wirtschaftskrise durch die Inflation; keine Schuld der jeweiligen Regierungen, aber jede Unzufriedenheit sucht sich ihren Weg.

Da war die Coronapandemie mit ihren Einschränkungsmaßnahmen, die zwar im Nachhinein als generell richtig einzustufen sind, aber dennoch auch für viel Frust sorgten.

Und da sind die Fluchtbewegungen seit 2015, die auch Europa erreichten. Größtenteils Erfolgsgeschichten bei der Einwanderung, aber eben sichtbare Zeichen einer Veränderung der Gesellschaften. Migration ist leicht als Problem darstellbar, da fällt der erste Bürgermeister Deutschlands, der als Syrer 2015 ins Land kam, weniger auf.

Was sind die Probleme im Land?

Auch hat sich die Rhetorik zu Gunsten rechter Parteien verändert. Wofür man sich vor 20 Jahren beim Gedanken noch schämte, wird heute munter herausposaunt. Rechte Parteien schwingen sich da als Freiheitsbewahrer auf. Meist betrifft dies Symbolthemen wie Gendern. Damit regiert man kein Land. Aber es lässt sich so tun, als drehe man an der Uhr und lasse die guten alten Zeiten wieder zurückticken. Zwar Quatsch. Aber effektiv im Erhaschen von Aufmerksamkeit.

Im Video: Finnlands Regierungschefin Marin räumt Niederlage bei Parlamentswahl ein

Und so kommt es, dass die finnische Ministerpräsidentin überall Bestnoten bekommt, auch im eigenen Land, aber den regierenden Sozialdemokraten vorgeworfen wird, dass sie die Straßenkriminalität nicht in den Griff kriegen würden; das sticht dann im Zweifel das unsichtbarere Krisenmanagement wegen Russland, Inflation und Wirtschaft. Und der bulgarische Premierminister kämpft zwar herausragend gegen die Vetternwirtschaft im Land, muss aber auch die Grenzen seiner Betätigungsmöglichkeiten anerkennen. Er verheddert sich.

Hoffnung setzt zuweilen auf Wechsel

Für rechte Parteien boten sich in den vergangenen Jahren viele Möglichkeiten, gegen den jeweiligen Zentralstaat zu wettern. Immer konnte ein Schuldiger entworfen werden. So scheint es, dass das Wählervertrauen derzeit mehr nach rechts wandert.

Das macht die Demokratie aus. Die liberalen bis sozialdemokratischen Regierungen haben in schwierigen Schattenzeiten insgesamt einen guten Job gemacht, aber die Schatten werden sie schlechter los als jene, die im Sonnenlicht der Opposition stehen und meckern. Und dann sind rechte Regierungen am Ruder, müssen sich beweisen. Es wäre keine Überraschung, wenn diese Wellenbewegung sich bald umkehren würde und die Suche neu beginnt: Nach einer Politik, die Lösungen hat.