Antarktisches Bodenwasser schrumpft: Forschende sind alarmiert

Das eisige Wasser in den Tiefen der Meere spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung der weltweiten Strömungen. Das Problem: Das sogenannte Antarktische Bodenwasser schrumpft.

Winde treiben frisch gebildetes Eis auseinander. So kann neues Eis entstehen. Bleiben die Winde aus, entsteht weniger Eis.
Winde treiben frisch gebildetes Eis auseinander. So kann neues Eis entstehen. Bleiben die Winde aus, entsteht weniger Eis. Und dadurch auch weniger Antarktisches Bodenwasser. Foto: Symbolbild / gettyimages

Antarktisches Bodenwasser ist, der Name lässt es vermuten, sehr kalt. Es kommt vor allem in den Tiefen des Südpolarmeeres vor. Dort füllt es rund vier Kilometer unter dem Meeresspiegel riesige Ozeanbecken.

Es wird vor allem aus Oberflächenwasser im südöstlich von Feuerland gelegenen Weddelmeer gebildet. Das läuft so ab: Während des Winters kommt es zu Meereisbildung. Das enthält weniger Salz als das umliegende Wasser, wo der Salzgehalt daher steigt und seine Dichte zunimmt. Das Wasser wird schwerer und sinkt hinab – als frisches Antarktisches Bodenwasser.

20 Prozent weniger eisiges Tiefenwasser

Der Vorgang treibt die weltweiten Meeresströmungen mit an und versorgt die Tiefen des Meeres mit Sauerstoff. Wie wichtig das ist, beschreibt das Forschungsinstitut Geomar so: "Die Bildung von Tiefenwasser stellt eine wichtige und empfindliche Stellschraube im ganzen Klimasystem dar."

Das Problem: Genau dieser Vorgang gerät offenbar ins Stocken. Wie eine aktuelle Studie des British Antarctic Survey (BAS), des britischen Polarforschungsprogramms, zeigt, gibt es immer weniger Antarktisches Tiefenwasser. Demnach schrumpfte sein Volumen in den vergangenen 30 Jahren um über 20 Prozent.

Meere puffern den Klimawandel

"Das kann weitreichende Folgen haben." So wird Alessandro Silvano in einer Pressemitteilung zitiert, die die Studie begleitet. Silvano ist Ozeanograph und Teil des Autor*innen-Teams. Er sagt: "Folgen können sein, dass die Meere immer weniger CO2 aufnehmen und die Tiefsee weniger mit Sauerstoff versorgt wird. Letzteres würde sich auf die Ökosysteme in den Tiefen auswirken."

Welche Rolle die Weltmeere beim Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel spielen, zeigen die folgenden Zahlen im IPCC-Bericht: Die Meere haben mehr als 90 Prozent der Wärme und etwa 30 Prozent des CO2 absorbiert – beides sind Folgen fossiler Emissionen seit der Industrialisierung. Die Meere fungieren also als wichtiger Puffer. Sie haben entscheidenden Anteil daran, dass die Welt durch den Klimawandel nicht viel stärker verändert wurde.

Fehlende Winde sind wohl verantwortlich

Vor allem die Geschwindigkeit der Abnahme des Tiefenwassers überrascht die Forschenden. Silvano sagt: "Wir dachten lange, dass solche Veränderungen über Jahrhunderte laufen. Doch unsere Messungen zeigen, dass wenige Jahrzehnte ausreichen."

Das Antarktische Bodenwasser wird seit 1989 sehr engmaschig untersucht. Das BAS misst alle ein bis zwei Jahre seinen Zustand, somit lässt sich mit der Zeit die Entwicklung sehr genau nachvollziehen. Die Forschenden vermuten, dass der Grund für die Abnahme in fehlenden Winden über dem Weddelmeer liegen. Dort herrschen eigentlich starke Winde, die an der Meeresoberfläche frisch gebildetes Eis wegschieben. Dadurch kann wärmeres Wasser an der Stelle aufsteigen, abkühlen und ebenfalls gefrieren. Fehlt der Wind, wird nicht nur weniger Eis gebildet. Dadurch entsteht auch weniger stark salzhaltiges Wasser, das auf den Meeresboden sinken und zu Antarktischem Bodenwasser werden kann.

Natürliches Klimaphänomen

Die Abnahme des Windes über dem Weddelmeer ist eine Folge von Veränderungen globaler Winde und Oberflächentemperaturen. Das wiederum lässt sich zumindest zum Teil, schreibt das Autor*innen-Team, mit der sogenannten Pazifischen Dekaden-Oszillation erklären. Das ist ein regelmäßig wiederkehrendes Klimaphänomen und folgt einem natürlichen Zyklus.

Dazu sagt Shenjie Zhou, ebenfalls Autor der Studie des BAS: "Unsere Ergebnisse zeigen, wie empfindlich die Region im Weddelmeer auf Klimaveränderungen reagiert, die sowohl fernab als auch lokal stattfinden." Dadurch werde das komplexe Zusammenspiel zwischen Atmosphäre und Meereis verdeutlicht, das in den Klimamodellen richtig dargestellt werden muss. "Nur so können wir vorhersagen, wie die Region in Zukunft reagieren wird", schließt Zhou.