Geste ähnelt dem Schweigefuchs - Warum Eltern mit ihren Kindern über den türkischen „Wolfsgruß“ sprechen sollten

Eltern sollten mit ihren Kindern über den türkischen Wolfsgruß sprechen
Eltern sollten mit ihren Kindern über den türkischen Wolfsgruß sprechen

Es soll eine harmlose Geste sein, die Kinder daran erinnern soll, den Mund zu schließen und die Ohren zu spitzen: In vielen deutschen Klassenzimmern wird der „Schweigefuchs“ gezeigt. Allerdings ähnelt er dem „Wolfsgruß“ zum Verwechseln ähnlich.

Der „Schweigefuchs“, manchmal auch „Leisefuchs“ genannt, ist ein Handzeichen, das von vielen Grundschullehrerinnen- und -lehrern verwendet wird. Wird der Zeige- und der kleine Finger abgespreizt, Daumen, Mittel- und Ringfinger zu einem Kreis geformt, entsteht ein Handzeichen, das einem Fuchs ähnelt, und das Kinder daran erinnern soll, im Klassenraum leise zu sein – ohne dass jedes Mal verbal darauf hingewiesen werden muss.

Doch offenbar ähnelt der „Schweigefuchs“ dem sogenannten „Wolfsgruß“, einem Erkennungszeichen der als rechtsextrem geltenden türkischen Gruppierung „Graue Wölfe“. Aus diesem Grund warnt der Lehrerverband jetzt vor Verwechslungsgefahr:

Demiral zeigte den doppelten  „Wolfsgruß“

Nachdem der türkische Nationalspieler Merih Demiral beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem Treffer in Leipzig mit beiden Händen das Handzeichen und Symbol der „Grauen Wölfe“ geformt hatte und dafür für einen Eklat sorgte, müssten Lehrkräfte dafür sensibilisiert werden, dass eine Verwechslungsgefahr mit dem „Schweigefuchs“ bestehe, sagte Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.

Es sei nötig, Kolleginnen und Kollegen auf die Verwechslungsgefahr aufmerksam zu machen, „sodass sie Missverständnissen vorbeugen können und nachvollziehen können, wenn Kinder oder Eltern mit Fragen dazu auf sie zukommen“, sagte Düll. Werde der „Schweigefuchs“ weiterhin verwendet, sei es nötig, seine Bedeutung im Rahmen der Schule zu erläutern.

Ein Verbot des Symbols gibt es bislang nicht, doch Döll erinnert daran, dass es gute Alternativen gebe, um Kinder zur Ruhe zu bringen. Im Zweifelsfall solle der „Schweigefuchs“ lieber nicht mehr gezeigt werden: „Wir plädieren dafür, dass dabei auf die Sicht von Kindern oder Eltern, die das Handzeichen problematisch finden, Rücksicht genommen und der Schweigefuchs dann nicht eingesetzt wird“, sagte Düll gegenüber der „Zeit“.

Eltern sollten mit ihren Kindern über das Symbol sprechen

Die Entscheidung bleibt damit zunächst den Lehrkräften überlassen. Doch Eltern könnten die Gelegenheit nutzen, um ihre Kinder für das Thema zu sensibilisieren und in kindgerechten Worten zu erklären, warum ein Handzeichen von manchen Menschen als verletzend empfunden werden kann und warum es wichtig ist, die Gefühle und Sichtweisen unterschiedlicher Personen zu respektieren. Vielleicht werden die Kinder sogar kreativ und überlegen sich ein neutrales Symbol, dass statt dem Schweigefuchs in ihrem Klassenzimmer eingesetzt werden könnte.

Ganz neu ist das Thema nicht: Bereits 2018 hat das Kultusministerium in Stuttgart dazu geraten, in baden-württembergischen Klassenzimmern auf das Handzeichen zu verzichten, nachdem Eltern darauf hingewiesen hatten, dass die Geste missverstanden werden könnte – insbesondere von Kurden, die sie als Provokation empfinden.

Wer die „Grauen Wölfe“ sind

Durch die aktuelle Aufregung um Nationalspieler Demiral erhält es nun erneut Brisanz. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung habe die UEFA den Abwehrspieler der türkischen Nationalmannschaft wegen seines „Wolfsgruß“ für zwei Spiele gesperrt. Der türkische Verband dementiert jedoch die Sperre.

Der Eklat hatte diplomatischen Spannungen zur Folge. Nach der Einberufung des deutschen Botschafters in Ankara bestellte das Auswärtige Amt am Donnerstag den türkischen Abgesandten zum Rapport ein. Das türkische Außenministerium hatte die Untersuchung der UEFA verurteilt und als inakzeptabel bezeichnet. Nicht jede Person, die das Zeichen der Grauen Wölfe zeige, könne als rechtsextremistisch bezeichnet werden. Der Wolfsgruß sei in Deutschland zudem nicht verboten.

Als „Graue Wölfe“ werden die Anhänger der als rechtsextrem geltenden „Ülkücü-Bewegung“ bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Dieser will für das Viertelfinale zwischen Niederland und Türkei nach Berlin ins Stadion kommen.

Auch in Deutschland finden sich Vertreter der „Grauen Wölfe“. Laut Verfassungsschutz gehören ihr mehr als 12.000 Menschen an.