Es gibt keine Belohnungspläne für das Melden illegaler Immigranten in Frankreich oder Deutschland

Um illegale Migration werden immer wieder hitzige Debatten geführt. In französischsprachigen Ländern in Afrika verbreitete sich die Falschbehauptung, wonach ein neues französisches Gesetz finanzielle Belohnung für jeden vorsehe, der einen illegalen Migranten melde. Die Urheberinnen und Urheber dieser Veröffentlichungen behaupteten auch, dass diese Maßnahme bereits in Deutschland angewendet werde. Derartige Behauptungen sind jedoch falsch und wurden sowohl von der französischen als auch von der deutschen Regierung sowie von der Europäischen Union dementiert.

Die virale Behauptung ist in einer Video-Montage verpackt, in der eine Stimme verkündet, dass es eine "Belohnung von 7500 Euro für jede Person, die einen illegalen Einwanderer meldet" gebe. Laut den Urheberinnen und Urhebern dieser Behauptung soll diese Maßnahme durch ein bevorstehendes Gesetz umgesetzt werden.

Das Video wurde auf Tiktok (hier und hier), aber auch auf Facebook (hier und hier) sowie auf X häufig geteilt.

<span>TikTok-Screenshot der Behauptung: 16. Mai 2024 </span>
TikTok-Screenshot der Behauptung: 16. Mai 2024

Die Bilder des Videos lassen einen glauben, dass dieses angebliche Gesetzesvorhaben aus Frankreich stamme. Beispielsweise ist Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtspopulistischen Rassemblement National – die größte Oppositionspartei der französischen Nationalversammlung – zu sehen. Ein anderes Bild zeigt Männer in Uniformen der französischen Polizei auf einem Bahnsteig in Menton, einer Stadt im Südosten Frankreichs nahe der italienischen Grenze.

Aber diese Information über ein Gesetzesvorhaben, das eine Belohnung für Meldungen vorsieht, "ist falsch", erklärt der Pressedienst des französischen Innenministeriums gegenüber AFP.

Die Stimme, die in dem Video zu hören ist, behauptet auch, dass in Deutschland "dieses Gesetz bereits eingeführt wurde, da das Land beschlossen hat, strenge Maßnahmen gegen illegale Einwanderer zu ergreifen".

"Es handelt sich um eine falsche Information", reagierte der Sprecher des deutschen Innenministeriums, als er am 15. Mai von der AFP kontaktiert wurde.

"Auf europäischer Ebene gibt es keine Gesetzgebung und auch kein Gesetzesvorhaben, das solche Maßnahmen vorsehe", betonte Rose Kane, Sprecherin der Delegation der Europäischen Union im Senegal, wo die Falschinformation von AFP überprüft wurde.

Diese Falschbehauptung wurde vor allem in Frankreich und in französischsprachigen Ländern Afrikas wie in Kamerun, der Elfenbeinküste und in Benin weit verbreitet. Sie inspirierte sogar einen kamerunischen Comedian, der sich in die Rolle eines illegalen Einwanderers versetzte und sich dann bei der Polizei meldete, um die Belohnung von fünf Millionen CFA-Francs zu kassieren und in sein Herkunftsland zurückzukehren.

Behauptungen über eine angebliche finanzielle Belohnung für diejenigen, die illegale Immigrantinnen und Immigranten melden, tauchen tatsächlich immer wieder in sozialen Netzwerken auf. Letztes Jahr überprüfte der französische Fernsehsender TF1 ein falsches Gerücht, das eine Belohnung von 50 Euro für diejenigen ankündigte, die eine Person mit illegalem Aufenthaltsstatus melden.

Migration in die EU

In der Video-Montage, in welcher Falschinformation über ein angebliches Gesetzesvorhaben verbreitet wird, werden auch Zahlen und Daten zu Migration angegeben, die ebenfalls von AFP überprüft wurden. Beispielsweise wird behauptet, dass "die Zahl der illegalen Einreisen nach Europa im Jahr 2023 um 17 Prozent gestiegen" sei – was nach einer Recherche auf der Website von Frontex, der europäischen Grenzschutzagentur, tatsächlich bestätigt werden kann.

Die Zahl der illegalen Einreisen in die EU umfasste 2023 insgesamt 380.000 Personen, "dies ist das höchste Niveau seit 2016 und eine Steigerung von 17 Prozent gegenüber den Zahlen von 2022", so die Agentur in einer Anfang 2024 veröffentlichten Mitteilung.

Außerdem wird in dem Video behauptet, dass "sich in mehreren Ländern [der EU] der Ton verschärfe" und es wird hinzugefügt, dass die "Möglichkeiten, Wohnungen und Unterkünfte zu durchsuchen, erweitert werden sollen".

In Deutschland ist dies tatsächlich der Fall. Ein Artikel des am 27. Februar 2024 verabschiedeten Rückführungsverbesserungsgesetzes erweitert die Möglichkeit, die Wohnungen und die  "dort befindlichen Gegenstände nach Dokumenten zu durchsuchen, die für die Feststellung seiner Identität und Nationalität sowie für die Durchsetzung einer Abschiebung in einen anderen Staat wichtig sein könnten", bestätigte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums gegenüber AFP.

Auch in Frankreich enthält das im Januar 2024 verabschiedete Einwanderungsgesetz zwei Artikel mit ähnlichen Bestimmungen:

Es handelt sich um die Artikel L733-7 und L733-8, die insbesondere festlegen, dass "der Richter für Freiheitsbeschränkungen und Inhaftierungen (...) die Durchsuchung der Wohnung eines Fremden zum Zweck der Suche und Sicherstellung von Dokumenten, die seine Nationalität belegen", autorisieren kann, falls "der Fremde absichtlich die Durchführung einer Abschiebungsentscheidung behindert“ oder "dass er zu den Konsularbehörden seines Landes gebracht wird".

Strenge Maßnahmen und Gesetze

<span>Abstimmung im EU-Parlament am 10. April 2024 über eine umfassende Neufassung der EU-Einwanderungsgesetze </span><div><span>JOHN THYS</span><span>AFP</span></div>
Abstimmung im EU-Parlament am 10. April 2024 über eine umfassende Neufassung der EU-Einwanderungsgesetze
JOHN THYSAFP

 

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben im Mai eine umfassende Reform der Migrationspolitik verabschiedet, die die Kontrollen der Ankünfte an den Außengrenzen verschärft und ein Solidaritätssystem zwischen den 27 Staaten einführt.

Konkret sieht diese Reform die "Filterung" der Migrantinnen und Migranten an den EU-Außengrenzen vor, um sie zu identifizieren und schneller zwischen denjenigen zu unterscheiden, die eine Chance auf Asyl haben, und denen, die in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden sollen. Diese Reform etabliert auch einen Solidaritätsmechanismus zwischen den 27 Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Asylsuchenden.

Keineswegs sieht diese Reform jedoch eine finanzielle Belohnung für die Meldung einer Person mit illegalem Aufenthaltsstatus vor – wie in den zehn vom EU-Rat verabschiedeten Rechtsakten recherchiert wurde (hier einsehbar).

Dieses umfangreiche Paket von zehn Gesetzen, das über Jahre hinweg hart verhandelt wurde, wurde vom Rat der EU, also der Vertretung der Mitgliedstaaten, weniger als einen Monat vor der Europawahl 2024 – bei der bereits die Umfragen einen Anstieg der migrationsfeindlichen Parteien vorhersagten – formal verabschiedet

Neben dieser Reform, die 2026 in Kraft treten wird, schließt die EU umstrittene Abkommen mit den Herkunfts- und Transitländern (Tunesien, Mauretanien, Ägypten) der geflüchteten Menschen ab, um die Zahl der Ankünfte an den Außengrenzen der EU zu reduzieren.

Fazit: Behauptungen über finanzielle Belohnungen für das Melden illegaler Immigranten in Frankreich oder Deutschland sind falsch – weder gibt es dafür eine gesetzliche Grundlage noch ist ein derartiges Gesetz geplant.