Im grün-regierten Baden-Württemberg - Mit Doppel-Strategie bekämpft Abschiebe-Taskforce kriminelle Ausländer

Zwei Polizeibeamte eskortieren einen Afghanen auf dem Flug von Leipzig nach Kabul in einem Charterflugzeug.<span class="copyright">Michael Kappeler/dpa</span>
Zwei Polizeibeamte eskortieren einen Afghanen auf dem Flug von Leipzig nach Kabul in einem Charterflugzeug.Michael Kappeler/dpa

Baden-Württemberg geht neue Wege beim der Abschiebung von Kriminellen. Der Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ arbeitet daran, ausländische Straftäter und Gefährder außer Landes zu bringen - mit Erfolg. Doch eine große Hürde steht den Experten noch im Weg.

Schon ein einziger Hasskommentar soll bald zur Ausweisung führen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigt ein härteres Vorgehen gegen Ausländer an, die Terrorakte verherrlichen. Die Maßnahme der SPD-Frau reiht sich ein in eine Vielzahl von Regierungserklärungen zum Thema Abschiebungen in der jüngsten Zeit.

Nach der Messerattacke des Afghanen Sulaiman A. in Mannheim, bei der der Polizist Rouven L. getötet und mehrere Menschen schwer verletzt wurden, hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Regierungserklärung davon gesprochen, Schwerverbrecher, Gefährder und Terrorverherrlicher abzuschieben, „auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“.

Doch die Realität ist komplizierter und passiert ist bisher wenig. Die von der Ampel forcierte Asylwende stockt noch. Wie es funktionieren kann, zeigt indes die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg.

Abschiebungen: Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ zeigt, wie es gehen kann

Seit 2018 arbeitet dort der Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ an komplexen Abschiebefällen. Siegfried Lorek, Staatssekretär im CDU-geführten Ministerium der Justiz und für Migration in Baden-Württemberg, betont dazu gegenüber FOCUS online: „Der Sonderstab Gefährliche Ausländer setzt alles daran, schwere Straftäter und Gefährder außer Landes zu bringen.“ 444 Straftäter und Gefährder konnten somit bisher abgeschoben werden.

Die Hauptprobleme, warum bereits geplante Abschiebungen scheitern, kennt man auch in Baden-Württemberg nur zu gut. Dies seien fehlende Identitäten, fehlende Reisedokumente sowie fehlende tatsächliche Rückführungsmöglichkeiten wie etwa Abschiebeflüge, erklärt ein Sprecher des ;Ministeriums gegenüber FOCUS online.

Bis Stichtag zum 30. April 2024 mussten 185.900 in Deutschland lebende Ausländer das Land verlassen, weil sie ausreisepflichtig waren. Bei weiteren 16.463 Personen wurde die Abschiebung vorläufig gestoppt, weil sie an der Klärung ihrer Identität nicht mitwirkten oder ihre Identität vorsätzlich falsch angegeben hatten. Um die Dimension zu verdeutlichen: Im Jahr 2023 hatten mehr als die Hälfte, nämlich 52,4 Prozent, der Personen, die erstmals einen Asylantrag stellten, keine Identitätsdokumente bei sich.

„Insbesondere eine fehlende Kooperationsbereitschaft ausreisepflichtiger Personen bei Feststellung ihrer Identität und Staatsangehörigkeit und teilweise auch die bewusste Verschleierung dessen sowie fehlende Kooperation der Heimatländer bei der Ausstellung von Rückreisedokumenten spielen hier eine Rolle“, sagt der Sprecher.

Sonderstab geht „auch neue Wege“

Hier setzt der Sonderstab an und konzentriert sich daher auf die Klärung der wahren Identität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, insbesondere der Auswertung von Datenträgern, „und geht dabei auch neue Wege“.

Dabei bearbeitet der Sonderstab „alle von der baden-württembergischen Polizei übermittelten Ausländer, die die Sicherheit unseres Landes gefährden“, so der Sprecher. Darüber hinaus erstellt das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA-BW) in Zusammenarbeit mit den regionalen Polizeipräsidien eine Übersicht über ausländische Mehrfach- und Intensivtäter mit Wohnsitz in Baden-Württemberg.

„Dabei werden insbesondere die Schwere der Straftat, die Anzahl der Straftaten sowie das Strafmaß berücksichtigt“, so der Sprecher. Diese Übersicht werde an den Sonderstab weitergeleitet. Schließlich werden Personen, die wiederholt oder schwer straffällig geworden sind, nach Kriterien des Ausländerrechts ausgewählt, um ihre Fälle genauer zu bearbeiten, so der Sprecher.

Neben der Zusammenarbeit mit der Polizei nutzt der Sonderstab auch Zugänge zu Justizvollzugsanstalten. Die Personen werden von der Justiz gemeldet und gegebenenfalls nach einer Einzelfallprüfung vom Sonderstab übernommen. Schließlich werden diese Fälle „mit Nachdruck einer Aufenthaltsbeendigung zugeführt“.

Sonderstab versucht Betroffene zur „freiwilligen“ Ausreise zu bewegen

Nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz muss eine Person abgeschoben werden, wenn sie nicht freiwillig ausreist, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Das Gesetz räumt einer Person in der Regel eine Frist von sieben bis 30 Tagen zur freiwilligen Ausreise ein, bevor sie abgeschoben wird.

Es besteht also eine klare Präferenz für die freiwillige Ausreise gegenüber der Abschiebung. In Baden-Württemberg unterstützen Programme diese freiwillige Rückkehr. Nach Auskunft des Sprechers gibt es dafür Beratungsstellen, die helfen und teilweise auch die Kosten für den Rückflug übernehmen oder finanzielle Anreize bieten. Diese Beratungsstellen seien oft bei kirchlichen Organisationen angesiedelt.

Ist eine Abschiebung jedoch aus bestimmten Gründen, wie etwa der aktuellen Situation in Afghanistan, nicht möglich, kommt der Sonderstab wieder ins Spiel und versucht durch Gespräche eine freiwillige Ausreise zu fördern.

Sonderstab als „Erfolgsmodell“

Der Schwerpunkt der Arbeit des Sonderstabs liegt also auf der mitunter komplizierten Identitätsklärung und der Förderung der freiwilligen Ausreise. Man wolle die für eine Abschiebung erforderlichen Maßnahmen initiieren und koordinieren, so der Sprecher. Hindernisse sollen abgebaut und Verfahren durch „Schnittstellenoptimierung" nachhaltiger und schneller gestaltet werden.

Im Sonderstab laufen also Informationen und Maßnahmen von Polizei, Verfassungsschutz, Ausländerbehörden, Justiz, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und weiteren Stellen des Bundes zusammen. Ein „Erfolgsmodell“, ist man im Ministerium überzeugt.

Inzwischen seien daher bei allen vier Regierungspräsidien im Land regionale Sonderstäbe eingerichtet worden, um landesweit eine noch schnellere Bearbeitung von Fällen zu gewährleisten, so der Sprecher.

Eine weitere Besonderheit: Zu allen Sonderstäben im Land sind Beamte der Landespolizei abgeordnet, „um die Zusammenarbeit mit der Polizei zu koordinieren und schwerpunktmäßig Maßnahmen zur Identitätsklärung zu ergreifen“.

„Jeder gelöste Fall ist ein Sicherheitsgewinn“

In Baden-Württemberg erhofft man sich durch die Arbeit des Sonderstabs zudem, die Akzeptanz für die Aufnahme von Menschen zu erhalten, „die zu uns kommen, weil sie in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten müssen“, erklärt der Sprecher.

Durch gezielte Maßnahmen gegen bestimmte Personengruppen soll langfristig die Sicherheit erhöht und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessert werden. Ziel sei es, deren Aufenthalt zu beenden, um die Sicherheit zu erhöhen.

„Jeder gelöste Fall ist ein Sicherheitsgewinn für die Menschen hierzulande“, sagt auch Staatssekretär Lorek. „Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien scheitern aber nach wie vor an der mangelnden Unterstützung des Bundes. Wir haben bereits mehrfach in Schreiben an die Bundesregierung auf die Dringlichkeit und die Sicherheitsgefahr für die Bevölkerung hingewiesen“, so der CDU-Politiker. „Die Bundesregierung muss ihre Arbeit machen, damit wir unsere machen können.“

Vor der Machtübernahme der Taliban sei es dem Sonderstab in mehreren Fällen gelungen, Menschen nach Afghanistan abzuschieben, sagt Loreks Ministeriumssprecher. Abschiebungen nach Afghanistan oder Syrien seien derzeit aber nicht möglich, weil der Bund den Vollzug nicht unterstützt. „Abschiebungen in diese Länder finden daher nicht statt.“

Kritik an der Bundesregierung

Das Ministerium fordert von der Ampelkoalition ein einheitliches Vorgehen, das die Bereiche Außenpolitik, Migrationspolitik und Entwicklungspolitik zusammen betrachtet und auch die wirtschaftspolitischen Interessen mit der Rückführung von ausreisepflichtigen Personen verknüpft.

Derzeit würden afghanische und syrische Staatsangehörige als Fälle von den Sonderstäben bearbeitet. „Diese sind vollziehbar ausreisepflichtig, können aber wegen der erforderlichen, aber fehlenden Mitwirkung des Bundes derzeit nicht abgeschoben werden“, so der Sprecher weiter.

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lägen bei diesen Personen keine Abschiebungsverbote vor, da keine unmenschliche Behandlung drohe, betont er. Eine Abschiebung wäre also rechtlich möglich. Bisher habe eine Abschiebung aber nicht stattfinden können, weil die Bundesregierung Abschiebeflüge nach Afghanistan bisher nicht unterstützt habe.