Kommentar von Hugo Müller-Vogg - In der Flüchtlingsfrage betreiben SPD und Grüne Wählertäuschung

Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres.<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres.Kay Nietfeld/dpa

In der Flüchtlingsfrage kann Kanzler Olaf Scholz und seine Ampel-Koalition nicht viel vorweisen. Von den angekündigten Abschiebungen „im großen Stil“ ist nichts zu erkennen. Doch wichtiger als Abschiebungen ist zu verhindern, dass jeder, der will, nach Deutschland kommen kann.

Man darf sich Olaf Scholz als zufriedenen Menschen vorstellen. Er sieht sich als den „wirtschaftsfreundlichsten Kanzler“ aller Zeiten, sieht keinen Anlass, das desaströse Abschneiden der SPD bei der Europawahl zu kommentieren, und behauptet, beim Thema Migration „einiges bewegt“ zu haben.

Nun macht es bekanntlich einen gewaltigen Unterschied, ob man tatsächlich zufrieden sein kann oder ob man nur so tut. In der Flüchtlingsfrage können Scholz und seine Ampel-Koalition jedenfalls nicht viel vorweisen.

Regierung muss verhindern, dass jeder nach Deutschland kommen kann

Von Abschiebungen „im großen Stil“, wie es der SPD-Politiker vor einem dreiviertel Jahr vollmundig angekündigt hatte, ist jedenfalls nichts zu sehen. Auch wirken seine Hinweise auf Versäumnisse der Vorgängerregierung nicht sehr glaubwürdig. Schließlich hat die SPD in der GroKo die Politik der weit geöffneten Grenzen Angela Merkels (CDU) stets unterstützt und gefördert.

Die Abschiebung von illegalen Zuwanderern ist für das Ansehen des Rechtsstaats wichtig, aber letztlich nicht entscheidend. Selbst wenn es gelänge, im gesamten Jahr 2024 die Zahl der Abschiebungen wie in den ersten vier Monaten um 30 Prozent gegenüber 2023 zu steigern, müssten lediglich 21.000 Illegale Deutschland verlassen. Im Vergleich zu mehr als 300.000 Ausreisepflichtigen ist das nicht viel.

Wenn die Regierung die Zahl der Zuwanderer deutlich und nachhaltig senken will, muss sie verhindern, dass jeder, der will, nach Deutschland kommen kann. Denn derzeit muss der Ankömmling nur „Asyl“ sagen, und schon wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit hier aufgenommen und versorgt.

Zuwanderung bringt Kommunen und Sozialsysteme an Belastungsgrenze

Das geschieht unabhängig davon, ob jemand zu Recht Asyl beanspruchen kann oder Anspruch auf Schutz nach der Genfer Konvention hat. Wer es erst einmal nach Deutschland geschafft hat, kann in der Regel auch bleiben.

Die Gewinne der AfD wie des ihr in Migrationsfragen geistesverwandten „Bündnis Sahra Wagenknecht“ haben auch bei der SPD die Einsicht reifen lassen, dass die deutschen Steuer- und Beitragszahler die in großem Stil praktizierte „Einwanderung ins Sozialsystem“ nicht länger hinnehmen wollen.

Zudem lässt sich nicht länger leugnen, dass die ungeregelte Zuwanderung die Kommunen wie die Sozialsysteme an die Grenzen der Belastbarkeit bringt. Ohnehin ist nicht jeder Zuwanderer „eine Bereicherung“, wie linksgrüne Gutmenschen lange Zeit schwärmten.

Bis Oktober sollen „konkrete Modelle“ entwickelt werden

Der ungeregelte Zustrom von Menschen, die bei uns in erster Linie ein besseres Leben suchen, lässt sich nur deutlich begrenzen, wenn diese Migranten erst gar nicht deutschen Boden betreten. Die Lösung heißt „Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten“.

Die Ministerpräsidenten der Länder und der Bundeskanzler sind sich darin einig, jedenfalls auf dem Papier. Beschlossen wurde deshalb, bis Oktober „konkrete Modelle“ für solche Lösungen zu entwickeln, um dann im Dezember darüber wieder zu verhandeln.

Zweifellos ist es aus vielerlei Gründen nicht einfach, Zuwanderer an der deutschen Grenze abzuweisen und sie in einen Drittstaat zu bringen, um dort ihren Asylantrag zu überprüfen. Da geht es nicht nur um rechtliche Fragen. Es müssen auch Staaten gefunden werden, die Deutschland dabei helfen, illegalen Migranten den Weg zu versperren.

Wenn jetzt davon die Rede ist, frühestens im Dezember über bestimmte „Modelle“ zu entscheiden, sieht das eher nach Verzögerungstaktik denn nach dem festen Willen aus, wirklich voranzukommen. Schließlich ist über die Drittstaaten-Lösung schon auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler im November 2023 gesprochen worden.

Die Ampel spielt in Sachen Zuwanderung auf Zeit

Es sieht auch ganz danach aus, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) eher als Bremserin statt als treibende Kraft tätig ist. Es war kein Zufall, dass von ihr berufene Sachverständige vor kurzem zu dem Ergebnis gekommen sind, eine Transit- oder Drittstaatenlösung wäre rechtlich nicht ausgeschlossen, aber nicht einfach und nur mit hohen Kosten umzusetzen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die Ampel spiele hier auf Zeit, weil die sie tragenden Parteien - auch hier - zerstritten sind. Die FDP ist für eine deutlich restriktivere Migrationspolitik.

Scholz hingegen muss Rücksicht auf den linken Flügel in der eigenen Partei nehmen. Wobei die sozialdemokratischen Kommunalpolitiker unter dem Druck der Verhältnisse für schärfere Maßnahmen eintreten, während linke Ideologen in der Bundestagsfraktion eher für Nichtstun plädieren.

Auf Seiten der Ampel fehlt der Wille, Nägel mit Köpfen zu machen

Die Grünen wiederum scheinen noch immer ihren Träumen von einer multikulturellen Idylle anzuhängen. Die Haltung, mit der Katrin Göring-Eckhart auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16 von den uns „geschenkten Menschen“ schwärmte, scheint Teil der Grünen-DNA zu sein.

Wenn der Kanzler und die Ministerpräsidenten von einer Verlagerung der Asylverfahren in andere Staaten sprechen, wecken sie gewisse Erwartungen - nicht zuletzt mit Blick auf die ostdeutschen Landtagswahlen im September. Doch scheint auf Seiten der Ampel der Wille zu fehlen, hier Nägel mit Köpfen zu machen.

Innenministerin Faeser hat noch keine 24 Stunden nach der Ministerpräsidentenkonferenz die Kooperation mit Drittstaaten als möglichen „Baustein der Migrationspolitik“ abgetan. Das wird ihrer Meinung nach „keinen großen Effekt zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen“ haben.

Wer so an die ganze Sache herangeht, sollte besser gleich sagen, dass er Asylverfahren außerhalb Deutschlands gar nicht will. Gewisse Erwartungen zu wecken, die man selber gar nicht erfüllen will, ist schlichtweg Wählertäuschung.

Dass die Bürger das nicht merken, sollten SPD und Grüne spätestens seit der Europawahl wissen. Zu spüren bekommen werden sie das - abermals - bei den ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst.