Kommentar: Muttertag & Vatertag – sollen wir es lieber bleiben lassen?

Eine Szene aus dem Muttertag des Jahres 2021 in Mexiko (Bild: REUTERS/Henry Romero)
Eine Szene aus dem Muttertag des Jahres 2021 in Mexiko (Bild: REUTERS/Henry Romero)

Für die einen ist es reiner Kommerz, für die anderen schmerzvolle Erinnerung. Muttertag und Vater- oder Herrentag können verschiedene Gefühle auslösen, und nicht alle sind gut. Dennoch gibt es gute Gründe, an dieser Tradition festzuhalten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als der Muttertag in Deutschland im Jahr 1923 eingeführt wurde, war er nicht von Frauenrechtlerinnen initiiert worden, sondern vom Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber. Damit war die Richtung vorgegeben und natürlich auch der Spott angelegt: Is doch alles nur Kommerz, oder?

Und dann der deutsche Faschismus, der brachte den Muttertag groß raus, weil er die Frauen als Gebärmaschinen für den Krieg und zum Putzen daheim missbrauchen wollte und sie verbrämend „heiligte“ – nach dem Motto: an 364 Tagen ordnest du dich hübsch unter, und an einem kriegste nen Strauß. Außer Spesen nichts gewesen.

Kein Wunder, dass die DDR den Muttertag nicht übernahm und stattdessen den Frauentag am 8. März ehrte. Komischerweise gab es aber den „Herrentag“, die Entsprechung zum „Vatertag“ im Westen, der hüben wie drüben von Saufgelagen entlang Bollerwagenrouten geprägt war. Übrigens standen die Vater- und Herrentage immer in unseliger Tradition, Tage des Übergriffs gegenüber Frauen zu sein; wenn schon tagsüber betrunken, dann…

…zum Glück nahm diese Tendenz stark ab. Vielleicht lernt der Mensch ja doch hinzu.

Was noch den Muttertag und seinen männlichen Pendant erschwert, ist die Erinnerung an Schmerzliches. Zum einen sterben Mütter und Väter einmal, und zwar in der Regel vor einem. Wer nicht mehr da ist, hinterlässt Leerstellen. Möchte man darauf förmlich hingewiesen werden, wenn man dann nicht einmal mehr gratulieren kann? Auch sind die Verhältnisse zwischen Kindern und Eltern oft nicht einfach, oft kein Friede, Freude, Eierkuchen. Manchem ist die Lust, sich bei Mutter und Vater für den Umstand der Geburt und des Aufziehens zu bedanken, gründlich vergangen. Es gibt Wunden. Manche tief, andere weniger, aber sie sind da. Und da dann noch förmlich aufgefordert werden, mit Blumen oder Pralinen im Arm eingeklemmt vorstellig zu werden? Es gibt genügend, worauf man verzichten könnte. Und die Erwartung, wenn auch unausgesprochen, schwebt ja stets im Raum. Dieser dann nicht zu genügen, bedeutet nur eine weitere Schippe Frust.

Warum dann also?

Also könnte man es doch sein lassen, oder? Für die Frauen gibt es den Frauentag, und die Herren/Väter – meine Güte, bei Rechten und Privilegien haben wir nicht wirklich ein Problem.

Dennoch. Ich finde, diese beiden Tagen tragen in sich einen Sinn. Das mag jede und jeder für sich persönlich anders sehen. Der Muttertag und der Vatertag sind Ausdruck eines besonderen Verhältnisses (auch wenn es zuweilen besonders schlecht geraten kann, aber unintensiv ist sowas mitnichten). Kinder haben ein Band zu ihren Eltern. Eine Aufmerksamkeit an diesen beiden Tagen ist nur ein kleiner Hinweis darauf, eine Wertschätzung. Es geht nicht um eine Bringschuld à la „Danke, dass Ihr mich geboren habt“, sondern um eine kleine Achtsamkeit.

Ein kleines Lächeln, schnell gezaubert

Denn wie sagt man so oft: Sag es mit Blumen. Da braucht es keine Worte zusätzlich. Schön sind sie auch. Das macht die ganze Geste schön, und gegen Schönheit ist wenig einzuwenden. Und wer den Kontakt zu den Eltern abgebrochen hat, wird immer gute Gründe dafür gehabt haben; danach bringt solch ein offizieller „Feiertag“ auch keine Turbulenzen mehr, die sich nicht handhaben ließen.

Bleibt der Schmerz ob Verstorbener. Den wünscht sich keiner. Aber aus dem Weg gehen kann man ihm eh nicht vollends. Es gibt ja noch die Geburtstage, Weihnachten mit all den Erinnerungen an früher – Anlässe, an einen Verlorenen zu denken, bieten sich immer. Dann vielleicht besser, sich dem zu stellen, einen Ort dafür zu finden. Das kann beim Wegpacken helfen. Oder Nerven zusammentragen und diese Tage ignorieren, was immer gutes Recht ist! Ich checke jetzt erstmal den Floristen in Wohnortnähe meiner Mutter.