Südafrika wählt ein neues Parlament - ANC muss um Mehrheit bangen

Südafrika hat in einer möglicherweise historischen Wahl ein neues Parlament gewählt. Der seit der ersten demokratischen Wahl regierende ANC könnte Umfragen zufolge bei der Abstimmung erstmals die absolute Mehrheit verpassen. (PHILL MAGAKOE)
Südafrika hat in einer möglicherweise historischen Wahl ein neues Parlament gewählt. Der seit der ersten demokratischen Wahl regierende ANC könnte Umfragen zufolge bei der Abstimmung erstmals die absolute Mehrheit verpassen. (PHILL MAGAKOE)

Südafrika hat in einer möglicherweise historischen Wahl ein neues Parlament gewählt. Der seit der ersten demokratischen Wahl regierende ANC könnte Umfragen zufolge bei der Abstimmung am Mittwoch erstmals die absolute Mehrheit verpassen. Rund 27,6 Millionen registrierte Wähler waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die endgültigen Wahlergebnisse werden voraussichtlich nicht vor dem Wochenende vorliegen.

Die Wahllokale öffneten um 07.00 Uhr und sollten um 21.00 Uhr schließen. Gewählt werden 400 Abgeordnete, die dann im Juni über den neuen Präsidenten des Landes entscheiden.

Umfragen zufolge könnte die Regierungspartei ANC erstmals seit der ersten demokratischen Wahl vor 30 Jahren die absolute Mehrheit im Parlament verlieren. Die Partei von Nationalheld Nelson Mandela kam in Umfragen zuletzt auf 40 bis 45 Prozent. Bei der Wahl 2019 erreichte der ANC 57 Prozent.

Der derzeitige Präsident und ANC-Vorsitzende Cyril Ramaphosa strebt eine zweite Amtszeit an. Nach der Stimmabgabe in seinem Heimatort Soweto im Südwesten Johannesburg zeigte sich Ramaphosa zuversichtlich. Er habe keine Zweifel, dass "das Volk einmal mehr sein Vertrauen in den ANC setzt", sagte der Präsident. "Die Menschen Südafrikas werden dem ANC eine starke Mehrheit geben."

Die hohe Arbeitslosigkeit, die schwache Wirtschaft, Korruption, Ungleichheit und ständige Stromausfälle führen jedoch dazu, dass sich viele Südafrikaner inzwischen enttäuscht von der Regierungspartei abwenden. Es bleiben Millionen anderer, die der ehemaligen Befreiungsbewegung trotz allem treu bleiben.

In Soweto, der inoffiziellen Hauptstadt des südafrikanischen Befreiungskampfs, warteten ältere Wähler bereits früh am Morgen vor einem Wahllokal. "Ich bin sehr aufgeregt, hier zu sein. Das ist der Grund, warum ich so früh aufgestanden bin", sagte die 76-jährige Agnes Ngobeni, ganz vorne in der Warteschlange stehend. Ihre Stimme werde sie für den ANC abgeben. "Es ist eine sehr alte Partei, die die ganze Zeit bei uns war. Ich mag die neuen Leute nicht", sagte Ngobeni.

Der 41-jährige Danveries Mabasa zeigte eine andere Meinung: "Ich will Veränderung", sagte er. "Wir haben keine Arbeit, kein Wasser, nichts funktioniert."

Insgesamt treten 51 Oppositionsparteien gegen den ANC an. Die Mitte-rechts-Partei Demokratische Allianz (DA) hofft, ihren Stimmanteil von 20 Prozent im Jahr 2019 noch zu erhöhen. Die DA ist vor allem bei der weißen Minderheit im Land beliebt und hat in der Provinz Western Cape mit dem beliebten Urlaubsziel Kapstadt ihre Hochburg.

Der Parteivorsitzende John Steenhuisen prophezeite, keine Partei werde eine absolute Mehrheit erlangen. "Das erste Mal nach 30 Jahren gibt es eine Chance auf Veränderung in Südafrika", sagte Steenhuisen nach der Stimmabgabe in seiner Heimatstadt Durban am Indischen Ozean.

Doch auch von links droht dem ANC Konkurrenz. Die linksradikale Partei EFF könnte der Regierungspartei wichtige Stimmen kosten. Die Partei von Ex-ANC-Funktionär Julius Malema lag Umfragen zufolge bei etwa zehn Prozent.

Mit Spannung wird das Abschneiden der neuen Partei MK des ehemaligen Präsidenten und ANC-Vorsitzenden Jacob Zuma erwartet. Zuma selbst wurde wegen einer Haftstrafe allerdings von der Wahl ausgeschlossen.

Die Wähler entscheiden am Mittwoch auch über die Zusammensetzung der neun Provinzversammlungen.

ma/ju