Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietmar Daichendt, Osteoporosespezialist - Osteoporose: Spezialist empfiehlt Vorsorgeuntersuchung ab 50

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietmar Daichendt, Osteoporosespezialist<span class="copyright">privat</span>
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietmar Daichendt, Osteoporosespezialistprivat

Osteoporose ist eine Erkrankung, bei der die Knochen geschwächt werden und dadurch brüchiger und anfälliger für Knochenbrüche sind. Im BUSINESS TALK sprechen wir mit Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietmar Daichendt, Facharzt für Osteoporose-Therapie am Osteoporosezentrum München, über Auslöser der Krankheit, Diagnoseverfahren und modernste Behandlungsmöglichkeiten.

Herr Prof. Dr. Daichendt, Sie sind Spezialist für Osteoporose-Diagnostik und Osteoporose-Therapie. Was sind die wichtigsten Auslöser für diese Krankheit?

Prof. Dr. Dietmar Daichendt: Die häufigsten Auslöser sind das Älterwerden und bei Frauen die damit einhergehende Menopause mit dem daraus resultierenden Hormonmangel – vor allem Östrogenmangel. Die zweithäufigsten Osteoporoseursachen sind Bewegungsmangel, schwache Muskulatur und ungesunde Ernährung.

Aber auch Stoffwechselerkrankungen (z. Bsp. Diabetes) und chronisch entzündliche Erkrankungen (z. Bsp. Rheuma) oder Medikamenteneinnahme können Osteoporose verursachen. Diese Formen nennt man dann „sekundär“, weil in diesen Fällen die Osteoporose die Folge einer anderen Erkrankung ist. Entsprechend muss dann die Grunderkrankung in die Therapie mit einbezogen werden, weswegen der Osteoporosespezialist auch mit anderen Fachgebieten der Medizin gut zusammenarbeiten sollte.

Wie beeinflussen Lebensstil- und Ernährungsänderungen den Verlauf der Osteoporose und welche Empfehlungen geben Sie Ihren Patienten?

Prof. Dr. Dietmar Daichendt: Die schlimmsten Fehler sind ein träger Lebensstil, also wenig Bewegung. Körperliche Aktivität, insbesondere Kraftsport, fördern den Knochen nachweislich. Denn Muskeln und Knochen verhalten sich zueinander wie Geschwister. Muskeltraining führt auch zu Knochenzuwachs, dieses insbesondere an der Knochenrinde, die bei vielen gr0ß gewachsenen Menschen etwas dünner ist.

Die Ernährung sollte ausgewogen sein, wobei die alte Vorstellung, viele Milchprodukte wären gut, überholt ist. Denn natürlich enthalten Milchprodukte viel Kalzium, aber eben auch Milcheiweiß, das Kasein, welches im Ruf steht dem Knochen durchaus auch zu schaden sowie bspw. Allergien zu fördern. Für den Knochen ist die Kalziumzufuhr jedoch wichtig. Deshalb empfehle ich den Konsum kalziumreicher Mineralwässer, diese sind auch kalorisch neutral.

Fastfood und zuckerreiche Lebensmittel sind insgesamt, nicht nur wegen der Knochen, nicht zu empfehlen.

In Ihrer Praxis setzen Sie auf eine sehr aufwendige Diagnostik. Welche Verfahren nutzen Sie?

Prof. Dr. Dietmar Daichendt: Wir arbeiten in der Knochendiagnostik vornehmlich mit der hochauflösenden Computertomographie (CT). Dabei wird am Knochen unserer Patienten nicht nur eine Knochendichte gemessen, sondern 5 verschiedene Knochendichtewerte erhoben. Wir bestimmen eine Gesamtdichte des Knochens, eine Dichte des gesamten Geflechtknochens (trabekuläre Schicht), eine Dichte des äußeren Abschnitts des Geflechtknochens (äußere trabekuläre Schicht) sowie des inneren Abschnitts des Geflechtknochens (innere trabekuläre Schicht). Letztlich wird dann noch spezifisch die Knochendichte der Knochenrinde (Kortikalis) bestimmt.

Da die korrekte Diagnose der Osteopenie oder Osteoporose aber auch die Beurteilung der Knochenarchitektur beinhaltet, fertigen wir eine sogenannte „Virtuelle Knochenbiopsie“ mit unserer hochauflösenden Computertomographie an. Das heißt wir untersuchen mikroskopisch genau die knöcherne Architektur des Knochens. Dieses geschieht alles schmerzfrei mittels modernster Technologie der EDV und bei sehr geringer Strahlenbelastung, die nicht mehr ausmacht als bei einer herkömmlichen DXA / DEXA – Messung.

Um das individuelle Sturz- und Frakturrisiko eines Patienten zu bestimmen, gehört aber auch die ganzheitliche Anamnese mit Erfragen etwaiger Grunderkrankungen zu unserer Vorgehensweise sowie die Erhebung der Körpermuskelkraft, der neurologischen Kompetenz (neuromuskulärer Status) sowie der Körperhaltung dazu. Bei bspw. Wirbelsäulenfehlhaltungen (Skoliose) können wir so ziemlich genau vorhersagen, welcher Wirbelkörper am meisten bruchgefährdet ist und somit ein Rückenmuskeltraining problembezogen ausgestalten.

Wie wichtig ist die Früherkennung für den späteren Behandlungserfolg?

Prof. Dr. Dietmar Daichendt: Knochen entwickelt sich im  Regelfall sowohl in die negative als auch in die positive Richtung langsam.

Einen Verlust von drei Prozent Knochenmasse- und / oder dichte pro Jahr bezeichnen wir schon als „schnellen Verlust“. Das klingt nicht viel. Wenn man aber bedenkt, dass ein Wiederaufbau im Idealfall in gleichem Umfang nur möglich ist, dann werden einem die Zeiträume bewusst die Knochen benötigt, auch um sich ins Positive zu verändern.

Das heißt das Ziel einer Vorsorgeuntersuchung ist es, eine negative Entwicklung möglichst frühzeitig zu erkennen, um dann noch ohne Medikamente gegensteuern zu können, Daher ist eine Vorsorgeuntersuchung bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr und bei Männern ab dem 60. Lebensjahr als sinnvoll zu empfehlen.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen zur Verfügung und wie entscheiden Sie, welche für einen Patienten am besten geeignet ist?

Prof. Dr. Dietmar Daichendt: Grundsätzlich unterscheidet man zwischen nichtmedikamentösen und medikamentösen Therapiemöglichkeiten. Nichtmedikamentöse Therapien, z. B. nur mit Calcium, Vitamin D, Sport, etc. kommen dann in Betracht, wenn die Osteoporose noch in einem frühen Stadium ist, also lediglich Knochendichteverluste vorliegen, während die Knochenarchitektur noch weitgehend erhalten ist. In dieser frühen Phase einer Osteoporose hat man noch – altersabhängig – eine relativ gute Chance die noch vorhandene Knochenmasse „nach zu verdichten“ , mit Calcium und Vitamin D.

Anders sieht es aus, wenn die Osteoporose schon so weit fortgeschritten ist, dass bereits Knochenmasse verloren gegangen ist. Nicht selten sehen wir in solchen Fällen große Löcher in den Knochen. Da muss man medikamentös unterstützen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen knochenabbauhemmenden Medikamenten (Antiresorptiva) und knochenaufbaufördernden Medikamenten (Osteoanabolika).

Bei den Abbauhemmern (Antiresorptiva) unterscheidet man noch zwischen solchen die den Knochenabbau selektiv hemmen (monoklonale Antikörper) und den körpereigenen Knochenaufbau somit bestehen lassen und jenen die den Knochenabbau nicht selektiv hemmen (Bisphosphonate), also den Knochenaufbau gleich mit hemmen.

Welches Medikament bei wem zu bevorzugen ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und muss im Einzelfall vom Spezialisten entschieden werden.

Herr Prof. Dr. Daichendt, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einblicke.