TV-Kolumne „Deutschlands Tagelöhner“ - Sie pfeifen aufs Bürgergeld: ZDF-Doku zeigt das harte Leben der Tagelöhner

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Ein Arbeiter ist auf einer BaustelleSoeren Stache/dpa

Es gibt Tagelöhner in diesem Land. Ganz offiziell werden sie vermittelt von der Agentur für Arbeit. Inmitten des aktuellen Fußballtaumels versteckt das ZDF seine Reportage über Menschen, die viele lieber nicht sehen wollen. Obwohl es Menschen sind, die wirklich arbeiten wollen.

Was zeigt das Fernsehen in diesem Land nicht alles über Menschen, die nichts arbeiten. Hartz IV oder dann Bürgergeld: Da schauen viele gerne zu. Ob dem ZDF mit seiner Reportage „Deutschlands Tagelöhner“ auch ein Quotenerfolg gelingt? Ich bin sehr skeptisch. Da fehlt dieser Mitleidsgrusel.

Vielleicht deshalb versendet der öffentlich-rechtliche Sender das Stück an einem Nachmittag in einer Zeit, in der König Fußball regiert. Eben dann doch lieber  „Deutschland, olé!“ als „Deutschland, oje!“.

Offiziell registriert statt Arbeits-Strich

Tagelöhner in Deutschland? Die gibt es. Die werden ganz offiziell vermittelt. Da macht die Agentur für Arbeit ihrem Namen Ehre. Die Reportage beginnt in München-Sendling, 5.30 Uhr. Zur Job-Sofortvermittlung kommen die Leute, die meist gar kein Geld mehr haben.

Brigitte Buchfellner leitet die Unvermittelt-Vermittlung. „Wir sind der Retter in der Not“, sagt sie. Sie fügt hinzu: „für die Firmen.“ Die 61-Jährige duzt ihre Kunden. Also die, die arbeiten wollen. „Brav sein“, fordert sie, „guten Eindruck machen!“

2900 Tagelöhner sind allein in München registriert. Das ist ein Versuch, den illegalen so genannten Arbeits-Strich einzudämmen. „Männer-Schnelldienst“, hieß auch das offizielle Angebot noch vor Jahren.

„Ich will nicht mitleiden.“ Dann fließen doch Tränen

Das TV-Team begleitet Hartmut Schmidt. Der hat Logistiker gelernt. Um 6 Uhr sitzt er in der Jobvermittlung. Und wartet. Wartet. Raucht. Wartet. Beim Stichwort Maschinenreinigen hebt er die Hand. 17 Euro fünfzig gibt es in der Stunde, 4,50 Euro über Mindestlohn.

„Was will der alte Depp da?“, hatte der 61-Jährige vorher als Reaktion befürchtet. Inzwischen weiß er: „Wir werden noch gebraucht.“ Andere kommen nicht nur als Arbeitslose, sie kommen auch als Obdachlose in die Agentur. „Ich werde sterben auf der Straße“, sagt ein 47-Jähriger.

„Ich will mitfühlen“, sagt Brigitte Buchfellner, „aber ich will nicht mitleiden – das schwächt.“ Das nennt sie als Prinzip. Zwischendurch allerdings schießen der 61-Jährigen dann doch die Tränen in die Augen, wenn sie von den Schicksalen ihrer Kunden erzählt. Sie sagt: „Ich kann Menschen unterstützen, indem ich sie nicht bewerte, nicht verurteile, nicht anklage – unser Ziel ist Würde.“

„Mit der Rente auf verlorenem Posten“

Die ZDF-Reportage wechselt nach Frankfurt. Karl-Heinz Silkens, 69, ist Rentner. 1300 Euro bekommt er im Monat. Damit liegt er unter dem Durchschnitt von 1543 Euro – und befindet sich in bester Gesellschaft. 44 Prozent der Rentner und sogar 68 Prozent der Rentnerinnen geht es so wie ihm.

„Mit der Rente ist man auf verlorenem Posten“, hat Silkens lernen müssen. Um die Lücke zu schließen, hat er auch schon Hochwasserschäden beseitigt. Zehn Jobs hat die Behörde im Schnitt pro Tag für 300 Registrierte. „Ich war selbst überrascht, dass es Tagelöhner in Deutschland gibt“, sagt Silkens, „das wusste ich vorher nicht.“ Eine Arbeit bekommt er an dem Tag nicht. Da zieht er los, um Flaschen zu sammeln. „Am Anfang“, sagt er, „war das ein beklemmendes Gefühl.“

Feuchter Traum für Turbokapitalisten

Das ist die mitfühlende Seite der ZDF-Reportage. An manchen Stellen allerdings verrutscht der Begleittext der Reportage. Dann klingt er wie der feuchte Traum eines Turbokapitalisten.

„Die Job-Sofortvermittlung des Arbeitsamtes hilft nicht nur Männern wie Hartmut Schmidt“, wird dem Zuschauer dann erzählt: Arbeitgeber profitieren vom uneingeschränkten Zugriff auf die hochflexiblen Arbeitskräfte.“ Deutschland, olé? Oder: Deutschland, oje?