Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Donnerstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen.

  • Kreml: Scholz könnte bei Telefonat mit Putin «Scheuklappen abwerfen»

  • EU-Parlament: Nato soll Ukraine nach Kriegsende aufnehmen

  • Nato-Staaten einigen sich auf neues Format für Gespräche mit Ukraine

  • Ukrainische Armee: Sieben Orte und über 100 Quadratkilometer befreit

  • Selenskyj besteht auf raschem Nato-Beitritt

  • Drohnenangriffe auf Südukraine und Halbinsel Krim gemeldet

  • Selenskyj: Alle Ruinen müssen wiederaufgebaut werden

  • Kiew meldet hohe russische Verluste nach ukrainischer Offensive

  • Russland: Brand im Wärmekraftwerk führt zu Stromengpässen in Rostow

Die aktuelle Newslage im Livestream:

+++ Kreml: Scholz könnte bei Telefonat mit Putin «Scheuklappen abwerfen» +++

Nach Darstellung des Kremls ist das von Bundeskanzler Olaf Scholz in Aussicht gestellte Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin unwahrscheinlich, aber begrüßenswert. «Vielleicht würde das Berlin erlauben, wenigstens für eine Sekunde die Scheuklappen abzuwerfen, die es daran hindern, die Situation nüchtern zu beurteilen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag im russischen Staatsfernsehen. Allerdings gebe es derzeit keine Bewegung diesbezüglich. Bei der Äußerung Scholz' zu einem möglichen Telefonat sei es «vermutlich um hypothetische Absichten gegangen».

Nach Einschätzung Peskows sind solche Gespräche allerdings notwendig. Es sei eigentlich völlig normal, dass Staatschefs selbst in schwierigsten Zeiten miteinander redeten. «Und es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn so eine Aussprache stattfände, damit sie aus erster Hand wenigstens einmal unsere Position erfahren», sagte Peskow. Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau haben sich nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine massiv verschlechtert. Deutschland unterstützt die Ukraine bei ihrer Verteidigung und fordert den Abzug der russischen Truppen aus dem Nachbarland.

Scholz hatte Ende Mai erklärt, er wolle den Gesprächsfaden mit Putin wieder aufnehmen. «Mein letztes Telefonat ist schon einige Zeit her. Ich habe aber vor, zu gegebener Zeit auch wieder mit Putin zu sprechen», sagte er in einem Zeitungsinterview. Einen Termin für die Wiederaufnahme der Gespräche nannte er aber nicht.

+++ EU-Parlament: Nato soll Ukraine nach Kriegsende aufnehmen +++

Das EU-Parlament hat die Nato aufgefordert, der Ukraine nach dem Ende des russischen Angriffskriegs den Weg ins westliche Verteidigungsbündnis zu ebnen. In einer am Donnerstag in Straßburg verabschiedeten Entschließung heißt es, das Verfahren zum Beitritt solle nach Kriegsende beginnen und so rasch wie möglich abgeschlossen werden. 425 Abgeordnete stimmten dafür, 38 dagegen. 42 enthielten sich. Bis zur vollständigen Nato-Mitgliedschaft sollten EU und Nato einen befristeten Rahmen für Sicherheitsgarantien entwickeln, der unmittelbar nach dem Krieg umgesetzt werden soll.

Die Staats- und Regierungschefs der aktuell 31 Nato-Mitgliedsstaaten treffen sich im kommenden Monat zu einem Gipfel in Litauen. Dabei dürfte der ukrainische Wunsch nach einer baldigen Aufnahme ins Bündnis eines der wichtigsten Themen werden. Das Land wehrt sich seit mehr als 15 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg. Die Europa-Abgeordneten verurteilten außerdem die Zerstörung des russisch kontrollierten Kachowka-Staudamms in der Ukraine als Kriegsverbrechen. Alle Verantwortlichen müssten im Einklang mit dem Völkerrecht zur Rechenschaft gezogen werden, hieß es.

(Bild: Getty Images)
(Bild: Getty Images)

+++ Nato-Staaten einigen sich auf neues Format für Gespräche mit Ukraine +++

Die Nato-Staaten haben sich auf ein neues Format für die Zusammenarbeit mit der Ukraine verständigt. Das Konzept sei in einem schriftlichen Verfahren angenommen worden, bestätigten mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Nun müssten noch die Ukraine zustimmen und Details festgelegt werden. Nicht entschieden ist beispielsweise, wie oft der neue Rat zusammenkommen soll. Angestrebt wird ein erstes Treffen am Rande des Nato-Gipfels der Staats- und Regierungschefs im nächsten Monat in Litauen.

Konkret sieht das Konzept den Angaben zufolge vor, die bestehende Nato-Ukraine-Kommission zu einem Nato-Ukraine-Rat aufzuwerten. Dies soll es ermöglichen, mit dem von Russland angegriffenen Land auf Augenhöhe Schlüsselfragen der Sicherheit zu diskutieren und auch gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Die Kommission war vor allem eingerichtet worden, um Reformen zu diskutieren, die für einen Beitritt zur westlichen Militärallianz notwendig sind. Die Ukraine drängt auf eine baldige Aufnahme.

+++ Ukrainische Armee: Sieben Orte und über 100 Quadratkilometer befreit +++

Im Zuge ihrer Gegenoffensive haben die ukrainischen Truppen eigenen Angaben zufolge bislang sieben Orte aus russischer Besatzung befreit. Im Gebiet Saporischschja seien die Russen seit vergangener Woche an zwei Abschnitten um drei bis sieben Kilometer zurückgedrängt worden, sagte der Generalstabsvertreter, Olexij Hromow, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Kiew. «Es wurde die Kontrolle über 100 Quadratkilometer ukrainischen Gebiets wiederhergestellt.»

Im östlichen Donezker Gebiet würden ukrainische Einheiten weiter südlich und nördlich der russisch kontrollierten Stadt Bachmut angreifen, fügte Hromow hinzu. Zugleich betonte Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar, dass der Feind «heftigen Widerstand» leiste. Die ukrainischen Vorstöße würden durch dichte Minenfelder, starkes Artilleriefeuer und sogenannte Kamikazedrohnen erschwert. «Der Feind gibt seine Positionen nicht einfach auf», sagte Maljar.

+++ Selenskyj besteht auf raschem Nato-Beitritt +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs einmal mehr einen zügigen Nato-Beitritt seines Landes gefordert. Er habe mit Polens Präsident Andrzej Duda eine gemeinsame Linie für den Nato-Gipfel in Vilnius im Juli besprochen, sagte er am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache. «Dies ist genau der Moment, in dem die russischen Annahmen, dass jemand in der Nato immer noch Angst vor Russland hat, völlig zunichte gemacht werden sollten», sagte er.

Ängste und falsche Rücksichtnahme gegenüber Moskau befeuerten «die aggressiven Ambitionen Russlands», sagte Selenskyj. Die Ukraine habe jedoch gezeigt, wie diese Aggression zu neutralisieren sei - und damit auch zur Stärkung der Nato beigetragen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (Bild: Carl Court/Getty Images)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (Bild: Carl Court/Getty Images)

+++ Drohnenangriffe auf Südukraine und Halbinsel Krim gemeldet +++

Russland hat die Ukraine bei neuen Luftangriffen mit Drohnen und Marschflugkörpern beschossen. Dabei seien in Industrieobjekte im Gebiet Dnipropetrowsk drei Marschflugkörper eingeschlagen, teilten die ukrainischen Luftstreitkräfte am Donnerstag in Kiew mit. In der Stadt Krywyj Rih in dem Gebiet sei ein 38 Jahre alter Mann verletzt worden, hieß es von den Behörden. Die Stadt war bereits in der Vergangenheit Ziel russischer Angriffe. Nach einer Attacke am Dienstag starben dort 12 Menschen.

Bei dem neuen Luftalarm in der Ukraine habe die Flugabwehr die meisten Objekte abgeschossen, darunter einmal mehr auch 20 Drohnen, hieß es in Kiew. Allein in Odessa am Schwarzen Meer seien 13 Drohnen zerstört worden.

Die Behörden auf der von Russland schon 2014 annektierten Halbinsel Krim meldeten am Morgen wiederum ukrainische Drohnenangriffe. Die meisten der neun Drohnen wurden demnach abgeschossen. Eine Drohne sei in einem Dorf explodiert, wo Scheiben von Häusern geborsten seien. Es gebe keine Verletzten, teilte der Statthalter der Krim, Sergej Aksjonow, mit. Die Halbinsel erlebt immer wieder Angriffe von ukrainischer Seite. Kiew hat angekündigt, die Krim zurückerobern zu wollen.

+++ Selenskyj: Alle Ruinen müssen wiederaufgebaut werden +++

Daneben berichtete der ukrainische Staatschef über Vorbereitungen für eine Konferenz in London, die dem Wiederaufbau seines Landes dienen soll. Sein Anliegen sei, alle Ruinen in der Ukraine wieder aufzubauen. «Wenn die Ruinen verschwinden, verliert nicht nur der Angreifer, sondern auch die Idee der Aggression», sagte er.

Dabei kritisierte er erneut die ungenügende Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland. Wie tags zuvor ging er dabei auf einen russischen Raketenschlag ein - diesmal gegen die Hafenstadt Odessa. Viele Bauteile dieser Raketen stammten aus dem Ausland. Würden die Sanktionen konsequent durchgesetzt, könnte Russland die Ukraine nicht mehr beschießen, argumentierte Selenskyj.

Teile der Ukraine liegen in Schutt und Asche (Bild: Spencer Platt/Getty Images)
Teile der Ukraine liegen in Schutt und Asche (Bild: Spencer Platt/Getty Images)

+++ Kiew meldet hohe russische Verluste nach ukrainischer Offensive +++

Das ukrainische Militär hat den russischen Besatzungstruppen bei seiner Offensive hohe Verluste zugefügt - zumindest behauptet das die Regierung. «Die ukrainische Armee hat, trotz gegenteiliger russischer Falschnachrichten, während ihrer Offensive im Vergleich zu den Okkupanten nur einen Bruchteil von deren Verlusten erlitten», schrieb die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar am Mittwoch auf Telegram. Ihren Angaben nach liegt das Verhältnis im Raum Bachmut bei fast 1:9, im Süden der Ukraine bei gut 1:5. Unabhängig sind diese Angaben nicht zu überprüfen.

In den vergangenen Tagen hatte das russische Verteidigungsministerium mehrfach erklärt, die Offensive der Ukrainer vereitelt und den angreifenden Truppen große Verluste zugefügt zu haben. Kremlchef Wladimir Putin sprach - offenbar unter Bezug auf die Zahlen des Ministeriums - von «katastrophalen Verlusten» für Kiew. Maljar dementierte diese Angaben und bezeichnete sie als Teil einer Desinformationskampagne mit dem Ziel der Demoralisierung.

Die Medienberichten nach zu urteilen seit Anfang Juni laufende ukrainische Offensive kommt nur langsam voran. Zwar konnten die Truppen im Süden der Ukraine einige Ortschaften erobern und die Russen bei Bachmut an den Flanken zurückdrängen. Ein Frontdurchbruch ist den Ukrainern bislang jedoch nicht geglückt. Im Süden der Ukraine behindern auch starke Regenfälle das Vorwärtskommen der Truppen.

+++ Russland: Brand im Wärmekraftwerk führt zu Stromengpässen in Rostow +++

Im Süden Russlands nahe der Grenze zur Ukraine ist derweil ein Brand in einem Wärmekraftwerk ausgebrochen. Rund 150 Mitarbeiter des Kraftwerks in Nowotscherkassk wurden Angaben des russischen Zivilschutzes zufolge am Mittwoch evakuiert. Der Betrieb wurde vorübergehend eingestellt. Der Gouverneur der Region Rostow, Wassili Golubew, berichtete auf Telegram von drei verletzten Arbeitern. Im Internet veröffentlichte Videos vom Ort des Geschehens zeigten schwarze Rauchschwaden, die vom Dach des Kraftwerks aufstiegen.

Der Zivilschutz sprach auf Telegram von einem Gasleck als Ursache des Brandes und schloss «Außeneinwirkung» aus. Zuletzt waren mehrfach Industrieanlagen nach Drohnenangriffen in Flammen aufgegangen.

Das Wärmekraftwerk ist der wichtigste Energieversorger der Region Rostow. Wegen der brandbedingten Abschaltung des Kraftwerks müsse die Bevölkerung der Region mit Stromengpässen rechnen, schrieb Golubew. Örtliche russische Medien berichteten am Mittwoch bereits über weitflächige Stromabschaltungen in der Region. Nachrichtenkanäle verbreiteten Fotos von stillstehenden Elektrobussen in Rostow.