Zwischen Derisking und Klima - Habeck in China: Kommt Klimaschutz durch Handelskonflikte unter die Räder?

Habeck in China - ein schwieriges Unterfangen, wie Experte Berthold Kuhn erklärt.<span class="copyright">Sebastian Christoph Gollnow/dpa</span>
Habeck in China - ein schwieriges Unterfangen, wie Experte Berthold Kuhn erklärt.Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Einerseits belasten Handelskonflikte um Strafzölle für Elektroautos aus China die Beziehungen zwischen der EU und China, andererseits muss man beim Klimaschutz zusammenarbeiten. Berthold Kuhn, Experte für internationale Beziehungen, erklärt die komplexen Handelsbeziehungen.

Welche Anliegen verfolgt Habeck mit seiner Reise nach China?

Habeck steht vor der Herausforderung, zwischen dem politisch hochgespielten Thema „Derisking“ und den Interessen der deutschen Unternehmen zu vermitteln. Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind durch die vom Außenministerium entworfene deutsche China-Strategie in schwieriges politisches Fahrwasser geraten. Dennoch bleibt die deutsche Industrie stark in China investiert. Für die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Automobilindustrie, ist China sowohl als Produktionsstandort als auch als Absatzmarkt von enormer Bedeutung.

Die EU-Strafzölle auf in China produzierte Elektroautos haben den Druck auf die deutschen Hersteller in China erhöht. Obwohl Habeck nicht im Namen der EU in China verhandelt, sind seine Aussagen und sein möglicher Einfluss auf den Streit um Strafzölle für seine chinesischen Gesprächspartner wichtig. Ob er und seine Delegation während oder nach der Chinareise mehr Klarheit in diese Angelegenheit bringen können, bleibt abzuwarten.

Habeck soll sich in China auch für bessere Marktzugänge deutscher Unternehmen einsetzen, die dort weiter expandieren möchten. Diese Unternehmen befürchten jedoch einen zunehmenden Verdrängungswettbewerb durch einheimische Hersteller, der durch wirtschaftspatriotische Diskurse beeinflusst werden könnte.

Wie haben sich die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und China in den letzten Jahren entwickelt?

Seit 2016 ist China Deutschlands größter Handelspartner. 2022 erreichte der bilaterale Warenhandel fast 299 Milliarden Euro, sank jedoch im folgenden Jahr auf rund 251 Milliarden Euro, bedingt durch rückläufige deutsche Exporte. Das Handelsdefizit Deutschlands mit China belief sich 2023 auf 58,4 Milliarden Euro. Laut einer Umfrage der Außenhandelskammer stehen deutsche Unternehmen in China unter erheblichem Preisdruck. Gleichzeitig hat Deutschlands Abhängigkeit von China zugenommen, insbesondere bei rohstoffbasierten Bauteilen für E-Mobilität und erneuerbare Energien.

Der Anteil der Exporte nach China am deutschen Bruttoinlandsprodukt ist seit dem Höchststand im vierten Quartal 2020 um fast ein Drittel gesunken. China hat sich in den globalen Wertschöpfungsketten weiter nach oben gearbeitet und Deutschland in Schlüsselindustrien bei den globalen Exportmarktanteilen überholt. Deutschland verliert in vielen Weltregionen Marktanteile an China. Hochspezialisierte deutsche Maschinenbauer, Hersteller von Verbrennungsmotorfahrzeugen und Produzenten von Spezialchemikalien stehen in einem intensiven Wettbewerb mit chinesischen Konkurrenten. Dieser Wettbewerb setzt die Gewinne der in China operierenden deutschen Unternehmen unter Druck und führt zu sinkenden Umsätzen und Marktanteilen.

Trotz dieser Herausforderungen bleibt China ein attraktiver Markt für Investitionen. Zwischen 2010 und 2022 haben sich die deutschen Direktinvestitionen in China verfünffacht, insbesondere im Automobilsektor.

Warum hat die EU Strafzölle gegen chinesische Elektroautos eingeführt?

Die EU hat beschlossen, ab Juli 2024 Strafzölle auf die Einfuhr chinesischer Elektroautos einzuführen. Die Höhe, bis zu 48 Prozent, unterscheidet sich ja nach Hersteller. Die EU wirft China Wettbewerbsverzerrung vor und fürchtet, dass die günstigen E-Autos aus China Wertschöpfung und Industriearbeitsplätze in Europa vernichten. Allerdings wird das in der Automobilbrache anders gesehen. Viele Modelle werden in China produziert und würden damit auch Einfuhrzöllen unterliegen.

So wäre z.B. der in China produzierte elektrisch angetriebene Mini Cooper mit einem Aufschlag von 38,1 Prozent betroffen, zusätzlich zu den zehn Prozent Zöllen, die ohnehin für Einfuhren aus China bezahlt werden müssen. Für europäische und speziell für die deutschen Hersteller ist China zudem ein wichtiger Absatzmarkt. Die Industrie, speziell die deutschen Autobauer, weisen besorgt auf mögliche Vergeltungsmaßnahmen Chinas hin, die z.B. den Export großer Verbrenner KFZ nach China, die große Profitmargen versprechen, betreffen könnte. Habeck gilt innerhalb der deutschen Regierung nicht als Verfechter der Strafzölle, mit denen die EU China eine handelspolitische Lektion erteilen möchte.

Der Kern des Konflikts liegt in der Bewertung industriepolitischer Maßnahmen. China ist nicht das einzige Land, das seine Autoindustrie und insbesondere die Elektromobilität mit staatlichen Subventionen unterstützt. In Deutschland zum Beispiel fließen insgesamt 17 Milliarden Euro in die Automobilindustrie. Diese Fördermaßnahmen sind herstellerneutral, allerdings kommen sie überwiegend den bereits gut etablierten lokalen Herstellern zugute. Es bleibt insgesamt undurchsichtig, welche Subventionen die chinesische Regierung chinesischen Herstellern genau gewährt.

Wie reagiert China auf die EU-Strafzölle und wie könnten diese Maßnahmen die zukünftigen Handelsbeziehungen beeinflussen?

China hat die Einführung der Strafzölle kritisiert und als protektionistisch bezeichnet. Die chinesische Regierung argumentiert, dass die Zölle den freien Handel behindern und die globalen Lieferketten stören. Es wurde signalisiert, dass Gegenmaßnahmen geprüft werden könnten und eine Beschwerde bei der WTO eingereicht werden könnte. Die Welthandelsorganisation (WTO) regelt Subventionen im Rahmen des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (SCM Agreement). Dieses Abkommen unterscheidet zwischen verbotenen Subventionen und solchen, die zulässig sind, aber unter bestimmten Bedingungen Gegenmaßnahmen unterliegen können.

Die Einführung von Strafzöllen könnte die Handelsbeziehungen zwischen China und der EU verschärfen und zu einem Handelskrieg führen, in dem beide Seiten immer mehr Barrieren errichten. China hat bereits eine Antidumping-Untersuchung gegen Schweinefleischimporte aus der EU eingeleitet. Dies würde speziell spanische Exporteure hart treffen, für die China ein wichtiger Absatzmarkt ist. Chinesische Automobilhersteller fordern nun auch höhere Zölle auf benzinbetriebene Fahrzeuge aus Europa, um auf die EU-Maßnahmen zu reagieren.

Insgesamt wäre eine Eskalation des Handelskonflikts speziell für die deutsche Automobilindustrie gefährlich, da sie in China stark vertreten ist. Nach einem Covid-19 bedingten Einbruch haben sich die Absatzzahlen deutscher Hersteller auch bei E-Autos mit Ausnahme von Porsche zuletzt wieder besser entwickelt. Die deutschen Hersteller haben in China im Jahr 2023 fast 50 Prozent mehr E-Autos als im Jahr 2022 verkauft. In Schanghai hat Habeck einen Besuch beim BMW-Forschungszentrum geplant. Alle großen deutschen Hersteller sind und bleiben b.a.w. in China hoch investiert.

Inwiefern spielt der Klimaschutz eine Rolle in den deutsch-chinesischen Beziehungen und wie wird er in den Handelsgesprächen berücksichtigt?

Klimaschutz ist ein zentraler Aspekt der Beziehungen zwischen Deutschland und China. Habeck nimmt in Peking an der ersten Sitzung des Deutsch-Chinesischen Klima- und Transformationsdialogs teil. Trotz Handelskonflikten und diplomatischen Spannungen, die durch die Charakterisierung Chinas als „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ in der deutschen China-Strategie entstanden sind, bemüht sich Deutschland darum, die Zusammenarbeit im Bereich des Klimaschutzes nicht beeinträchtigen zu lassen. Dies ist insbesondere aufgrund der hohen Treibhausgasemissionen Chinas und dessen Bedeutung für den globalen Klimaschutz von großer Relevanz.

Die Zusammenarbeit mit China ist auch für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) von Interesse. China kann von den Erfahrungen Deutschlands und der GIZ bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen profitieren, beispielsweise bei der Implementierung der Methanstrategie, die im November 2023 verabschiedet wurde. Methan ist ein besonders klimaschädliches Gas, das vor allem in der Landwirtschaft und beim Kohleabbau entweicht. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass die diplomatischen Verstimmungen zwischen Deutschland und China einen Einfluss auf die Zusammenarbeit im Bereich des Klimaschutzes haben könnten.

Dennoch hat China bisher nicht explizit darauf hingewiesen, dass diese Themen die Kooperation im Klimaschutz beeinträchtigen würden. Trotz Kritik an der deutschen China-Strategie und Vorwürfen im Bereich der Menschenrechte hat sich China weiterhin zur Zusammenarbeit mit Deutschland bekannt.

Welche Maßnahmen werden ergriffen, um einen Dialog und eine Zusammenarbeit beim Klimaschutz zwischen Deutschland und China zu fördern?

Deutschland und China unterzeichneten vor einem Jahr ein Memorandum zur Zusammenarbeit beim Klimaschutz unterzeichnet. Damit wollte Deutschland nach Dissonanzen im Zusammenhang mit der deutschen Chia-Strategie auch signalisieren, dass gerade im Klimaschutz eine weitere Zusammenarbeit besonders gewünscht ist. Das Memorandum kann auch auf bereits bestehender Zusammenarbeit aufsetzen.

Besonders die GIZ ist als bundeseigenes Unternehmen der internationalen Zusammenarbeit in China weiterhin gut aufgestellt, obwohl die Zeiten der klassischen Entwicklungshilfe für China längst der Vergangenheit angehören. In dem Memorandum ist davon die Rede, dass beide Länder ihre besondere Verantwortung für den Klimaschutz und die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels anerkennen. Sie haben vereinbart, in acht Handlungsfeldern enger zusammenzuarbeiten. Dazu gehören die Dekarbonisierung der Industrie, der Ausbau erneuerbarer Energiequellen, die Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sustainable Finance. Die Zusammenarbeit wird von Akteuren auf ministerieller Ebene, Durchführungsorganisationen und Unternehmen mit globaler Erfahrung getragen.

Ein zentrales Element dieser Zusammenarbeit ist die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI), die Deutschland 2008 ins Leben gerufen hat. China ist ein wichtiger Partner dieser Initiative. Deutsche Experten beraten chinesische Behörden und Unternehmen in einigen Provinzen, Städten und Sektoren dabei, die von China national und auf internationalen Konferenzen angekündigten Ziele und Maßnahmen des Klimaschutzes möglichst schnell und effektiv zu erreichen. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, den Dialog und die Zusammenarbeit beim Klimaschutz zwischen Deutschland und China zu stärken und weiter auszubauen.