Säugling fror sechs Wochen in Wohnung - Familie erlebte völliges Desaster: „Lange waren wir 'die mit der Wärmepumpe'“

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Michael Gradl und ein Haus mit Wärmepumpe (Symbolbild)IMAGO/Kirchner-Media; Privat

Michael Gradl ist ein klarer Befürworter der Wärmepumpentechnik. Doch an der Umsetzung hapert es für den 39-jährigen Medizintechniker und Maschinenbaumeister. Im vergangenen Winter hat seine Familie sechs Wochen lang gefroren.

FOCUS online: Herr Gradl, Sie haben im vergangenen Winter ein kleines Wärmepumpen-Desaster erlebt.

Michael Gradl: Nach sieben supereffizienten Jahren mit unserer Wärmepumpe – das muss man dazu sagen. Wir sind keine generellen Kritiker dieser Technologie. Ganz im Gegenteil. Lange waren wir hier im Ort „die mit der Wärmepumpe.“ Wir haben damals neu gebaut und uns nach reiflicher Überlegung so entschieden.

Was waren die wichtigsten Pro-Argumente?

Gradl: Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit. Natürlich gab es auch warnende Stimmen. Im Internet fanden beispielsweise die Info, dass es bis zu 10.000 Euro kosten kann, wenn ein bestimmtes Teil wie der Kompressor kaputt geht. Das halte ich bis heute für reichlich übertrieben. Fakt ist: Als die Wärmepumpe drin war, wurden unsere Erwartungen übertroffen. Weit sogar.

Was bedeutet das konkret?

Gradl: Im ersten Jahr haben wir für Strom und Warmwasser insgesamt gerade einmal 400 Euro bezahlt. Ein sensationeller Wert, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir es das ganze Jahr über angenehm warm hatten: Durchweg 23 Grad Raumtemperatur.

Sie klingen richtiggehend euphorisch.

Gradl: Wie gesagt, die ersten sieben Jahre waren top. Als dann im letzten Jahr das große Wärmepumpen-Bashing losging, dachte ich mir: Sollen sie doch reden. Noch eine Woche, bevor unsere Wärmepumpe den Geist aufgab, habe ich auf Facebook einen Pro-Wärmepumpen-Post abgesetzt.

Mit welchem Inhalt?

Gradl: Die allgemeine Stimmungsmache hat einfach genervt. Zuletzt war immer wieder von „Stromrationierung“ die Rede. Nach dem Motto: Der Stromversorger kann jederzeit die Zufuhr abdrehen, der Wärmepumpenbesitzer schaut dann in die Röhre. Oder sitzt in einer kalten Wohnung. Das ist Blödsinn. Auch, wenn die Wärmepumpe nur wenige Stunden am Tag läuft, bleibt die Bude warm. Der Wärmepumpe ist es doch egal, ob sie um fünf in der Früh läuft oder um acht.

Unabhängigkeit – der Punkt, den Sie eben genannt haben – klingt dennoch anders.

Gradl: Tatsächlich hatten wir am Anfang noch keine Photovoltaik auf dem Dach. Wir haben es dann so gemacht, wie viele Wärmepumpenbesitzer und wählten freiwillig einen Stromtarif, bei dem der Energieversorger einen gewissen Steuerungsspielraum hat. Heißt: Ja, er kann die Wärmepumpe zeitweise abschalten, das ist richtig. Und übrigens auch sinnvoll, denn der Strom wird dadurch deutlich günstiger. Doch noch mal: So schnell kühlt eine Wohnung nicht aus. Das habe ich im Facebook-Post klargestellt: In sieben Jahren haben wir nicht einmal bemerkt, dass die Wärmepumpe abgestellt gewesen wäre.

Und kurz darauf hat Ihre Pumpe dann den Geist aufgegeben?

Gradl: Exakt. Ich war gerade auf einer Tagung. Meine Frau rief mich an und meinte: Irgendwas stimmt da nicht. Das Außenmodul lief immer wieder an und dann ging es nicht weiter. Bildlich: Der Ventilator fing an sich zu drehen und blieb dann stehen.

War es kalt im Haus?

Gradl: Zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber am nächsten Tag dann schon. Als ich wieder daheim war, habe ich unseren Heizungsbauer angerufen…

Und?

Gradl: Er meinte, das Ganze klinge nach einem Fehler im Kältekreislauf. In unserer Wärmepumpe ist das Kältemittel R 410a verbaut. Ein klimaschädliches Gas. „Ich kann nicht kommen“, meinte unser Heizungsmann. Er dürfe die Reparatur nicht vornehmen. Das müsse eine qualifizierte Personen machen. Verständlich, das Gas soll auf keinen Fall nach außen dringen.

Was haben Sie dann getan?

Gradl: Den Wärmepumpenhersteller angerufen und gefragt, wo ich einen solchen Kälte- oder Klimatechniker auftreiben kann. Mir wurden zwei Firmen genannt, in jeweils über 100 Kilometern Entfernung. Bei beiden hieß es: Wir sind komplett überlastet. Okay, dann kommen Sie eben etwas später, sagte ich zu dem Zeitpunkt einigermaßen naiv. Daraufhin kam die eindeutige Ansage „Herr Gradl, wir können das nicht machen. Jetzt nicht und später auch nicht.“ Bei der einen Firma hieß es, man hätte nur einen einzigen Techniker für sowas. Und der würde in Unterfranken wohnen, also über 150 km weit weg von uns. „Da würde allein die Anfahrt 500 Euro kosten…“

Also keine Option?

Gradl: Ganz ehrlich, ich hätte das bezahlt. Aber die wären trotzdem nicht gekommen. Nichts zu machen. Dann habe ich auf die Tränendrüse gedrückt.

Was meinen Sie?

Gradl: Es war der 15. Dezember. Wir hatten einen vier Wochen alten Säugling. Blöder kann der Zeitpunkt für eine kaputte Heizung nicht sein. Genau das habe ich der Mitarbeiterin gesagt. Sie meinte dann, sie hätte eine Idee – und hat ihre Kontakte spielen lassen. Meine nächste Anlaufstelle war eine Firma in der Nähe, die allerdings ausschließlich Gewerbekunden betreut. Firmen, Krankenhäuser, sowas. Lassen Sie sich nicht abwimmeln, hatte die Frau gemeint, von der ich die Nummer hatte. Also gab ich mein Bestes und blieb hart. Denn natürlich hieß es auch hier erstmal wieder: „Keine Zeit“. Schließlich erreichte ich, dass jemand nach Weihnachten vorbeischauen würde. Und dann kam am nächsten Tag der überraschende Anruf: Es sei ein Kunde abgesprungen, man könne sofort kommen. Nach zwischenzeitlich mehreren Tagen in der Kälte war das natürlich eine riesige Erleichterung.

Wie haben Sie sich in den Tagen bis zur Reparatur beholfen?

Gradl: Mit mehreren Schichten Klamotten, Heizdecken und gelegentlichen Besuchen bei meinem Bruder, der zum Glück um die Ecke wohnt und uns bei sich duschen ließ. Unsere Wärmepumpe lief derweil auf Notbetrieb.

Das bedeutet?

Gradl: Normalerweise erzeugt eine Wärmepumpe aus einem Teil elektrischer Energie bis zu vier Teile Wärme. Im Notbetrieb funktioniert die Pumpe wie ein Wasserkocher, über einen Heizstab. Der direkte Weg ist sehr viel ineffizienter und wegen des extrem hohen Stromverbrauchs wahnsinnig teuer. In den wenigen Tagen im letzten Dezember haben wir über 1000 kW Strom verbraucht. Und das, obwohl wir das totale Sparprogramm gefahren haben und nur das Wohnzimmer beheizt war. Und das auch gerade so im Komfortbereich. Die anderen Räume, Büro, Bad und Kinderzimmer, hatten jeweils 12 Grad.

Klingt unangenehm. Aber jetzt nahte ja Rettung…

Gradl: Genau so dachten wir auch: Weihnachten ist gerettet. Die Reparatur war vergleichsweise günstig, um die 600 Euro. Aber nach anderthalb Tagen war die Freude vorbei, denn die Wärmepumpe machte erneut Probleme. Diesmal war es der Kompressor, der seinen Geist aufgab.

Ein blöder Zufall?

Gradl: Nein, ein Folgefehler. Vereinfacht: Im Kältemittel ist Schmierstoff drin. Wenn das fehlt, bekommt der Kompressor durch das ständige An- und Ausschalten ein Problem. Er zerstört sich quasi selbst.

Das heißt, das zweite Problem war eigentlich absehbar?

Gradl: Wie man’s nimmt. Es stimmt schon, man hätte das direkt beheben können. Aber wer macht das schon, eine Reparatur auf Verdacht? Für 4000 Euro? Vor allem, wenn alles wieder funktioniert? An der Stelle sehe ich Nachbesserungsbedarf bei den Herstellern. Beim Auto wurde in so einem Fall die Öllampe angehen. Unsere Wärmepumpe hat bis zum letzten Tag gesagt: Alles gut. Da gehört aus meiner Sicht mehr Sicherheit verbaut.

Wie war Weihnachten?

Gradl: Kalt. Und so blieb es auch, weitere sechs Wochen. Über die Feiertage hatte die Reparaturfirma zu. Verständlich, jeder braucht mal Pause. Vor allem das Arbeiten im Büro wurde echt unangenehm für mich.

Sie waren bei 12 Grad im Büro?

Gradl: Ja, wie das eben so ist mit den freien Tagen: Da lag jede Menge Papierkram, der wegmusste. Ein kompletter Wärmepumpen-Notbetrieb schied aus, da hätte sich unser Stromzähler überschlagen. Also wie gesagt der Kompromiss mit Wohnzimmer als einziger beheizter Raum. Da konnte ich nach den im Schnitt drei Stunden Büro ja wieder hin.

Für einen heißen Tee?

Gradl: Den hatte ich bereits ins Büro mitgenommen. Ich trug drei Schichten Klamotten übereinander, eine warme Jacke…Man wünscht sowas wirklich niemandem. Mit Blick auf den nächsten Winter beschleicht mich allerdings ein ungutes Gefühl. Wie vielen Haushalten droht ähnliches?

Wo liegt aus Ihrer Sicht das Problem?

Gradl: Bei einer Politik, die das Thema Wärmepumpe pusht, aber nicht auf dem Schirm hat, dass es für Ausbau und Wartung der Technik ausreichend Fachkräfte geben muss. Bekanntlich ist die Auftragslage der Heizungsbauer im Moment mehr als gut. Viele dürften sich denken: Ich hab genug zu tun, wieso sollte ich jetzt für viel Geld eine Wärmepumpen-Fortbildung machen? Genau diese Fortbildungen sind aber dringend nötig.

Sie klingen mittlerweile nicht mehr eindeutig pro Wärmepumpe.

Gradl: Die Technik ist gut, dabei bleibe ich. Als Hobbyimker sind wir direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Das CO2 muss runter, keine Frage. Die Wärmepumpe ist dafür der richtige Weg. Das Problem ist, wie dieser Weg umgesetzt wird. Die Politik lässt die Menschen in gewisser Weise im Regen stehen – oder vielleicht besser – in der Kälte.