Sesselmann in Sonneberg - Erster und einziger AfD-Landkreis fast pleite? Was dahinter steckt

Ein Wahlplakat von AfD-Politiker Robert Sesselmann hängt an einem Laternenpfahl.<span class="copyright">Getty Images</span>
Ein Wahlplakat von AfD-Politiker Robert Sesselmann hängt an einem Laternenpfahl.Getty Images

Vor knapp einem Jahr wurde Robert Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands. Gefordert hatte er viel: den Euro abschaffen, Grenzen schließen, die Kliniken vor Ort erhalten. Doch Erfolge sind rar, stattdessen sind die Straßen marode, Schulen schließen und es gibt finanzielle Engpässe. Eine herbe Enttäuschung für viele Bürger.

Das blaue Wunder von Sonneberg. So bezeichnet AfD-Politiker Robert Sesselmann seine Wahl zum Landrat auf seiner Website. Sesselmann ist bundesweit der erste Landrat der AfD, wurde im Juni 2023 in einer Stichwahl ins Amt gewählt. Auf seinen Wahlplakaten forderte er viel: Mit Russland solle man über Frieden verhandeln, die Grenzen dichtmachen, den Euro abschaffen. Klar ist, dass viel davon hohle Phrasen waren, da ein Landrat bei diesen Themen ohnehin keine Zuständigkeiten hat.

Die Klinik ist insolvent, die Schule muss schließen

Heute, fast ein Jahr nach seiner Wahl, ist der Euro wenig überraschend noch da.

Doch auch bei den Themen, für die er zuständig ist, läuft es offenbar nicht so, wie von ihm versprochen: Laut Medienberichten der „Frankfurter Rundschau“ steht der Landkreis im Süden Thüringens finanziell am Abgrund und ist seit April in die Haushaltskonsolidierung gerutscht. Nun muss radikal gespart werden. Ein Hauptgrund: Die Regiomed-Kliniken, ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, haben Insolvenz angemeldet. Im Wahlkampf hatte Sesselmann noch mit dem Slogan: „Kliniken erhalten“ geworben, nach dem Sieg pumpte seine Behörde einen Millionenbetrag in die Klinikgruppe – ohne Erfolg.

Der Erhalt der Kliniken ist nicht das einzige Wahlversprechen, das der 51-Jährige nicht einlösen konnte. So muss beispielsweise auch die Grundschule im Ortsteil Mengersgereuth-Hämmern nun endgültig schließen, für die sich bis zuletzt viele der Einwohner hier eingesetzt hatten. Sesselmann versprach noch vor einem Jahr, die Schule erhalten zu wollen.

Viel Unmut herrscht laut lokalen Medienberichten auch über die Sperrung der maroden Landstraße zwischen Steinach und Lauscha. Seit Monaten müssen Anwohner ganze 24 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. Pläne für eine Behelfstrecke konnte Sesselmann nicht umsetzen.

AfD in Sonneberg: „Wir sind nicht das Weltsozialamt!“

Schlecht auch seine Erfolgsbilanz beim Thema Flüchtlinge – ein Kernthema seines Wahlkampfes. Sesselmann forderte damals die sofortige Abschiebung „krimineller und abgelehnter Asylbewerber". Denn, so stand es in einem Flyer zur Stichwahl im Juni 2023: „Wir sind nicht das Weltsozialamt!“ Geflüchtete sollten künftig nur noch Sachleistungen statt Geld erhalten.

Das Ergebnis: Hatte der Kreis Sonneberg laut „Spiegel“-Informationen von Januar bis Juni 2023 (als noch ein CDU-Mann als Landrat im Amt war) 74 Asylbewerber und Ukrainer aufgenommen, waren es nach sechs Monaten Sesselmann bereits 134. Das hatten sich seine Anhänger sicher anders vorgestellt.

Frust bei Bürgern: „Das war für alle Beteiligten ein Schockmoment“

Im November brachte Sesselmanns Fraktion im Kreistag dann einen Antrag ein, in dem sie behauptete, der Landkreis Sonneberg befinde sich aufgrund der „uferlosen Masseneinwanderung“ im „Kollaps“. Die Fraktion forderte unter anderem, Ausländern die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen zu untersagen und Mindestabschiebezahlen festzulegen. Umgesetzt hat Sesselmann laut „stern“-Informationen des „ nichts davon, die Fraktion zog den Antrag zurück.

Besonders schockiert zeigten sich viele Einheimischen, als ihr Landrat überraschend die Förderung für die zivilgesellschaftliche „Partnerschaft für Demokratie“ streichen wollte. Nach Protesten des Jugendhilfeausschusses lenkte der er jedoch ein. „Das war für alle Beteiligten ein Schockmoment“, sagte Christian Tanzmeier, CDU-Abgeordneter im Sonneberger Kreistag, dazu dem „stern“. Mit den Geldern werde unter anderem das Jugendforum unterstützt, das Jugendfahrten zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald und Begegnungen zwischen Jugendlichen und Zeitzeugen von Flucht und Vertreibung organisiere. „Dieses Programm war der AfD hier in Sonneberg schon lange ein Dorn im Auge", so Tanzmeier.

„Jetzt wissen wir, wie das mit dem 'blauen Wunder' gemeint war“

Die Frustration bei den Sonnebergern steigt sichtlich. „Ja, liebe Freunde, unser blaues Wunder erleben wir nun...“, heißt es auf der Facebookseite „Sonneberg gegen Nazis". „Der Landkreis Sonneberg ist in der Haushaltskonsolidierung und somit de facto pleite, die Medios Kliniken sind insolvent, die Schule in Meng.-Hämmern wurde geschlossen, eine Förderung für Vereine wollte man abschaffen und die gestiegene Kreisumlage bringt die Gemeinden im Landkreis in finanzielle Not. Läuft ja richtig gut für unseren Landkreis #Sonneberg.“

Verantwortlich für die Misere machen die User Landrat Sesselmann. So heißt es weiter: „Herzlich danken möchten wir deshalb unserem Landrat #Sesselmann (#AfD) für seine hervorragende Arbeit. NICHT! Zur Erinnerung: Landrat Sesselmann (AfD) hatte in seinem Wahlkampf mit unter die Themen: Schule erhalten, Kreishaushalt aufstellen, Klinik sichern. Jetzt wissen wir auch, wie das mit dem ‘blauen Wunder‘ gemeint war.“

Man hätte gerne gewusst, wie Sesselmann auf die Kritik reagiert und wie er die genannten Probleme einschätzt. Doch eine FOCUS-online-Anfrage ließ er unbeantwortet.