TikTok als "Ventil": Schüler rechnet mit Scholz ab und fühlt sich von Politik "verar...t"

"Wer steht sozusagen in der Wissenskette noch über uns 18-Jährigen?", warnte Schüler Florian Fabricius (rechts) vor einem Gefälle zwischen Lehrern und Schülern in Bezug auf KI. Digitalexperte Sascha Lobo stimmte zu. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
"Wer steht sozusagen in der Wissenskette noch über uns 18-Jährigen?", warnte Schüler Florian Fabricius (rechts) vor einem Gefälle zwischen Lehrern und Schülern in Bezug auf KI. Digitalexperte Sascha Lobo stimmte zu. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Das Ergebnis der diesjährigen Europawahl hat den Fokus auf einen vermeintlichen Rechtsruck unter Jugendlichen gelegt. Bei "Markus Lanz" sprach Schüler Florian Fabricius jedoch Klartext und erklärte, warum sich die junge Generation von Politikern wie Kanzler Olaf Scholz alleine gelassen fühlt.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz an deutschen Schulen wird bereits seit einiger Zeit diskutiert. Bei "Markus Lanz" stellte Schüler Florian Fabricius am Dienstagabend jedoch fest, dass die Frage nicht mehr sei, "wird KI in den Unterricht kommen". Es gehe mittlerweile eher um das "Wie" und den Versuch, KI "in die Mitte des Klassenraums" zu katapultieren. "Und da habe ich meine Zweifel", so der Zwölftklässler, der erklärte, dass das Schulsystem KI bislang "nicht ernst" nehme. Im Gespräch mit Markus Lanz warnte Florian Fabricius daher vor einer immer größer werdenden "Schere" zwischen technologieoffenen Schülern und Lehrkräften, die mit der technologischen Entwicklung nicht mithalten können und wollen.

"Je schneller dieser ganze technologische Wandel wird, desto krasser geht die Schere auseinander. Desto mehr Lehrer fühlen sich abgehängt", konstatierte Florian Fabricius. Er warnte in dem Zusammenhang auch vor einem Autoritätsverlust, denn: "Wer steht sozusagen in der Wissenskette noch über uns 18-Jährigen?" Markus Lanz merkte daraufhin an, dass die Bildungsmodelle der Vergangenheit nicht mehr zu funktionieren scheinen und neue Wege eingeschlagen werden müssen. Digital-Experte Sascha Lobo nickte energisch und erklärte, dass man auch positiv auf die "große KI-Transformation" blicken und die "Flucht nach vorne" wagen könne. "Wir befinden uns am Anfang einer neuen medialen und damit auch politischen Zeitrechnung", befand Sascha Lobo.

Der Politik warf Florian Fabricius vor:
Der Politik warf Florian Fabricius vor: "Man tut auf jugendfreundlich, (...) geht auf TikTok, aber an der Substanz an jugendfreundlicher Politik ist eigentlich wenig dran." (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Schulleiterin Silke Müller gab in dem Zusammenhang zu, dass KI unwiderruflich in den Schulen angekommen sei und sie selbst Künstliche Intelligenz nutze, um mit Eltern ins Gespräch zu kommen. Daher erklärte Müller, dass viele Lehrkräfte anerkennen sollten, "wie KI uns unterstützen kann in der Unterrichtsvorbereitung - übrigens auch in der Durchführung". Die Schulleiterin ergänzte: "Es ist nicht so, dass wir (...) Autorität verlieren, wenn wir abgeben."

Laut Müller sei das Gegenteil der Fall, denn es gebe dadurch "mehr Zeit für Beziehungsarbeit" mit den Schülern "und das ist die viel höhere Autoritätsebene". Mit Blick auf den Ist-Zustand der deutschen Schulen musste Silke Müller jedoch zugeben, dass das Bildungssystem aktuell noch zu veraltet sei, um neue Technologien effizient einzusetzen: "Das Schulsystem jetzt funktioniert nicht für die Ansprüche von heute und von morgen."

Laut Schulleiterin Silke Müller sorge TikTok für große Probleme innerhalb der Schülerschaft,
Laut Schulleiterin Silke Müller sorge TikTok für große Probleme innerhalb der Schülerschaft, "wenn es um Manipulation geht, wenn es um Stimmungsmache geht, wenn es um Schönheitsideale geht". (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Markus Lanz erweiterte in seiner Sendung die Debatte und sprach neben KI auch die Nutzung sozialer Medien an deutschen Schulen an - insbesondere TikTok. "Welchen Einfluss hat TikTok mittlerweile auf Ihre Schüler?", fragte Lanz die Schulleiterin. Silke Müller antwortete prompt: "Einen leider sehr, sehr großen und nicht zu verachtenden." Müller erklärte daraufhin, dass einige Gefahren mit der Nutzung von TikTok einhergehen, "wenn es um Manipulation geht, wenn es um Stimmungsmache geht, wenn es um Schönheitsideale geht". Laut der Schulleiterin findet Meinungs- und Charakterbildung heutzutage vor allem "mit, in und durch TikTok statt".

Schüler Florian Fabricius schüttelte dabei nur mit dem Kopf und sagte: "In der öffentlichen Debatte finde ich es immer unsäglich, wie meine Generation, wie wir Jugendlichen dargestellt werden, als ob wir so unmündig wären." Der Zwölftklässler ergänzte wütend: "Ich habe das Gefühl, TikTok ist so die einfache Erklärung für Boomer, um zu erklären, warum die junge Generation anders tickt. (...) Es gibt schon noch Inhalte, an die wir glauben und es gibt schon auch noch eine gesunde Skepsis bei Jugendlichen!"

Silke Müller nickte zwar, sprach aber weiter von der "Manipulationskraft, die von TikTok ausgeht". Die Schulleiterin gab zu: "Ich merke einfach, dass die Stimmung sich verändert und dass tatsächlich dieses kritsch-reflektive Denken sich verändert und das ist problematisch. Und da spielt TikTok eben leider eine große Rolle." Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, inwieweit TikTok auch bei der letzten Europawahl eine Rolle gespielt hat.

"Fatale Diskussion": Für Sascha Lobo sei es zu leicht, TikTok als "Sündenbock" für den Rechtsruck unter den Jugendliche im Zuge der Europawahl hinzustellen. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
"Fatale Diskussion": Für Sascha Lobo sei es zu leicht, TikTok als "Sündenbock" für den Rechtsruck unter den Jugendliche im Zuge der Europawahl hinzustellen. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Sascha Lobo sah jedoch keinen direkten Zusammenhang und sagte: "Zuallererst hat TikTok die Rolle des Sündenbocks gespielt." Laut des Digital-Experten sei es jedoch "wahnsinnig angenehm für die halbe Zivilgesellschaft, wenn man als Begründung" für die gestiegenen AfD-Wählerstimmen "angeben kann: 'Wir haben nicht versagt, sondern es war TikTok.' Und das halte ich für eine ganz fatale Diskussion".

Florian Fabricius konnte dem nur zustimmen und ergänzte: "Diese ältere Zielgruppe denkt, Jugend ist gleich TikTok. (...) Wir als Jugendliche, wir haben ernsthafte Sorgen: bezahlbarer Wohnraum, Inflation, Krieg. Das sind alles ernsthafte Themen. Und was wir dann kriegen von Politikern, ist nicht eine Politik, die sich Jugendlichen widmet, sondern (...) Scholz zeigt uns seine Aktentasche und meint, damit ist es abgefrühstückt."

Der Schüler wetterte weiter: "Ich glaube, die Wahlergebnisse sind auch deshalb so deutlich, weil wir Jugendlichen irgendwann uns einfach ein bisschen verarscht fühlen, weil wir das auch durchschauen." Ein weiterer Vorwurf des 18-Jährigen an die Politik lautete: "Man tut auf jugendfreundlich, (...) geht auf TikTok, aber an der Substanz an jugendfreundlicher Politik ist eigentlich wenig dran." TikTok würde derweil vielen Jugendlichen als "Ventil dienen", wie Fabricius feststellte: "Die junge Generation ist einsamer als je zuvor, mehr Depressionen, mehr Zukunftsängste!"

Am Donnerstagabend erörterte die Runde bei
Am Donnerstagabend erörterte die Runde bei "Markus Lanz" die Potenziale und Gefahren von TikTok und KI im Bildungswesen. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)