Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen.

  • IAEA: Lage im AKW Saporischschja immer prekärer

  • Klitschko: Glauben Sie bitte weiter an die Ukraine

  • Bericht: Hunderte Milliarden für Wiederaufbau der Ukraine nötig

  • EU setzt Visa-Erleichterungen für Russen ab Montag aus

  • Ukraine fordert Entschädigung von Russland

Das Atomkraftwerk Saporischschja (Bild: Dmytro Smolyenko/Future Publishing via Getty Images)
Das Atomkraftwerk Saporischschja (Bild: Dmytro Smolyenko/Future Publishing via Getty Images)

+++ IAEA: Lage im AKW Saporischschja immer prekärer +++

Die Lage im umkämpften ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja wird laut internationalen Beobachtern vor Ort immer instabiler. Die Anlage habe keine externe Stromversorgung mehr für die Kühlung von Reaktorkernen und Atommüll, berichteten am Freitag Experten der Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die seit voriger Woche in dem von Russland besetzten AKW sind. Der Grund sei der Beschuss und die Zerstörung des Umspannwerkes in der nahen Stadt Enerhodar.

«Die Situation ist untragbar, und sie wird immer prekärer», sagte IAEA-Chef Rafael Grossi in Wien. Er forderte erneut die Einstellung aller Kampfhandlungen und die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone, um einen Atomunfall in dem AKW zu verhindern.

Der ukrainische Kraftwerksbetreiber erwäge nun die Abschaltung des letzten der sechs Reaktorblöcke, der im großen Atomkraftwerk noch in Betrieb ist, sagte Grossi. Wegen der zunehmenden Kampfhandlungen in der Gegend sei es unwahrscheinlich, dass die Stromversorgung des AKW wiederhergestellt werden könne. Da es in Enerhodar kein fließendes Wasser und keinen Strom mehr gebe, bestehe auch ein großes Risiko, dass bald nicht mehr genügend ukrainisches Personal für den sicheren Betrieb der Anlage zur Verfügung stehe, warnte Grossi.

+++ Klitschko: Glauben Sie bitte weiter an die Ukraine +++

Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, hat dazu aufgerufen, sein Land angesichts des russischen Angriffskriegs weiter zu unterstützen. «Glauben Sie bitte auch weiterhin an die Ukraine. Stehen Sie bitte weiter so treu und mit der vollen Überzeugung an der Seite der Ukraine. Stehen Sie bitte auf der Seite der Demokratie», sagte Klitschko in einer Videobotschaft beim CDU-Parteitag am Freitag in Hannover. Die Ukraine kämpfe für gemeinsame Werte, betonte Klitschko. «Wir verteidigen ganz Europa und jeden von euch.»

Vitali Klitschko (Bild: Beata Zawrzel/NurPhoto via Getty Images)
Vitali Klitschko (Bild: Beata Zawrzel/NurPhoto via Getty Images)

CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor gesagt, Klitschko habe persönlich zum Parteitag kommen wollen, dann aber wegen der aktuellen Situation absagen müssen. Er sende daher besonders herzliche Grüße an Klitschko und die Ukraine. «Wir stehen an Ihrer Seite», rief Merz, woraufhin die Delegierten minutenlang applaudierten.

+++ Bericht: Hunderte Milliarden für Wiederaufbau der Ukraine nötig +++

Der Krieg in der Ukraine hat allein in den ersten etwas mehr als drei Monaten einen Schaden von mindestens 97 Milliarden US-Dollar (rund 96,4 Milliarde Euro) verursacht. Das geht aus einem gemeinsamen Bericht der ukrainischen Regierung, der Weltbank und der Europäischen Kommission hervor, der am Freitag veröffentlicht wurde. Als Grundlage für die Berechnungen wurde der Zeitraum vom Beginn des Krieges am 24. Februar bis zum 1. Juni herangezogen. Die am stärksten betroffenen Sektoren sind demnach der Wohnungsbau (40 Prozent), das Transportwesen (31 Prozent) sowie der Handel und die Industrie (10 Prozent). Als am stärksten beschädigt gelten die Gebiete Donezk, Luhansk und Charkiw.

Die Kosten für Wiederaufbau der von Russland angegriffenen Ukraine wurden mit Stand vom 1. Juni auf mindestens 349 Milliarden US-Dollar (rund 346,7 Milliarden Euro) geschätzt. (Bild: Oleksandr Lapshyn/Global Images Ukraine via Getty Images)
Die Kosten für Wiederaufbau der von Russland angegriffenen Ukraine wurden mit Stand vom 1. Juni auf mindestens 349 Milliarden US-Dollar (rund 346,7 Milliarden Euro) geschätzt. (Bild: Oleksandr Lapshyn/Global Images Ukraine via Getty Images)

Die in diesem Zeitraum durch den Krieg entstandenen finanziellen Verluste werden mit fast 252 Milliarden US-Dollar (250,3 Milliarden US-Dollar) angegeben. Der hohe Betrag kommt zustande, weil die Verluste einem Sektors andere Sektoren beeinflussen. Zum Beispiel wirke sich der Rückgang bei der landwirtschaftlichen Produktion auf den Transportbedarf aus, der Verlust von Elektrizität beeinträchtige Handel und Industrie, heißt es in dem Bericht.

Die Kosten für Wiederaufbau der von Russland angegriffenen Ukraine wurden mit Stand vom 1. Juni auf mindestens 349 Milliarden US-Dollar (rund 346,7 Milliarden Euro) geschätzt. Am meisten Geld werde für den Wiederaufbau des Transportwesens (21 Prozent), die Entminung und Beseitigung von explosiven Überresten des Krieges (21 Prozent) und den Rückbau von Wohnbestand (20 Prozent) benötigt. Kurzfristig würden rund 105 Milliarden US-Dollar (rund 104,3 Milliarden Euro) benötigt, auch um Vorkehrungen für den bevorstehenden Winter zu treffen.

+++ EU setzt Visa-Erleichterungen für Russen ab Montag aus +++

Russische Bürger profitieren ab Montag nicht mehr von einer erleichterten Visa-Vergabe für Reisen nach Deutschland und andere Staaten des Schengen-Raums. Der Rat der EU-Staaten nahm am Freitag den Vorschlag der Europäischen Kommission an, das zwischen der EU und Russland geschlossene Abkommen zur Erleichterung der Visa-Vergabe komplett auszusetzen.

Nach früheren Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wird der Schritt dafür sorgen, dass die Zahl der neuen Visa für Russen signifikant sinkt. Insbesondere schutzbedürftige Menschen sollten aber weiter ein Visum bekommen können. Zum Schengen-Raum gehören 22 EU-Staaten und vier weitere europäische Länder.

+++ Ukraine fordert Entschädigung von Russland +++

Die Ukraine will nach Angaben ihres Justizministers Denys Maliuska Kriegsentschädigungen aus Russland von mindestens 300 Milliarden US-Dollar (etwa 300 Milliarden Euro) durchsetzen. Bei der UN-Vollversammlung wolle Kiew eine Resolution erreichen als Grundstein für einen internationalen Wiedergutmachungsmechanismus, sagte Maliuska den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). «Wir wollen eine Kompensation für alle Schäden, die Russland in der Ukraine durch seinen Angriffskrieg verursacht hat», sagte er.

Die Ukraine will Schadensersatz für die Zerstörung (Bild: Stringer/Anadolu Agency via Getty Images)
Die Ukraine will Schadensersatz für die Zerstörung (Bild: Stringer/Anadolu Agency via Getty Images)

Der Schaden, den die Ukraine durch die russische Invasion erlitten hat, wird mittlerweile schon viel höher geschätzt. Doch die genannte Summe von 300 Milliarden US-Dollar entspricht den Guthaben der russischen Nationalbank in den G7-Staaten, die im Zuge der Sanktionen eingefroren wurden. Maliuska verlangte den Zugriff darauf sowie auf das Auslandsvermögen russischer Staatsunternehmen und beschlagnahmten Besitz russischer Oligarchen.

Deutschland solle Auskunft geben, wie viel russisches Vermögen hier geparkt sei, sagte der Minister. Zugleich solle Deutschland das ukrainische Vorhaben in der UN-Vollversammlung in New York unterstützen. Maliuska hatte am Donnerstag in Berlin mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gesprochen.

+++ Ukrainische Armee stößt 50 Kilometer vor +++

Die ukrainische Armee ist bei ihrer Gegenoffensive im Osten des Landes tief in den Rücken der russischen Besatzungstruppen vorgedrungen. Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte am Donnerstagabend die Rückeroberung der Kreisstadt Balaklija im Gebiet Charkiw. Die Armee habe seit Anfang September mehr als 1000 Quadratkilometer der Ukraine befreit, sagte er in seiner Videoansprache.

«Im Rahmen laufender Verteidigungsoperationen haben unsere Helden bereits Dutzende von Siedlungen befreit», sagte er. «Die Ukraine ist und wird frei sein», versprach er. Allerdings halten russische Truppen nach früheren Angaben etwa 125 000 Quadratkilometer in der Ukraine besetzt. Das ist ein Fünftel des Staatsgebietes einschließlich der Halbinsel Krim.

Nach Angaben von Justizminister Denys Maliuska will die Ukraine Kriegsentschädigungen aus Russland von mindestens 300 Milliarden US-Dollar (etwa 300 Milliarden Euro) durchsetzen. Bei der UN-Vollversammlung wolle Kiew eine Resolution erreichen als Grundstein für einen internationalen Wiedergutmachungsmechanismus, sagte Maliuska auf Besuch in Berlin. Für die Ukraine ist Freitag der 198. Tag im Kampf gegen die russische Invasion.

+++ Ukrainisches Blau-Gelb weht wieder über Balaklija +++

Die Kleinstadt Balaklija, die vor dem Krieg etwa 27.000 Einwohner hatte, war mehrere Monate von russischen Truppen besetzt gewesen. Als Beleg für die Rückeroberung veröffentlichte Selenskyj ein Video, gedreht mutmaßlich auf dem Rathaus. Vor der blau-gelben ukrainischen Fahne erstattete ein Soldat dem Präsidenten Bericht über die Einnahme der Stadt. «Die Flagge der Ukraine über einer freien ukrainischen Stadt unter einem freien ukrainischen Himmel», schrieb Selenskyj.

Nicht verifizierte Internetvideos zeigten Passanten, die den ukrainischen Soldaten zuwinkten oder sie unter Tränen umarmten. Die von Russland eingesetzte Verwaltung für die eroberten Gebiete um Charkiw behauptete, Balaklija und der Ort Schewtschenkowe seien weiter unter russischer Kontrolle. Es würden Reserven in den Kampf geführt, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Verwaltungschef Andrej Alexejenko. Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar.

Nach Angaben des Generalstabs in Kiew sind die ukrainischen Truppen bereits etwa 50 Kilometer nach Osten vorgestoßen. Der Angriff läuft über Balaklija hinaus in Richtung der Stadt Kupjansk. Dort ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, über den Russland seine Truppen beim Angriff auf den Donbass versorgt. In Kupjansk ordnete die Besatzungsverwaltung die Evakuierung von Frauen und Kindern an.

Die russische Militärführung sei von der Attacke bei Balaklija offenbar überrascht worden, analysierte der US-Militärexperte Michael Kofman auf Twitter. «Die russischen Kräfte waren zu weit verteilt.» Es gebe dort kaum Reserven. Im Unterschied zu dem schnellen Vorstoß im Osten scheine die Ukraine bei ihrer anderen Gegenoffensive im Süden im Gebiet Cherson sehr systematisch vorzugehen.

In der Großstadt Charkiw schlugen nachts erneut russische Raketen ein, wie die örtlichen Behörden mitteilten. Es seien mehrere Häuser getroffen worden, niemand sei verletzt worden.