Toni Kroos gesteht bei "Lanz & Precht": "Das hat mich viele Jahre gestört an meinem Job"

Am Freitag trifft Toni Kroos mit der DFB-Elf im EM-Viertelfinale auf die spanische Mannschaft. (Bild: 2024 Getty Images/Dean Mouhtaropoulos)
Am Freitag trifft Toni Kroos mit der DFB-Elf im EM-Viertelfinale auf die spanische Mannschaft. (Bild: 2024 Getty Images/Dean Mouhtaropoulos)

Seine Karriere will Toni Kroos am liebsten mit dem EM-Titel im eigenen Land krönen. Doch im Podcast "Lanz & Precht" sprach er nicht nur über das Viertelfinale gegen Spanien, sondern auch über saudi-arabische Mondgehälter, eine mögliche fehlende Leistungsbereitschaft in der Gesellschaft - und Migrationspolitik.

Geht am Freitag eine große Fußballerkarriere zu Ende - oder schreibt Toni Kroos weiter an seinem ganz persönlichen Fußballmärchen? Mit dieser und vielen weiteren Fragen im Gepäck begrüßten Richard David Precht und Markus Lanz den deutschen Nationalspieler in ihrem Podcast "Lanz & Precht". Ehe am Freitagabend die spanische Mannschaft im Viertelfinale wartet, stellte sich der "bekennende Hörer" des Podcast, Kroos, den Fragen der Gastgeber. "Wir brauchen zwei Bälle", scherzte Kroos hinsichtlich der Vorliebe beider Teams zu Ballbesitzfußball.

Taktische Details ließ sich der Mittelfeldmann zwar nicht entlocken ("Nicht, dass die Spanier noch den Podcast hören"), machte beim Gegner aber "große Probleme hinten aus", sofern es den Deutschen gelinge, die hohe Pressinglinie der Iberer zu überspielen.

Lobende Worte hatte Kroos zudem für Flügelstürmer Lamine Yamal (Lanz: "der älteste 16-Jährige, den ich je gesehen habe") übrig. "Es ist wirklich ungewöhnlich, in diesem Alter so Fußball zu spielen, vor allem mit dieser Selbstverständlichkeit und mit einer relativen Konstanz", konstatierte Kroos. Umso wichtiger sei es aus deutscher Sicht, den Barcelona-Spieler "im Verbund zu verteidigen" und "so eng dran wie möglich" zu sein.

Richard David Precht (links) und Markus Lanz führten in der jüngsten Ausgabe ihres Podcasts ein Gespräch mit Fußballnationalspieler Toni Kroos. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Richard David Precht (links) und Markus Lanz führten in der jüngsten Ausgabe ihres Podcasts ein Gespräch mit Fußballnationalspieler Toni Kroos. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Toni Kroos erklärt Gründe für Rückkehr in die DFB-Elf

Persönlicher wurde das Gespräch, als es um die wegweisende Entscheidung von Toni Kroos ging, in die Nationalmannschaft zurückzukehren. "Es hat sich nach langem Überlegen richtig angefühlt - unabhängig davon, wie das restliche Turnier ausgeht", sagte Kroos.

Leicht habe er es sich allerdings nicht gemacht. "Will ich wirklich, dass meine Karriere im Deutschland-Trikot mit einer Niederlage wahrscheinlich endet?", habe er sich angesichts seines Karriereendes nach der EM gefragt. Doch unter anderem die Spielphilosophie von Julian Nagelsmann ("Die Rollen hat er so klar kommuniziert wie noch selten ein Trainer") sei letztlich entscheidend gewesen.

Nach dem nahenden Karriereende - am besten mit dem Europameisterpokal im Gepäck - freue sich Kroos besonders auf mehr Zeit mit seinen Kindern. "Ich finde es immer schwierig, sich als Fußballer darüber zu beklagen, dass man zu wenig Zeit hat. Ein Normalarbeitender geht morgens viel früher aus dem Haus, kommt abends viel später nach Hause", betonte Kroos zwar, merkte aber auch an, als Fußballer am Wochenende kaum Zeit für seinen Nachwuchs gehabt zu haben. "Das ist das, was mich schon viele Jahre gestört hat an meinem Job."

Wechsel nach Saudi-Arabien? Precht würdigt Kroos' "sehr bemerkenswerte Entscheidung"

Ein Wechsel ins finanziell mehr als solvente Saudi-Arabien sei indes für Toni Kroos nie eine Alternative gewesen, wie er betonte - nicht nur wegen Protesten seiner Frau. Das sei eine "sehr bemerkenswerte Entscheidung" angesichts von "Fastilliarden", die man dort verdienen könne, merkte Richard David Precht an. Kroos entgegnete, er habe in seinen Jahren beim FC Bayern und bei Real Madrid bereits mehr als genug verdient: "Wenn ich mit diesem Geld nicht umgehen kann, dann kann ich es wahrscheinlich auch nicht mit dem, was da noch kommt."

Außerdem erneuerte er seine Kritik daran, dass teils auch junge Spieler den Verlockungen des Saudi-Geldes nicht widerstehen können. Im vergangenen Jahr hatte Kroos den Wechsel des 22-jährigen Top-Talents Gabri Veiga in die Wüste als "peinlich" verurteilt. Anders sei die Lage bei einem Zweitligaspieler, der ein Angebot aus Saudi-Arabien bekomme, ordnete der Mittelfeldmann nun ein: "Jetzt hast du die Möglichkeit, in einem Jahr Saudi-Arabien wahrscheinlich das Doppelte zu verdienen, als in den 15 Jahren zweite Liga." Das sei "okay", so Kroos.

Kroos verurteilt Trend im Jugendfußball: Geht in "komplett falsche Richtung"

Doch Toni Kroos äußerte sich bei "Lanz & Precht" nicht nur zu sportlichen Themen. Auch als Lanz nach der generellen Leistungsbereitschaft in der Gesellschaft fragte ("Wie kriegen wir unsere Kinder hungrig?"), scheute der Fußballer nicht vor einer klaren Antwort zurück.

Es sei "ein Punkt, bei dem man merkt, dass es nachlässt", monierte der 34-Jährige. Dass im Jugendfußball mitunter nicht mehr bei Toren mitgezählt werde, gehe in eine "komplett falsche Richtung". Auch außerhalb des Sports sei ein Streben nach maximaler Leistungsfähigkeit wichtig, betonte Toni Kroos: "Ich möchte, dass meine Kinder, in dem, was sie machen, versuchen, die Besten zu werden."

Richard David Precht ging noch eine Ebene höher und befürchtete: "Wenn wir nicht mehr lernen, zu verlieren, dann geht uns eine ganz wichtige Eigenschaft verloren: Niederlagen zu verarbeiten." Schließlich ziehe man aus Niederlagen stets einen höheren psychologischen Effekt als aus Siegen, stellte der Philosoph fest. Gleichzeitig warnte er: "Wenn diese Fähigkeit verloren geht in der Gesellschaft, dann entsteht eine Hypersensibilität von Menschen, die mit ihren persönlichen Niederlagen nicht mehr umgehen können."

Laut Lanz klemmt es in Deutschland "an allen Ecken und Enden"

Nach dem Karriereende wolle er zunächst in Spanien bleiben, so Kroos - auch, weil Deutschland nicht mehr das Land sei, "wie vor zehn Jahren, als wir gegangen sind". Im Vergleich zu Spanien hätte er hierzulande ein mulmigeres Gefühl, seine in einigen Jahren 14-jährige Tochter "abends um 23 Uhr in einer deutschen Großstadt" rausgehen zu lassen. Lanz schrieb dies einer "Angst vor Kontrollverlust" zu, Precht attestierte Spanien "überhaupt keine aggressive Gesellschaft" und ein "allgemein positiveres Miteinander". Hierzulande bemerke er dagegen ein "Gefühl latenter Bedrohungen".

Toni Kroos wollte sich auf kein Pauschalurteil festlegen lassen. Dennoch würden ihm einige Dinge zu einer "grundsätzlich positiven Lebenseinstellung" in Deutschland fehlen. Laut Lanz liege das auch an "einer systematischen Überforderung auf allen Ebenen": "Es klemmt an allen Ecken und Enden."

Kroos fügte hinzu, dass das Thema Migration auch ständig präsent sei. Bei der EM zeige man gerade wieder, wie offen Deutschland sein könne. Doch in den vergangenen Jahren sei vieles zu "unkontrolliert" gewesen. Klar sei, dass bei vielen Einwanderern auch ein gewisser Prozentanteil sei, der negativ auffalle - doch das sei auch unter Deutschen so, betonte Kroos: "Wenn man sie nicht unterscheiden kann von denen die uns nicht guttun, wird es am Ende schwierig. Dann wird auch die Haltung der Deutschen immer geteilter." Dabei sei klar, dass das Land viele der Menschen brauche, die einwandern würden.