Trotz Wahldebakel: Saskia Esken lobt Konzepte der Ampel - Lanz reagiert "sprachlos"

SPD-Chefin Saskia Esken versuchte bei
SPD-Chefin Saskia Esken versuchte bei "Markus Lanz", die Wahlschlappe ihrer Partei bei der Europawahl zu erklären. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Bei der Europawahl wurden vor allem die Ampel-Parteien von den Wählern abgestraft. SPD-Chefin Saskia Esken sah dennoch keinen Grund, die politische Richtung der Regierung zu überdenken. Stattdessen argumentierte sie bei "Markus Lanz", dass die Inflation ein Grund für das Wahldebakel sei.

Bei der diesjährigen Europawahl erhielt die SPD mehr als nur einen Denkzettel von den Wählern. Während die Partei vor drei Jahren noch 25,7 Prozent erreichen konnte, landete sie nun bei 13,9 Prozent. Markus Lanz wollte in seiner Sendung am Donnerstag auf Ursachenforschung gehen und herausfinden, warum die SPD vor allem so viele Wähler an die AfD verloren haben könnte. SPD-Chefin Saskia Esken gab in der Sendung zwar zunächst offen zu, dass die Partei nun "vieles erklären" müsse, aber gleichzeitig erinnerte sie daran, dass die Regierung vor drei Jahren noch "eine Aufbruchstimmung hat erzeugen können, mit dem, was sie sich vorgenommen hat".

Zwar sei vieles davon umgesetzt worden, doch die historischen Krisen hätten laut Esken die Wahrnehmung im Land verändert. Auf die Corona-Pandemie und mit dem Krieg in der Ukraine sei "eine anwachsende Inflation" entstanden, "die die Bevölkerung wahnsinnig unter Druck gesetzt hat. (...) Und deswegen ist die Stimmung in Deutschland dermaßen schlecht derzeit, dass wir dieses Wahlergebnis nicht anders erwarten konnten".

Markus Lanz reagierte überrascht: "Sie sind sehenden Auges so in dieses Ergebnis rein?" Esken relativierte ihre Aussage kurzerhand und erklärte: "Nein, nicht sehenden Auges, sondern realistischerweise. Wir haben ja Umfragen gehabt." Das Ergebnis sei daher zwar nicht überraschend gewesen, doch die SPD-Politikerin fügte mit ernster Miene hinzu, dass "das Bitterste (...) an diesem Wahlergebnis" die "Zustimmung zu einer rechtsradikalen Partei" gewesen sei, "die sich ja in den letzten Monaten und Jahren immer weiter radikalisiert hat".

Das schlechte Wahlergebnis der bürgerlichen Parteien beschäftigte auch die Diskussionsrunde bei
Das schlechte Wahlergebnis der bürgerlichen Parteien beschäftigte auch die Diskussionsrunde bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Der ZDF-Moderator konterte darauf: "Und trotzdem werden sie gewählt. Sie haben 570.000 Leute an die AfD verloren." Lanz hakte weiter nach und fragte die SPD-Politikerin überspitzt, warum so viele Menschen "von der guten SPD zur bösen AfD" gewechselt sind. Eine Frage, auf die Esken patzig reagierte: "Das hat mit böse nichts zu tun. Ich finde diese Kategorien auch wirklich unterkomplex, ganz ehrlich." Esken ergänzte, dass "die Konzepte der AfD" nicht nur "menschenverachtend", sondern auch "für unsere Volkswirtschaft hochgefährlich" seien. Dennoch schaffe es die Partei, Menschen anzulocken, "die in großer Sorge sind". Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, warum genau diese Wähler "nicht mehr bei der SPD" seien. Die SPD-Chefin gab daraufhin zu: "Weil es uns offenbar nicht so gut gelingt, den Menschen deutlich zu machen, dass wir an ihrer Seite stehen."

In dem Zusammenhang sprach Lanz auch die hohe Anzahl junger Wähler an, die AfD oder CDU/CSU gewählt haben. "Warum ticken junge Menschen plötzlich wieder so konservativ?", wollte er wissen. Jugendforscher Simon Schnetzer erklärte daraufhin, dass bei vielen jungen Menschen das Gefühl aufkomme, dass es nicht mehr fair in diesem Land zugehe und sie benachteiligt werden. Die Sorge vor der Inflation, aber "auch die Zuwanderung" sei "ein ganz starkes Thema" für viele.

"Klima bleibt weiter ein hohes Thema, aber die anderen Sorgen überlagern das", erklärte Schnetzer weiter. Er fügte hinzu: "Die AfD macht das sehr gut. Sie spielt genau mit diesen Ängsten. Nicht mit der Lösung, sondern indem sie die Ängste aufgreift und in simplen Methoden spielt." Dabei spielen laut Schnetzer vor allem die sozialen Medien, allen voran TikTok, eine entscheidende Rolle. Hier habe die AfD direkten Zugang zu jungen Menschen und "da passiert etwas ganz wertvolles, nämlich: (...) das Gefühl zu haben, mir hört jemand zu".

Jugendforscher Simon Schnetzer zufolge haben viele junge Menschen in Deutschland das Gefühl, dass es nicht mehr fair in diesem Land zugehe. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Jugendforscher Simon Schnetzer zufolge haben viele junge Menschen in Deutschland das Gefühl, dass es nicht mehr fair in diesem Land zugehe. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

"Wenig Führung, wenig Klarheit und kein großer Maßnahmenplan": Journalist übt harte Scholz-Kritik

Dies brachte Michael Bröcker dazu, den Umgang der SPD mit dem Wahldebakel zu kritisieren: "Man müsste doch jetzt als Parteichefin sagen: 'Okay, was haben wir falsch gemacht?' Sie haben einen Wahlkampf gegen Rechts geführt, und trotzdem laufen die Leute in Scharen zu den Rechten!" Bröcker kritisierte weiter, dass die SPD viele Ängste der Bürgerinnen und Bürger zu Themen wie der illegalen Migration lange ignoriert habe. "Bei den großen Themen, die die Leute wirklich umtreiben, da kommt von diesem Kanzler wenig Führung, wenig Klarheit und erst recht kein großer Maßnahmenplan", zählte Bröcker Negativpunkte auf.

Esken dementierte dies jedoch als "sicher nicht richtig" und erklärte, dass bereits Maßnahmen in der Migrationspolitik ergriffen worden seien, "die den Turnaround bringen". Als Michael Bröcker anmerkte, dass bislang "zu wenig" passiert sei, konterte Esken, dass das Problem "in den Ländern" liege und die Situation mit Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien "schwierig" sei.

Journalist Michael Bröcker zählte einige Schwächen von Bundeskanzler Olaf Scholz auf: Er habe
Journalist Michael Bröcker zählte einige Schwächen von Bundeskanzler Olaf Scholz auf: Er habe "wenig Führung, wenig Klarheit und erst recht keinen großen Maßnahmenplan". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Grund genug für Bröcker, weiter gegen Olaf Scholz zu argumentieren und zu sagen, dass er immer derjenige sei, "der die Erwartungen an seine eigene Politik mit seiner Rhetorik plötzlich, wenn er in der Krise ist, hochschraubt. Und danach müssen alle wieder erklären: 'Ja, so einfach geht's nicht und die Länder sind zuständig'." Für den Journalisten sei daher "eine Spur Selbstkritik" wünschenswert, denn: "Die Menschen sind in einer riesigen Vertrauenskrise, was die politischen Eliten betrifft."

Darauf reagierte Saskia Esken jedoch stoisch mit: "Ich bin der Auffassung, dass die Konzepte dieser Koalition gut und richtig sind." Auch eine Personalveränderung komme für die SPD-Chefin nicht infrage, wie sie deutlich machte. Lanz reagierte überrascht: "Sie erleben mich jetzt ein bisschen sprachlos. Der Kanzler hat 24 Stunden gebraucht, um etwas dazu zu sagen. Wie finden Sie sowas?" Während Esken erneut die Kritik ignorierte, sprach Michael Bröcker Klartext: "Man hat nicht das Gefühl, dass er bereit ist, sich selbstkritisch zu analysieren. (...) Deswegen laufen Ihnen die Wähler in Scharen davon!"